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MELDUNG/1793: Generalprobe für den Generationswechsel (SB)



Weg frei für den Kampf zwischen Klitschko und Wilder?

Wie Wladimir Klitschkos Trainer Johnathon Banks signalisiert hat, werde der Verband WBC seines Wissens einem Vereinigungskampf der beiden amtierenden Weltmeister im Schwergewicht nicht im Wege stehen. Sollte sich der Ukrainer am 24. Oktober in Düsseldorf gegen Tyson Fury durchsetzen, könnte es demnach zum Duell mit Deontay Wilder kommen. Auch der US-Amerikaner hat zuvor eine Zwischenetappe zu bewältigen, da er den WBC-Titel am 26. September in Birmingham, Alabama, gegen den Franzosen Johann Duhaupas verteidigt.

Klitschko, der im Laufe seiner langen und erfolgreichen Karriere 64 Siege und drei Niederlagen eingefahren hat, gilt als Favorit im Duell mit dem in 24 Kämpfen ungeschlagenen Tyson Fury. Der 2,06 m große Brite, dessen Mundwerk seine Körpermaße noch übertrifft, hat nicht annähernd so hochkarätige Gegner wie der Ukrainer besiegt und sich insbesondere Kontrahenten vorgenommen, die wesentlich kleiner sind. Zudem verfügt er trotz seiner riesenhaften Statur und einem Gewicht von gut 120 kg über keine sonderlich ausgeprägte Schlagwirkung und hat ein schwaches Kinn, was ihm gegen den Weltmeister zum Verhängnis werden dürfte.

Der in 34 Auftritten unbesiegte Deontay Wilder hat 33 Widersacher binnen weniger Runden auf die Bretter geschickt. Der 29jährige US-Amerikaner wird angesichts seiner Schnelligkeit und verheerenden Schlagwirkung als kommender Alleinregent im Schwergewicht gehandelt und hat für seinen nächsten Auftritt mit Duhaupas eine anspruchsvolle Generalprobe arrangiert. Wenngleich der 32 Jahre alte Franzose nicht annähernd so gefährlich zuzuschlagen versteht wie Wilder, gilt er doch als technisch versiertester Kandidat neben Wladimir Klitschko.

Sofern Wilder gegen die Nummer zwölf der WBC-Rangliste die Oberhand behält, wovon auszugehen ist, braucht er offenbar nicht wie bislang angenommen gegen den gefährlichen Pflichtherausforderer Alexander Powetkin anzutreten. Eigentlich sollte der Kampf gegen den Russen, der sich unterdessen den polnischen Hünen Mariusz Wach vornehmen will, im Frühjahr 2016 über die Bühne gehen. Das wäre ein hartes Stück Arbeit für den US-Amerikaner geworden, da Powetkin weithin als der stärkste Akteur nach den beiden Weltmeistern eingeschätzt wird. Der Russe hat zwar in Moskau klar gegen Klitschko verloren, doch mußte der Ukrainer dabei mehr denn je durch unablässiges Klammern die bedrohlichen Angriffe des Herausforderers neutralisieren. Von dieser Niederlage abgesehen ist Powetkin ungeschlagen, wobei er zwar weniger Kämpfe als Wilder bestritten, dabei aber wesentlich namhafteren Kontrahenten das Nachsehen gegeben hat. Daher käme es Wilder höchst gelegen, diese Klippe zu umschiffen und nicht bis zum Herbst 2016 auf Klitschko zu warten, zumal nicht restlos auszuschließen ist, daß unterdessen ein anderer Anwärter den inzwischen 39jährigen Ukrainer unversehens vom Thron stößt oder eine langwierige Verletzung einen Strich durch die Rechnung macht.

Mit Blick auf Tyson Fury führt Banks insbesondere dessen mangelnde Erfahrung mit gefährlichen und hochgewachsenen Gegnern ins Feld. Der Brite habe sich in einer Schwergewichtsszene, die zunehmend von Riesen dominiert wird, schlichtweg die falschen Kontrahenten ausgesucht. Man werde nicht auf einen Schlag Weltmeister, sondern bereite sich in einer Reihe von Kämpfen gegen immer anspruchsvollere Rivalen darauf vor. Während Klitschko beispielsweise den über zwei Meter großen und robusten Mariusz Wach besiegt habe, seien Furys Erfolge gegen erheblich kleinere Kandidaten wie Dereck Chisora oder Christian Hammer wenig wert. Deshalb sehe sich der Brite im Titelkampf mit einer ihm unbekannten Aufgabe konfrontiert, die ihn überfordern werde. [1]

Wenngleich Klitschkos Trainer mit dieser Aussage natürlich auch Werbung in eigener Sache macht, ist seine Einschätzung doch nicht aus der Luft gegriffen. Fury hat sich stets körperlich unterlegene Kontrahenten ausgesucht, die er mit seinen langen Armen auf Abstand halten oder mit seiner Masse niederwalzen konnte. Er kann zwar die Auslage nach Belieben wechseln, doch gleicht sein Jab weniger einem harten Schlag, als vielmehr einem Wedeln im Gesicht des Gegners. Auch hat er seine Niederschläge nicht durch präzise und wirkungsvolle Einzeltreffer erzielt, sondern die Kontrahenten bedrängt, niedergedrückt und solange auf sie eingeschlagen, bis sie irgendwann zu Boden gingen.

Das mag im Falle kleinerer Boxer funktionieren, die nicht an ihn herankommen, dürfte aber kein geeignetes Mittel sein, Klitschko in die Schranken zu weisen. Selbst sein Landsmann Lennox Lewis schließt einen Sieg Tyson Furys aus, was diesen zu der höhnischen Antwort veranlaßte, Lewis könne ja gegen seinen alten Vater zu einem Kampf ohne Handschuhe antreten. Da Furys lautstarke Ankündigung, er werde Klitschko, Wilder und schließlich Anthony Joshua der Reihe nach erledigen, um König des Schwergewichts zu werden, anscheinend immer mehr Leuten auf die Nerven geht, mehren sich Stimmen, die ihn nicht einmal für den besten britischen Boxer der Königsklasse halten, sondern Joshua, Dillian Whyte und womöglich auch David Price höher einstufen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/banks-wbc-will-let-klitschko-fight-wilder-after-fury/#more-198677

11. September 2015


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