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MELDUNG/1796: Enttäuschte Seitenhiebe gegen GGG (SB)



Andre Ward beklagt Desinteresse Gennadi Golowkins

Der in 28 Kämpfen ungeschlagene Andre Ward ist Superchampion der WBA im Supermittelgewicht, als dessen bester Akteur er nach wie vor gehandelt wird. Er hat jedoch aufgrund von Verletzungen und endlosen Streitigkeiten mit seinem früheren Promoter in den letzten beiden Jahren nur zweimal gekämpft und wird nicht im Bezahlfernsehen vermarktet. Der Kalifornier war noch nie ein Liebling des breiteren US-Publikums und trat selbst auf dem Höhepunkt seiner Karriere im Finale des Super-Six-Turniers vor halbleeren Rängen an. Das lag zum einen daran, daß europäische Gegner wie Mikkel Kessler, Arthur Abraham oder Carl Froch in den USA keinen Namen hatten, hing aber auch damit zusammen, daß Ward fast ausschließlich vor heimischem Publikum in Oakland auftritt oder ausnahmsweise in Atlantic City zu sehen ist. Davon abgesehen ist er zwar ein überaus effektiver, aber für das Publikum eher unansehnlich anzusehender Boxer, da er vorzugsweise in der Halb- und Nahdistanz wühlt, dabei auch vor diversen Tricks an der Grenze des Regelwerks nicht zurückschreckt. Überdies erfreut er sich der Gunst der zumeist heimischen Kampfrichter, die es auswärtigen Gegnern schwermachen, Punktvorteile herauszuarbeiten.

Jüngst hat Andre Ward den Vorwurf erhoben, das Management Gennadi Genadjewitsch Golowkins habe das Angebot eines Kampfs ausgeschlagen. Statt den Kasachen mit dessen Spitznamen "Triple G" zu adressieren, nenne er ihn ab sofort nur noch "Little G", lästerte der US-Amerikaner über den in 33 Profikämpfen unbesiegten Mittelgewichtler. Die Absage sei bereits vor einem Monat erfolgt, ihm aber erst jetzt zu Ohren gekommen. Dabei habe Golowkins Lager noch vor kurzem auf allen Kanälen behauptet, man sei an einem Kampf mit ihm sehr interessiert. Obgleich man eine Aufteilung der Börse im Verhältnis 50:50 zugesagt habe, sei plötzlich ein Rückzieher erfolgt.

Wie man dazu wissen muß, ist Golowkin Superchampion der WBA und Weltmeister des kleinen Verbands IBO sowie Pflichtherausforderer beim WBC. Der Kasache hat seit sechs Jahren sämtliche Gegner vorzeitig besiegt und gehört für viele Experten nach dem vermutlich bevorstehenden Rücktritt Floyd Mayweathers zu den aussichtsreichsten Anwärtern auf den Rang des "besten Boxers aller Gewichtsklassen". Während Wards Stern seit geraumer Zeit gesunken ist, strahlt Golowkins heller denn je.

Daß der 33jährige Kasache, sein Trainer Abel Sanchez und Promoter Tom Loeffler derzeit kein Interesse an Andre Ward mehr haben, liegt auf der Hand. Nachdem Golowkin bislang sämtliche namhaften Kontrahenten unter allen erdenklichen Ausflüchten aus dem Weg gegangen sind, hat sich der kanadische IBF-Weltmeister David Lemieux zu einem Kampf bereiterklärt, der am 17. Oktober vor großer Kulisse im New Yorker Madison Square Garden über die Bühne geht und vom Sender HBO im Bezahlfernsehen übertragen wird. Sollte sich der Kasache gegen Lemieux durchsetzen, der 34 Auftritte gewonnen und zwei verloren hat, ist der Sieger des Kampfs zwischen WBC-Champion Miguel Cotto und Saul "Canelo" Alvarez, die am 21. November aufeinandertreffen, die nächste Option für Golowkin.

Würde sich der Puertoricaner oder der Mexikaner weigern, sich mit dem Kasachen zu messen, wäre dieser automatisch neuer WBC-Weltmeister und hätte dann bereits drei der vier maßgeblichen Titel im Mittelgewicht zusammengeführt. Die Alternative wäre ein Duell mit dem Sieger des Kampfs zwischen WBO-Champion Andy Lee aus Irland und dem Engländer Billy Joe Saunders, das freilich längst nicht an die Popularität und Einkünfte im Falle Cottos oder "Canelos" heranreichte. Im ungünstigsten, aber nicht auszuschließenden Fall müßte Golowkin Ende 2015 mit einem weit weniger prominenten Kontrahenten wie Tureano Johnson vorliebnehmen. [1]

Wenngleich es zutrifft, daß Golowkins Lager zeitweise einen Kampf gegen Andre Ward ins Gespräch brachte, und dieser jetzt verständlicherweise enttäuscht ist, kann man andererseits doch absolut nachvollziehen, warum er inzwischen kein Thema mehr ist. Der Kasache wird zunächst versuchen, sämtliche Titel im Mittelgewicht zu vereinigen und zugleich namhafte Rivalen vor die Fäuste zu bekommen, die ihn beim US-Publikum noch bekannter machen, als er ohnehin schon ist. In Reaktion auf die Einlassung Andre Wards begründete Tom Loeffler noch einmal das aktuelle Desinteresse an dem Supermittelgewichtler.

Zwar habe Wards Promoter Roc Nation Sports tatsächlich eine zur Hälfte geteilte Börse vorgeschlagen, doch seien Lemieux und Cotto oder Alvarez derzeit doch die finanziell weitaus attraktiveren Optionen. Sollte sich Golowkin gegen Lemieux durchsetzen, wäre bei einem Duell mit Ward ein größerer Anteil für den Kasachen angemessen, der im Gegensatz zu dem Kalifornier Einzug ins Bezahlfernsehen gehalten hat, so Loeffler.

Diese Auffassung hat Hand und Fuß, da ein Kampf gegen Andre Ward erst dann Sinn machen könnte, wenn Golowkin das Mittelgewicht unter seine Kontrolle gebracht oder zumindest gegen alle namhaften Rivalen gewonnen hat, die sich mit ihm in den Ring getraut haben. Daniel Jacobs, Peter Quillin oder Billy Joe Saunders dürften das kaum riskieren, während Andy Lee durchaus dazu bereit sein könnte. Der Ire ist ein beherzter Boxer, der schon des öfteren als Außenseiter angetreten und dabei nicht schlecht gefahren ist. [2]

Grundsätzlich wäre ein Ausflug ins Supermittelgewicht für Gennadi Golowkin nicht sonderlich interessant, da er schon für seine angestammte Gewichtsklasse relativ leicht ist. Er hatte hingegen Interesse an einem Kampf gegen Floyd Mayweather signalisiert, wofür er auch in ein niedrigeres Limit heruntergehen würde. Dazu wird es jedoch nicht kommen, da Mayweather entweder die Boxhandschuhe an den Nagel hängt oder höchstens noch einen Kampf im nächsten Jahr bestreitet. Doch selbst unter anderen Umständen käme der Kasache gegen ihn nicht zum Zuge, da der US-Star nach 49 Siegen in Folge keinesfalls eine Niederlage zum Abschluß seiner Karriere riskieren würde. Es wäre zweifellos das hochkarätigste Duell, daß die Branche derzeit zu bieten hätte, da der gefährlichste Angreifer auf den alles überragenden Konterboxer träfe - eine Sternstunde für die Annalen des Boxsports, zu der es jedoch nicht kommen wird.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/ward-calls-golovkin-little-g/#more-199213

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/09/golovkins-promoter-explains-why-they-didnt-take-ward-fight/#more-199241

17. September 2015


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