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MELDUNG/1644: Was zeichnet einen "Boxer des Jahres" aus? (SB)



Die Wahl der US-Boxjournalisten fällt auf Terence Crawford

Der Verband der US-amerikanischen Boxjournalisten (Boxing Writers Association of America) hat Terence Crawford mit der nach Sugar Ray Robinson benannten Auszeichnung als "Boxer des Jahres 2014" geehrt. Damit schloß sich die schreibende Zunft dem Votum von ESPN.com an, wo die Wahl bereits im Dezember auf den WBO-Weltmeister im Leichtgewicht gefallen war. Auf dem zweiten Platz folgt Sergej Kowaljow, der bei seinem souveränen Sieg über Bernard Hopkins im November die Titel dreier Verbände im Halbschwergewicht zusammengeführt hat. Ebenfalls in die engere Wahl kamen Gennadi Golowkin, Manny Pacquiao, Miguel Cotto und Naoya Inoue.

Der aus Omaha in Nebraska stammende Crawford reiste im März 2014 nach Glasgow, wo er den Schotten Ricky Burns nach Punkten besiegte und ihm den WBO-Titel abnahm. Promoter Bob Arum veranstaltete die erste Titelverteidigung vor 10.943 Zuschauern in Omaha, wo erstmals seit dem Duell zwischen Joe Frazier und dem Lokalmatador Ron Stader im Jahr 1972 wieder ein Kampf um die Weltmeisterschaft über die Bühne ging. In einem spektakulären Duell setzte sich Crawford in der neunten Runde gegen den zuvor ungeschlagenen ehemaligen Federgewichtschampion Yuriorkis Gamboa durch, der bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen eine Goldmedaille für die kubanische Mannschaft gewonnen hatte.

Im November bekam es Crawford wiederum in seiner Heimatstadt vor 11.127 Zuschauern mit dem Pflichtherausforderer Raymundo Beltran zu tun, der 2013 durch ein umstrittenes Unentschieden gegen den damaligem Weltmeister Ricky Burns den Titel nur knapp verfehlt hatte. Der Lokalmatador gab sich keine Blöße und boxte einen souveränen Punktsieg heraus (120:108, 119:109, 119:109). Terence Crawford, der nun in 25 Auftritten ungeschlagen ist, steigt ins Halbweltergewicht auf, wo er am 18. April höchstwahrscheinlich gegen den Puertoricaner Thomas Dulorme, für den 22 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, um einen vakanten Titel kämpft. Der Austragungsort dieses Kampfs, der vom Sender HBO übertragen wird, steht derzeit noch nicht fest.

Wie Crawford in einer ersten Reaktion auf die Auszeichnung mitteilte, komme diese für ihn überraschend. Er habe nie damit gerechnet, ein derart hohes Ziel zu erreichen, und das Ganze komme ihm irgendwie unwirklich vor. Er könne jedoch von sich sagen, daß er in den drei Kämpfen des vergangenen Jahres sein Bestes gegeben habe. Alles habe sich zur rechten Zeit auf ideale Weise gefügt, und so freue er sich darauf, auch 2015 Furore zu machen.

Er wolle fortan nur noch voranschreiten und weiterhin die spektakulärsten und bedeutendsten Kämpfe bestreiten. Es gehe ihm darum, den Beweis anzutreten, daß er der führende Akteur in dieser Gewichtsregion und einer der besten überhaupt sei. Um das zu erreichen, müsse man Gegner vom Rang Floyd Mayweathers und Manny Pacquiaos ins Visier nehmen. Solche Kontrahenten wolle er künftig herausfordern und besiegen. [1]

Während Crawford die Latte seiner Ambitionen so hoch hängt, daß darüber nur noch der Himmel kommt, ist seine Auszeichnung als "Boxer des Jahres 2014" nicht unumstritten. Anderer Meinung waren die Fachjournalisten der renommierten Webseite Boxingnews24.com, die Ende Dezember dem Kasachen Gennadi Golowkin diese Ehrung zuerkannten. In ihrer Begründung nahmen sie Stellung zur vorangegangenen Entscheidung bei ESPN und wandten ein, daß lediglich der Kampf des WBO-Weltmeisters im Leichtgewicht gegen Yuriorkis Gamboa unterhaltsam gewesen sei, was aber vor allem an dem Kubaner gelegen habe. Hingegen seien die Siege über Ricky Burns und Raymundo Beltran unglaublich langweilig ausgefallen, da Crawford fortgesetzt mit dem Jab und gelegentlichen Kontern arbeite, bis er seinen Vorsprung sicher nach Hause geboxt habe.

Demgegenüber sei der ungeschlagene Superchampion der WBA im Mittelgewicht einer der aufregendsten Boxer der gesamten Branche. Golowkin habe seit 2008 sämtliche Gegner auf eindrucksvolle Weise vorzeitig besiegt. Er fürchte sich nicht, selbst getroffen zu werden, und laufe nie weg, um dem Schlagabtausch aus dem Weg zu gehen. Statt dessen stelle er seinen Kontrahenten unablässig nach, gebe auf diese Weise spektakuläre Vorstellungen und lasse niemanden davonkommen. Sollte sich der Kasache auch 2015 in dieser Manier durchsetzen, sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis er zu einem Star des Bezahlfernsehens aufsteige. Dabei kann Golowkin im Unterschied zu anderen populären Akteuren auf keine gleichsam natürliche Fangemeinde wie die Crawfords in Omaha zurückgreifen, sondern baut seine wachsende Anhängerschaft allein durch begeisternde Leistungen im Ring aus. Er hat den Durchbruch beim US-Publikum so gut wie geschafft, was für Ausländer außerordentlich schwer ist.


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12369199/lightweight-champ-terence-crawford-named-bwaa-fighter-year

26. Februar 2015


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