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MELDUNG/1617: Am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen (SB)




Brandon Rios fertigt Mike Alvarado in drei Runden ab

Da Brandon Rios und Mike Alvarado in der Vergangenheit schon zweimal aufeinandergetroffen waren, bot es sich an, daraus eine jener Fehden zu fabrizieren, von denen der Boxsport nicht minder lebt als von den ausgetragenen Kämpfen. In ihrem ersten Duell hatte Rios im Herbst 2012 in der siebten Runde die Oberhand behalten, fünf Monate später revanchierte sich Alvarado dafür mit einem Punktsieg. Was lag näher, als eine dritte Begegnung dieser Kontrahenten unter dem Motto der endgültigen Klärung, wer von beiden der Bessere sei, zu inszenieren.

Diese Aufwertung des Kampfs, der in Broomfield, Colorado, über die Bühne ging, war um so notwendiger, als es für die beiden Weltergewichtler in jüngerer Zeit steil bergab gegangen war. Alvarado hatte gegen Ruslan Prowodnikow und Juan Manuel Marquez verloren, Rios mußte sich im November 2013 dem Philippiner Manny Pacquiao geschlagen geben und lag auch bei seinem letzten Kampf im Rückstand, als sein Gegner Diego Chaves in der neunten Runde disqualifiziert wurde. Rios hatte sich ebenfalls grobe Regelwidrigkeiten geleistet, doch nur der Argentinier wurde bestraft.

Der Sender HBO vermarktete das dritte Duell der Rivalen unter der Prämisse, daß nur der Sieger seine Karriere wieder voranbringen könne, der Verlierer jedoch vor einem Scherbenhaufen stehe. Da somit für beide sehr viel auf dem Spiel stand, war zumindest ein verbissener Kampf zu erwarten, in dem man Rios einen vorzeitigen Erfolg und dem wendigeren Alvarado eher einen taktisch herausgeboxten Punktsieg zutraute.

Wenngleich der Kampfverlauf in Teilen diesem Muster entsprach, entwickelte sich das Geschehen doch sehr viel schneller und einseitiger, als man es erwartet hatte. Brandon Rios ging von Beginn an entschieden zur Sache und dominierte die Auseinandersetzung sofort und durchgehend. Nachdem die Kontrahenten zunächst noch aus der Distanz geboxt hatten, rückte Rios bereits in der zweiten Runde nahe an den Gegner heran und traf ihn nun fast nach Belieben. Alvarado machte keinen Gebrauch von seiner Beweglichkeit, um sich aus dieser mißlichen Lage zu befreien. Er blieb vielmehr vor dem Angreifer stehen und lud auf diese Weise regelrecht zu Schlägen ein, denen er ein allzu leichtes Ziel bot. Daß er sich nach vorne beugte, bot ihm keinen Schutz, da er gefährliche Aufwärtshaken einstecken mußte. Alvarado wurde wegen eines Tiefschlags ermahnt, wobei sich bereits abzeichnete, daß er die kurze Pause nötiger hatte als sein regelwidrig getroffener Gegner.

Nachdem Rios die ersten beiden Runden klar für sich entschieden hatte, setzte er im dritten Durchgang um so energischer nach. Alvarado entbehrte jeder Ideen und Mittel, sich diesem Ansturm zu entziehen, und ging nach einer Serie von Treffern auf die Knie. So verschaffte er sich zwar eine Erholungspause, die ihn in der Folge jedoch nicht vor weiteren Schlägen bewahrte. In der Pause zur vierten Runde kam der Ringarzt in seine Ecke und empfahl einen Abbruch, der dann auch vorgenommen wurde. [1]

So gewann Brandon Rios durch technischen K.o. in der dritten Runde, verbesserte seine Bilanz auf 33 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden und sicherte sich den internationalen Titel der WBO im Weltergewicht. Für Mike Alvarado stehen nach diesem Debakel 34 gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche.

Der 34 Jahre alte Alvarado führte den Abbruch auf eine Verletzung am linken Auge zurück, die er sich durch einen Uppercut bereits in der ersten Runde zugezogen habe. Danach sei seine Sicht auf dieser Seite stark eingeschränkt gewesen. Vor allem aber habe er sich nicht angemessen auf diesen Kampf vorbereiten können und sei keinesfalls in Bestform angetreten. Er sei jedoch noch längst nicht am Ende und werde erfolgreich in den Ring zurückkehren.

Wollte er dies unter Beweis stellen, müßte er sich jedoch gewaltig steigern, da er an diesem Abend ein Spielball für Brandon Rios gewesen war. Sollte er in der Anfangsphase versucht haben, sich dem Gegner zu entziehen, so hatte ihm dieser jedenfalls so schnell den Weg abgeschnitten, daß er den Uppercuts und Haken mehr oder minder hilflos ausgesetzt war. Da Alvarado vier seiner letzten fünf Kämpfe verloren hat, ist ungewiß, ob ihn sein Promoter Top Rank im Aufgebot behält.

Zudem ist er kurz vor dem Kampf erneut mit dem Gesetz in Konflikt geraten, da bei einer Fahrzeugkontrolle ein Revolver in seinem Handschuhfach gefunden wurde. Er war zuvor wegen einer Straftat verurteilt worden, doch hatte man den Haftbefehl noch nicht vollstreckt. Der unter diesen Voraussetzungen verbotene Waffenbesitz wird mit Sicherheit zu einer weiteren Strafe führen, die er unter Umständen in Haft absitzen muß. Ob diese Turbulenzen im Vorfeld des Kampfs sein Training gravierend beeinträchtigt haben, erwähnte Alvarado nicht. Fest steht indessen, daß seine Karriere nun auf der Kippe steht. [2]

Hingegen kann man dem 28jährigen Brandon Rios eine sportliche Wiedergeburt attestieren, und sein Kriegsruf an die Adresse der Rivalen Victor Ortiz und Ruslan Prowodnikow dürfte Musik in den Ohren seines Promoters Bob Arum und des Senders HBO sein. Rios läßt sich nun wieder erfolgreich vermarkten, denn wenngleich er in technischer Hinsicht nicht gerade Bäume ausreißt, sorgt er doch für turbulente Auftritte. Daher wird er wohl noch einige Zeit zwischen Triumph und Tragödie navigieren, deren Unvorhersehbarkeit aus der Sicht des Publikums einen erheblichen Teil seiner Attraktivität ausmacht. [3]

Daß Brandon Rios im Interview mit HBO gar nicht erst von einer Revanche mit Manny Pacquiao oder gar Floyd Mayweather sprach, war fast schon eine angenehme Abwechslung. Victor Ortiz, der drei seiner letzten vier Auftritte verloren hat, und Ruslan Prowodnikow, der bei vier Versuchen zweimal den kürzeren zog, sind schon eher seine Kragenweite. Ortiz ist bereits an Luis Collazo frühzeitig gescheitert und böte Rios vermutlich ein relativ leichtes Ziel. Ein Kampf gegen Prowodnikow, der mehr Dampf in den Fäusten hat, wäre sicher attraktiver für die Zuschauer, aber auch riskanter für Brandon Rios. Alvarado, dessen körperliche Verfassung offensichtlich zu wünschen übrigließ, war rückblickend gesehen ein Glücksfall, der sich kaum wiederholen wird. In welchem Maße es Rios gelungen ist, noch einmal Tritt zu fassen, werden erst seine nächsten Kämpfe mit gut vorbereiteten Kontrahenten zeigen. [4]


Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/brandon-rios-schlaegt-mike-alvarado-33475

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/01/alvarado-i-wasnt-prepared-ill-be-back/#more-187390

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/01/rios-is-reborn-alvarado-is-dead-and-buried/#more-187407

[4] http://www.boxingnews24.com/2015/01/rios-wants-victor-ortiz-or-provodnikov-next/#more-187392

25. Januar 2015


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