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MELDUNG/1846: Wie lange wird der Schutzschirm halten? (SB)



Anthony Joshua verlängert Vertrag mit Matchroom

Der britische Schwergewichtler Anthony Joshua hat seinen Vertrag mit Matchroom Boxing um drei Jahre verlängert. Mit einer Bilanz von vierzehn vorzeitigen Siegen, bei denen er nie länger als drei Runden im Ring gestanden hat, gilt der 26jährige als eines jener Talente, die es künftig zum Weltmeister bringen könnten. Am 12. Dezember kämpft er in der Londoner O2 Arena gegen seinen Landsmann Dillian Whyte, der ein Jahr älter und in 16 Auftritten ungeschlagen ist, um den britischen und den Commonwealth-Titel.

Joshua, der seit seinem Debüt im Profilager bei Matchroom unter Vertrag steht, trifft dabei auf seinen bislang gefährlichsten Gegner. Ein Sieg über den einheimischen Erzrivalen käme insofern einem Durchbruch gleich, als damit erstmals der Einwand entkräftet würde, Promoter Eddie Hearn füttere seinen über den grünen Klee gelobten Schützling mit Fallobst in Gestalt untalentierter oder alternder Kontrahenten. Die Vertragsverlängerung vor diesem wegweisenden Auftritt kommt daher einem Signal der Zuversicht und von Bedenken ungetrübter Zukunftsplanung gleich.

Wie der Olympiasieger des Jahres 2012 im Superschwergewicht anläßlich der Vertragsverlängerung erklärte, sei er nun schon etliche Jahre ein Mitglied der Matchroom-Familie und freue sich, diese Beziehung fortsetzen zu können. Er werde dort von einem außergewöhnlichen und passionierten Team mit Eddie Hearn an der Spitze betreut, das ihm einen perfekten Start im Profilager ermöglicht und zusammen mit dem Sender Sky Sports stets für die besten Voraussetzungen gesorgt habe, Schritt für Schritt voranzuschreiten, bis er schließlich einen Kampf um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht erreichen werde.

Hearn gab dieses Kompliment mit den Worten zurück, es sei ihm eine Ehre, einen neuen Exklusivvertrag über drei Jahre mit Anthony Joshua abschließen zu können. Die ersten beiden Jahre ihrer Zusammenarbeit seien eine großartige Erfahrung gewesen, da diese Reise seines Erachtens im Ring wie auch außerhalb desselben makellos verlaufen sei. Anthonys Profil habe zunehmend Kontur gewonnen, zumal er in so gut wie jeder größeren Stadt des Landes aufgetreten sei.

Noch wichtiger bleibe indessen, daß sich diese Erfahrungen mit einer hingebungsvollen Arbeit im Gym paarten und sich Joshua auf diese Weise als Boxer enorm weiterentwickelt habe. Er gehöre schon heute zu den attraktivsten Werten des Weltsports, weshalb er sich als Promoter glücklich schätze, Anthony Joshua auf dem Weg zur Weltmeisterschaft und der letztendlichen Zusammenführung aller Titel im Schwergewicht unterstützen und leiten zu können. [1]

Angesichts derartiger Lobeshymnen und glänzend ausgemalter Perspektiven lohnt es sich allemal, einen nüchternen Blick auf die Laufbahn Joshuas zu werfen, um zu einer realistischen Einschätzung seiner Qualitäten zu gelangen. Er begann 2007 im Alter von 18 Jahren und damit recht spät zu boxen, worauf er im Amateurlager diverse Erfolge feiern konnte, aber durchaus auch manche Tracht Prügel einstecken mußte. Seine finsterste Stunde dürfte die Niederlage gegen Dillian Whyte im Jahr 2009 gewesen sein, da er in diesem Kampf zweimal zu Boden gehen mußte.

Sein Erzrivale leitet daraus die Schlußfolgerung ab, er habe Joshua schon einmal geschlagen und werde das wieder tun. Diese Niederlage verfolge seinen Gegner seither wie ein Schatten und habe ihn wieder in ihrem Griff, wenn man zum zweiten Mal im Ring aufeinandertreffe. Whytes Verknüpfung der beiden Ereignisse ist zwar so willkürlich wie ihre bloße Umkehrung, Anthony Joshua habe eine alte Rechnung zu begleichen und sei daher nur um so entschlossener, erfolgreich Revanche zu nehmen. Dennoch könnte diese Spitze den erhofften Zweck erfüllen, dem Gegner im Vorfeld des Kampfs auf die Nerven zu gehen und ihn womöglich doch zu verunsichern.

Was Joshuas in London euphorisch gefeierten Olympiasieg betrifft, wenden zumeist ausländische Kritiker regelmäßig ein, er habe mindestens zwei seiner vier Siege auf dem Weg zum Gold im Superschwergewicht geschenkt bekommen. Jedenfalls war das olympische Edelmetall der Türöffner ins Profigeschäft und in eine vielbeachtete Karriere, die Eddie Hearn fleißig mit der Ankündigung bewarb, man sehe hier den künftigen Schwergewichtsweltmeister, der unwiderstehlich kurzen Prozeß mit jedem Gegner mache.

Wenngleich natürlich fast jeder Boxer zu Beginn seiner Profilaufbahn ausgesucht schwache Gegner vorgesetzt bekommt, um Erfahrungen zu sammeln und seine Bilanz auszubauen, stand dies in Joshuas Fall doch bald in Widerspruch zu den vollmundigen Ankündigungen. Er hat alle Gegner binnen drei Runden besiegt und lief dabei nie Gefahr, selber den kürzeren zu ziehen. Indessen waren seine Kontrahenten, soweit sie denn einen guten Namen mitbrachten, aus Altersgründen nur noch ein Schatten besserer Tage.

Dessen ungeachtet wird er vom überwiegenden Teil der Medien und insbesondere britischen Experten als die Zukunft des Schwergewichts gehandelt. Er sei talentiert, schlage gewaltig zu und verhalte sich auch außerhalb des Rings tadellos. Einige würden sogar ihr Geld auf Joshua setzen, träfe er morgen schon auf Deontay Wilder. Wladimir Klitschko müsse sich jedenfalls warm anziehen, da ihm der Brite 2017 die Titel abjagen werde. [2]

Skeptiker halten das für eine unangemessene Überschätzung des britischen Schwergewichtlers und verweisen auf die Strategie Eddie Hearns, durchweg Gegner nach Maß auszusuchen, an denen sich Joshua abarbeiten kann. Insbesondere aber verfolgt man kopfschüttelnd den Zuwachs an Muskelmasse, den sich der junge Brite in relativ kurzer Zeit zugelegt hat. Er sei schon früher kein schneller Boxer gewesen und schlage heute noch langsamer und schwächer als bei seinem Olympiasieg. Seine raschen Siege habe Joshua vor allem dank seiner Größe und Masse erzielt, mit der er den Gegner in die Seile dränge, um dort auf ihn einzuschlagen, bis er zu Boden geht oder der Ringrichter abbricht. Dillian Whyte ist hingegen ein nahezu gleichaltriger Gegner, der gefährlich zurückschlagen kann - ein Novum für Anthony Joshua, der am 12. Dezember Farbe bekennen muß.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/blog/dan-rafael/post/_/id/14539/joshua-matchroom-boxing-extend-promotional-agreement

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/11/anthony-joshuas-place-amongst-other-players-in-the-heavyweight-division/#more-202055

20. November 2015


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