Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1872: Zeit der Besinnung nicht nur unter dem Baum (SB)



Revanche zwischen Vincent Feigenbutz und Giovanni de Carolis

Der erst 20jährige Supermittelgewichtler Vincent Feigenbutz aus Karlsruhe gehört zu den Hoffnungsträgern des Teams Sauerland. Seit seiner einzigen Niederlage, die bereits drei Jahre zurückliegt, hat er eine Serie zumeist vorzeitiger Siege eingefahren und seine Bilanz auf 21 gewonnene Kämpfe und einen verlorenen Auftritt ausgebaut. Als Interimschampion der WBA sieht er sich an der Schwelle zu höchsten Ehren, während der erfahrene Trainer Ulli Wegner warnt, Vincent sei noch nicht bereit für die ganz großen Kämpfe und brauche zwei oder drei weitere Jahre, bis es soweit ist. Wichtig sei, daß er die richtigen Lehren aus seinen Auftritten ziehe, da er andernfalls kein Großer werden könne.

Diesen Dämpfer gab Wegner dem jungen Karlsruher mit auf den Weg, nachdem dieser den Titel im Oktober erfolgreich gegen Giovanni de Carolis verteidigt hatte. Hinterher waren die Meinungen geteilt, ob der einstimmige Punktsieg tatsächlich dem Kampfverlauf entsprach. Der Lokalmatador gab vor heimischem Publikum eine fahrige Vorstellung und mußte bereits in der ersten Runde nach einem Volltreffer zu Boden gehen. Auch in der Folge nutzte der 31jährige Herausforderer die schwache Deckung des Gegners immer wieder aus, um seine Rechte ins Ziel zu bringen. Feigenbutz wirkte lange unkoordiniert und gewann erst in den letzten Runden die Oberhand, als er häufiger als der Italiener schlug und die wirkungsvolleren Treffer landen konnte.

Als der Titelverteidiger dann beim Interview im Ring ohne jeden Respekt vor dem Herausforderer verkündete, er habe diesem "tausend Jabs in die Fresse geballert", von daher klar gewonnen und im übrigen stärkere Sparringspartner als den heutigen Gegner gehabt, erntete er ein gellendes Pfeifkonzert des aufgebrachten Publikums. Später entschuldigte sich Feigenbutz auf der Pressekonferenz und in den sozialen Medien für seine Äußerungen, doch war das Kind bereits in den Brunnen gefallen.

Hatte man ihn bis dahin über den grünen Klee gelobt und voreilig als künftigen Weltmeister angepriesen, hielt man ihm nun seine markigen Worte als krasse Selbstüberschätzung vor, er werde Arthur Abraham und Felix Sturm in Rente schicken und danach im internationalen Supermittelgewicht aufräumen. Giovanni de Carolis, für den nun 23 Siege und sechs Niederlagen notiert sind, wurde an Nummer dreizehn der WBA-Rangliste geführt und galt als relativ leicht lösbare Aufgabe. Daß sich Feigenbutz derart schwer getan hatte, rief ernste Zweifel auf den Plan, ob man ihn nicht viel zu schnell auf ein überhöhtes Podest gestellt hatte.

Angesichts der Kontroverse um das Ergebnis des Kampfs zwischen Vincent Feigenbutz und Giovanni de Carolis wurde eine Revanche anberaumt, die am 9. Januar in Offenburg über die Bühne gehen soll. Der Karlsruher verteidigt erneut den Titel des Interimsweltmeisters der WBA gegen den inzwischen geringfügig auf Platz vierzehn der Rangliste abgerutschten Italiener. Das Lager des Champions will im zweiten Anlauf für klare Verhältnisse sorgen, so daß man die Probleme beim ersten Aufeinandertreffen mit diesem Gegner als vorgeblichen Ausrutscher ad acta legen kann.

Der Trainer des Herausforderers, Italo Mattioli, rechnet diesmal mit einem aggressiveren Auftritt des Karlsruhers, der sich beweisen müsse. Er könne sich jedoch nicht vorstellen, daß der 20jährige mit wesentlichen Verbesserungen seiner Technik und Taktik aufwarten werde. Giovanni könne es daher ruhig angehen lassen, da er genau wisse, in welchen Belangen er dem Titelverteidiger überlegen ist. Unter dem Strich werde der zweite Kampf weder schwerer noch leichter als der erste sein, so Mattioli.

Sollte es Feigenbutz nicht gelingen, De Carolis bei der Revanche klar in die Schranken zu weisen, müßte er ernsthaft darüber nachdenken, die Finger von den führenden Akteuren der Gewichtsklasse zu lassen, bis er erfahrener und versierter geworden ist. Noch setzt er viel zu sehr auf die schiere Wucht seiner Schläge und glaubt, nichts und niemand könne seinen Treffern widerstehen. Wenngleich der Italiener durchaus seine Qualitäten hat, darf er doch keinesfalls zum Stolperstein für einen Kandidaten werden, der sich mit der Elite des Supermittelgewichts messen will. [1]

Legt man den Kampf im Oktober zugrunde, ist Feigenbutz noch längst nicht bereit für ringerprobte Akteure wie den WBO-Weltmeister Abraham oder den früheren Champion Felix Sturm. Der ebenfalls genannte Russe Fjodor Tschudinow, der den Titel des regulären Weltmeisters der WBA am 20. Februar in Oberhausen in einem Rückkampf gegen Sturm verteidigt, ist gleichermaßen noch eine Nummer zu groß für den 20jährigen Aufsteiger. Das gilt um so mehr für die Champions Badou Jack (WBC) und James DeGale (IBF) wie auch die Brüder Andre und Anthony Dirrell, die zwar derzeit keinen Gürtel besitzen, aber zweifellos zu den allerbesten Kandidaten dieses Limits gehören. Im Grunde genommen hat Giovanni de Carolis dem ungestümen Vincent Feigenbutz einen großen Gefallen getan, indem er ihn ins Stolpern brachte, ohne daß es zum Sturz gekommen wäre. Nun kann der Karlsruher mit seinem Team angemessene Pläne schmieden und seine Karriere solide aufbauen, wie ihm das Ulli Wegner dringend anempfiehlt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/12/vincent-feigenbutz-vs-giovanni-de-carolis-january-9th/#more-203625

28. Dezember 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang