Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1953: Öder Auftritt, laute Pfiffe (SB)



Schwache Vorstellung Hughie Furys gegen Fred Kassi

Der in 20 Kämpfen ungeschlagene britische Schwergewichtler Hughie Fury ist in einem ausgesprochen öden Auftritt den Beweis seiner Ambitionen schuldig geblieben, in naher Zukunft ein Titelaspirant zu sein. Er setzte sich in der Londoner Copper Box Arena nur mit Mühe gegen den anspruchsvollen Aufbaugegner Fred Kassi durch, da der Kampf in der siebten Runde wegen einer Verletzung des Briten abgebrochen wurde, der zu diesem Zeitpunkt nach Punkten in Führung lag (69:66, 70:64, 69:65). Damit sicherte sich der 21 Jahre alte Cousin des Weltmeisters Tyson Fury den vakanten internationalen Titel des Verbands WBO.

Für die Zuschauer, die in Erwartung eines spannenden Gefechts viel Geld für ihre Eintrittskarten ausgegeben hatten, bahnte sich frühzeitig eine herbe Enttäuschung an, so daß sie ihrem Unmut fast ununterbrochen mit Mißfallenskundgebungen Luft machten. Diese richteten sich nicht etwa gegen den 36jährigen Kassi, der fortgesetzt Druck machte und den Favoriten nie zur Entfaltung kommen ließ, sondern gegen den wesentlich jüngeren und körperlich überlegenen Lokalmatador. Fury sah sich gezwungen, sein Heil in beständiger Flucht zu suchen, wobei er lediglich dank seiner Größe und Reichweite punkten konnte.

Im Laufe der Zeit kam Kassi im stärker zum Zuge und brachte in der fünften und sechsten Runde Treffer ins Ziel, die Fury sichtlich beeindruckten und zu schwächen schienen. Dieser wirkte zunehmend erschöpft, so daß seinen ohnehin nicht allzu gefährlichen Schlägen nun jegliche Wucht zu fehlen schien. Fred Kassi wirkte wesentlich gefährlicher und schien in der zweiten Hälfte des Kampfs auf dem besten Weg zu sein, das Blatt zu wenden und womöglich sogar vorzeitig zu gewinnen.

In der sechsten Runde stießen die Kontrahenten mit den Köpfen zusammen, wobei Fury eine Rißwunde über dem linken Auge davontrug. Da sich diese im siebten Durchgang wieder öffnete, zog Ringrichter Terry O'Connor den Arzt zu Rate, der die Verletzung in Augenschein nahm und einen Abbruch empfahl. Dem Reglement entsprechend kam es daraufhin zu einer sogenannten technischen Entscheidung, bei der der aktuelle Punktestand den Ausschlag gibt. Kassi mußte sich geschlagen geben, so daß für ihn nun 18 Siege, vier Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen.

Letzten Endes konnte Hughie Fury von Glück reden, daß sein Gegner daran gehindert wurde, weiter auf ihn einzudringen. Wie sich einmal mehr zeigte, kann der Brite trotz seiner imposanten Statur mit beständigem Druck schlecht umgehen. Nachdem er in der Anfangsphase noch halbwegs mit Kassi zurechtgekommen war, schienen ihm später die Ideen und Mittel auszugehen, als der Veteran nicht nachließ, sondern den Druck sogar noch erhöhte. Fury ist in seiner Karriere offensichtlich zu lange mit relativ schwachen Kontrahenten gefüttert worden, so daß die ungetrübte Bilanz über seinen tatsächlichen Stand hinwegtäuscht.

Hughie Fury machte einen schlechteren Eindruck als Chris Arreola und Dominic Breazeale, die in ihren Kämpfen gegen Kassi ebenfalls in den späteren Runden nachließen, sich aber mit Müh und Not durchsetzen oder wie Arreola zumindest ein Unentschieden retten konnten. Der Brite bot insgesamt gesehen einen schwachen Auftritt, da er vorwiegend mit dem Jab arbeitete und auswich, um den Gegner nicht an sich herankommen zu lassen. Offensichtlich fürchtete er die wuchtigen Schläge des wesentlich kleineren US-Amerikaners aus New Orleans. Dieser wechselte des öfteren die Auslage und feuerte immer wieder wuchtige Schwinger zum Kopf des Briten ab. Nachdem Fury frühzeitig einige Warnschüsse abbekommen hatte, ging er auf Nummer Sicher und vermied in der Folge zum Ärger des Publikums jeglichen Schlagabtausch.

Angesichts dieser enttäuschenden Vorstellung fühlte man sich zwangsläufig an Tyson Fury erinnert, der gegen Wladimir Klitschko auf ähnliche Weise Abstand gehalten hatte. Während der Ukrainer jedoch wie paralysiert verharrte und nicht angriff, führte Kassi vor, wie man einen deutlich größeren Gegner in Bedrängnis bringen kann, indem man ihn beherzt und dauerhaft angreift. Angesichts der indiskutablen Leistung Hughie Furys kann man sich kaum noch vorstellen, daß ihm der WBC-Weltmeister Deontay Wilder im letzten Jahr einen Kampf angeboten hat, den abzulehnen das Team des Briten gut beraten war. Fury hätte nach ein bis zwei Runden geschlagen am Boden gelegen. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/04/hughie-fury-defeats-fred-kassi/#more-209198

2. Mai 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang