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MELDUNG/1868: Felix Sturm hat beim Verband einen Stein im Brett (SB)



Erneute Titelchance bei der Revanche gegen Fjodor Tschudinow

Felix Sturm trifft am 20. Februar in Oberhausen erneut auf Fjodor Tschudinow, den regulären Weltmeister der WBA im Supermittelgewicht. Während für den 36jährigen früheren Champion der Verbände WBA, IBF und WBO im Mittelgewicht aus Köln 39 Siege, fünf Niederlagen sowie drei Unentschieden zu Buche stehen, ist der acht Jahre jüngere Russe in vierzehn Auftritten ungeschlagen, von denen er zehn vorzeitig beenden konnte. Sturm hat seit der knappen Punktniederlage gegen Tschudinow im Mai 2015 in Frankfurt/Main nicht mehr im Ring gestanden, gegen die er beim Verband Protest eingelegt hat und daraufhin eine Revanche zugesprochen bekam.

Sturms sportliche Karriere stand in jüngerer Zeit unter keinem guten Stern, so daß die Entscheidung der World Boxing Association, ihm einen weiteren Titelkampf zu gewähren, zwangsläufig Fragen aufwirft. Der letzte Sieg des Kölners gegen den Briten Darren Barker im Jahr 2013, bei dem er den Titel der IBF im Mittelgewicht gewann, liegt inzwischen geraume Zeit zurück. Im Mai 2014 unterlag er dem bereits 40jährigen Australier Sam Soliman, der ihn zuvor schon einmal besiegt hatte, und im November 2014 trennte er sich nach seinem Aufstieg ins Supermittelgewicht unentschieden von dem früheren WBO-Weltmeister Robert Stieglitz aus Magdeburg.

Legt man Sturms negative Bilanz in seinen letzten drei Kämpfen zugrunde, muß man wohl davon ausgehen, daß er bei der WBA nach wie vor einen Stein im Brett hat, wenn der Verband ihm eine erneute Titelchance gewährt. Wie der Kölner einräumt, habe er im ersten Kampf gegen Tschudinow eine Menge Fehler gemacht und allenfalls 20 Prozent seines tatsächlichen Könnens umgesetzt. Diesmal gehe es um alles oder nichts, und er werde bereit sein, den Beweis anzutreten, daß er noch immer zu den weltbesten Akteuren dieser Gewichtsklasse gehöre.

Will man von einem entscheidenden Manko des ehemaligen Champions im Kampf gegen den Russen sprechen, so waren es seine Konditionsprobleme nach den ersten sechs Runden. Diese Schwäche zeigte sich freilich nicht allein in diesem Fall, sondern bei seinen letzten drei Auftritten. So machte er gegen Sam Soliman in den ersten drei Runden eine ausgezeichnete Figur, hatte jedoch später keine Luft mehr und mußte sich dem Australier schließlich erneut geschlagen geben. Im innerdeutschen Duell mit Stieglitz zeichnete sich ein ähnliches Bild ab, da der Kölner mit zunehmender Kampfdauer immer mehr einbrach und am Ende froh sein konnte, nicht den kürzeren gezogen zu haben. Glück und die Gunst der Punktrichter waren schon früher die Wegbegleiter Sturms, wenn man an seine Kämpfe gegen Javier Castillejo 2007, Randy Griffin im selben Jahr und Martin Murray 2011 zurückdenkt, die er zumindest nach Auffassung seiner Kritiker im Grunde verloren hatte.

Fjodor Tschudinow ist der ein Jahr jüngere Bruder des Mittelgewichtlers Dimitri Tschudinow, den er hinsichtlich seiner boxerischen Qualitäten übertrifft. Wäre Chris Eubank jun. im Februar 2015 gegen ihn und nicht seinen älteren Bruder angetreten, den er durch technischen K.o. besiegte, hätte der aufstrebende Brite wohl einen überaus schweren Stand gehabt und womöglich Bekanntschaft mit den Brettern gemacht.

Seit dem knappen Punktsieg gegen Felix Sturm hat sich der jüngere Tschudinow im September in der Wembley Arena einstimmig nach Punkten gegen den Briten Frank Buglioni durchgesetzt. Wenngleich der Russe nicht gerade eine beeindruckende Vorstellung gab, dominierte er doch das Geschehen im Ring. Buglioni schlug ihn zwar am Ende der sechsten Runde nieder, doch erfolgte diese Aktion eindeutig nach dem Pausengong, worauf der Ringrichter den Londoner wegen dieser groben Regelwidrigkeit mit dem Abzug zweier Punkte bestrafte. [1]

Sollte Sturm ein zweites Mal gegen Fjodor Tschudinow verlieren, sähe es einmal mehr düster für ihn aus. Er wird derzeit noch an Nummer drei der WBA-Rangliste geführt, obgleich er zuletzt zweimal verloren und einmal unentschieden gekämpft hat. So gesehen mutete die gute Position des Kölners wie ein Mysterium an, wäre man nicht bei der Verbandspolitik längst auf alle erdenklichen Phänomene gefaßt, die in krassem Widerspruch zu den Resultaten der betreffenden Akteure stehen.

So sehr es Felix Sturm aus lokalpatriotischer Sicht zu wünschen wäre, daß er als Boxer im Ring und mit seinem in Eigenregie geführten Unternehmen im Geschäft bleibt, fällt es doch immer schwerer, die Augen vor dem Mißverhältnis zwischen seinen Leistungen und dem Wohlwollen der WBA zu verschließen. Daher bleibt nur zu hoffen, daß er am 20. Februar tatsächlich noch einmal an sein Können früherer Tage anknüpfen und mit einem Auftritt überzeugen kann, der die Kritik an seinem Karriereweg in der jüngeren Vergangenheit zwar nicht widerlegen würde, aber doch fürs erste in den Schatten stellt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/12/felix-sturm-challenges-fedor-chudinov-february-20-germany/#more-203586

24. Dezember 2015


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