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MELDUNG/1743: Danaergeschenk für einen gestrauchelten Briten (SB)



Badou Jack dürfte George Groves in die Bredouille bringen

Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, überträgt der Sender Showtime im Rahmen seines Formats "Championship Boxing" die Titelverteidigung Badou Jacks gegen George Groves am 22. August in Las Vegas. Der in der Spielerstadt lebende Schwede, Weltmeister des Verbands WBC im Supermittelgewicht, tritt mit einer Bilanz von 19 Siegen, einer Niederlage sowie einem Unentschieden an. Für den britischen Herausforderer, der die WBC-Rangliste anführt, stehen 21 gewonnene und zwei verlorene Auftritte zu Buche. [1]

Die Übertragung könnte dem 31 Jahre alten Champion die langersehnte Popularität bescheren, da er bislang vom US-amerikanischen Publikum kaum wahrgenommen wurde. Sein letzter Kampf gegen Anthony Dirrell brachte zwar eine recht gute Quote ein, die aber größtenteils dem Bekanntheitsgrad seines Gegners zu verdanken war, der überraschend den Titel verlor. Hingegen ist George Groves in den USA ein unbeschriebenes Blatt und dürfte deshalb für sich genommen nur wenige Fans interessieren.

Warum Groves nach den beiden Niederlagen gegen seinen Landsmann Carl Froch schon wieder einen Titelkampf bekommt, bleibt das Geheimnis des WBC. Normalerweise hätte ihn der Verband nach seinem zweimaligen Scheitern in Folge in der Rangliste weit zurückstufen müssen, was jedoch nicht geschah. Statt dessen nominierte man ihn für einen Ausscheidungskampf gegen den Franzosen Christian Rebrasse, dessen Sieger neuer Pflichtherausforderer wurde. Groves bot in diesem Duell keine überzeugende Vorstellung, setzte sich aber nach Punkten gegen Rebrasse durch, dessen geringe Schlagwirkung ihm nicht gefährlich werden konnte. Vermutlich hätte auch jeder andere Kandidat aus den Top 15 gute Aussichten gehabt, einen Kampf gegen den Franzosen zu gewinnen.

Das Geschenk des Verbands an George Groves wäre zu verschmerzen, ließe der Brite einen hochklassigen Auftritt erwarten. Er war ein selbstbewußter und bissiger Anwärter, als er zum ersten Mal auf Carl Froch traf. Groves dominierte den Kampf und sah sich bereits als neuer Weltmeister, als ihn sein erfahrener Gegner mit einem Volltreffer von den Beinen holte. Diese spektakuläre Wende bot den Stoff für eine Revanche, die im Mai 2014 vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion über die Bühne ging. Die Werbekampagne hatte Groves mit seinem großen Mundwerk fast im Alleingang bestritten, da Froch meistenteils wortkarg blieb.

Als die beiden zur Revanche aufeinandertrafen, bot sich ein ähnliches Bild wie bei ihrer ersten Begegnung. Der Herausforderer machte in der Anfangsphase die bessere Figur, ließ gegen Mitte des Kampfs etwas nach und lief schließlich in die Rechte des Champions, die ihn geschlagen auf die Bretter schickte. Er schien nach diesem schweren Niederschlag mehrere Sekunden das Bewußtsein verloren zu haben und hätte vermutlich gut daran getan, eine längere Pause einzulegen, um in jeder Hinsicht wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Er kehrte jedoch relativ schnell wieder in den Ring zurück und besiegte mit Denis Douglin und Christian Rebrasse zwei vergleichsweise leichte Gegner. Bei diesen Auftritten wurde Groves so häufig getroffen, daß man keinesfalls von einer gelungenen Rehabilitation sprechen konnte. Offenbar hatte ihm die zweifache Niederlage gegen Froch sehr viel mehr zugesetzt, als er wahrhaben wollte, wirkte er doch gehemmt und weit von jener Durchsetzungsfähigkeit entfernt, die ihn vordem ausgezeichnet hatte.

Im schlimmsten Fall erweist sich das nicht nachvollziehbare Entgegenkommen des WBC als regelrechtes Danaergeschenk, sollte Groves im Kampf gegen Badou Jack die nächste schwere Niederlage kassieren. Das steht durchaus zu befürchten, da man dem Briten ein schwaches Kinn attestiert. Käme es dazu, könnte selbst eine ihm gewogene Verbandsführung den Absturz nicht verhindern, von seiner eigenen Verfassung ganz zu schweigen.

Für Badou Jack, der den Gürtel des WBC im April überraschend in seinen Besitz gebracht hatte, ist dies die erste Titelverteidigung. Die knappe Mehrheitsentscheidung der Punktrichter im Kampf gegen Anthony Dirrell unterstrich, daß dem Herausforderer neben seinem Können auch eine gehörige Portion Glück zur Seite stand, als er den klaren Favoriten entthronte. Dirrell galt damals als einer der allerbesten Boxer im Supermittelgewicht, da man ihm Beweglichkeit, Kampfstärke und eine enorme Schlagwirkung zugute hielt.

Die ersten vier Runden des Kampfs in Chicago entsprachen den Erwartungen, da Dirrell den Ton angab. Als Badou Jack jedoch seine Stärke in der Halbdistanz und dicht am Gegner auszuspielen begann, wendete sich das Blatt. Dem Titelverteidiger fehlte es augenscheinlich an Mitteln, diesen Angriffen auf engem Raum entschieden Paroli zu bieten, so daß der Herausforderer schließlich die bessere Figur machte und ihn in der neunten Runde mit einer Kombination erschütterte.

Der Ringrichter ließ Jack allerdings diverse Regelwidrigkeiten wie Schläge auf den Hinterkopf und unter die Gürtellinie durchgehen. In einer Szene warf der Herausforderer seinen Gegner sogar zu Boden, ohne dafür sanktioniert zu werden. Vor allem in den letzten vier Runden verlegte er sich zunehmend auf Tiefschläge und setzte Dirrell damit zusätzlich unter Druck.

Dieser hatte sich dennoch die Niederlage selbst zuzuschreiben, da er zu pomadig boxte und auf einzelne Treffer setzte, als sei er sich seiner Überlegenheit viel zu sicher. Statt sich den unbequemen Wühler mit einer höheren Schlagfrequenz und Kombinationen vom Leib zu halten, wartete er auf Konterchancen, die sich zwangsläufig nur selten boten. Hätten Dirrell und seine Ecke rechtzeitig Konsequenzen gezogen und auf häufigere Schläge umgeschaltet, wäre der Sieg wohl an ihn gegangen.

Groves erwartet also ein unangenehmer Gegner, der weder nach dem Schulbuch boxt noch allzu wählerisch in seinen Mitteln ist. Der Brite müßte schon sein verlöschendes Feuer neu entfachen und über sich hinauswachsen, um Badou Jack Paroli zu bieten. Wenngleich Anthony Dirrell gegen den Schweden und sein noch stärker eingeschätzter Bruder Andre nicht minder überraschend gegen den Briten James DeGale verloren hat, verbessert das die Aussichten George Groves' keineswegs, zum dritten Mal in Folge für eine faustdicke Überraschung bei einem Titelkampf des Supermittelgewichts in den USA zu sorgen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/badou-jack-vs-george-groves-on-showtime-on-august-22nd-in-las-vegas-nevada/#more-195613

5. Juli 2015


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