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MELDUNG/1992: Überheblichkeit läßt grüßen (SB)



Chris Eubank hat leichtes Spiel mit Tom Doran

Der englische Mittelgewichtler Chris Eubank hatte in der Londoner O2 Arena leichtes Spiel mit dem Waliser Tom Doran, der in der dritten Runde erstmals zu Boden ging und nach drei weiteren Niederschlägen im vierten Durchgang endgültig die Segel streichen mußte. Der Kampf begann indessen recht seltsam, da Eubank zunächst reglos in seiner Ecke verharrte und vom Ringrichter angesprochen werden mußte, was mit ihm los sei. Dann fing er betont langsam an zu boxen, wie um hervorzuheben, daß er diesen Gegner in Zeitlupe besiegen könne. Doran bestrafte ihn dafür mit einigen schnellen Schlägen und hielt in dieser Phase noch gut mit. Als traue er dem Frieden nicht, ging der Außenseiter in der zweiten Runde sehr vorsichtig zu Werke, und da auch Eubank nichts Besonderes unternahm, schwoll der Unmut des Publikums zu beträchtlicher Lautstärke an.

Das änderte sich im folgenden Durchgang, als Eubank den Gegner mit einem Uppercut überraschte und ihn an den Seilen sofort mit Schlägen eindeckte, bis er zu Boden ging. Dieser Ansturm setzte sich in der vierten Runde fort, worauf Doran erneut niederfiel. Während er mühsam wieder aufstand, brüstete sich Eubank mit Schlägen aus ständig wechselnden Vektoren und schickte den Kontrahenten erneut auf die Bretter. Dann fror er in dieser Pose ein, was angesichts seines überforderten Gegners absolut lächerlich anmutete. Nun hatte Doran sichtlich genug und erhob sich so lustlos, daß Ringrichter Marcus McDonnell den Kampf beendete. [1]

Dank dieses Erfolgs baute der 26jährige Chris Eubank seine Bilanz auf 23 Siege und eine Niederlage aus, während sich der fünf Jahre ältere Waliser nach 17 gewonnenen Auftritten erstmals geschlagen geben mußte. Als habe er nicht wie schon in seinen beiden vorangegangenen Kämpfen erneut einen zweitklassigen Gegner besiegt, verkündete der junge Engländer vollmundig, er sei für jeden Weltmeister bereit. Das Einverständnis Gennadi Golowkins ließ in den sozialen Medien nicht lange auf sich warten, und dessen Promoter Tom Loeffler kündigte eine Titelverteidigung gegen Eubank für August oder September an. Da weder Saul "Canelo" Alvarez noch WBO-Weltmeister Billy Joe Saunders Lust hat, sich von dem Kasachen auf die Bretter schicken zu lassen, nimmt dieser erwartungsgemäß mit Eubank vorlieb.

Die vieldiskutierte Frage bleibt jedoch, ob Chris Eubank und sein gleichnamiger Vater allen Ernstes glauben, sie könnten Golowkin besiegen, oder zumindest tatsächlich bereit sind, das Risiko einzugehen. Was der Brite gegen Doran abgezogen hat, würde nie und nimmer für den Kasachen reichen, der nicht von ungefähr die Titel der Verbände WBA, WBC, IBF und IBO in seinen Besitz gebracht hat. Eubank dominierte zwar den Gegner, wurde aber selber des öfteren von Doran getroffen, der recht schnell und kräftig zuschlug. Solche Lücken wären bei einem Kontrahenten vom Kaliber Golowkins, der seit sieben Jahren jeden Gegner vorzeitig besiegt hat, schlichtweg verhängnisvoll. [2]

Was bei dem jungen Chris Eubank besonders negativ zu Buche schlägt, ist seine demonstrativ zur Schau gestellte Überheblichkeit, die vor der Herabwürdigung eines schwächeren Gegners nicht haltmacht. Waren schon seine selbstgefälligen Gesten im Ring mehr als grenzwertig, so galt das um so mehr für sein Gehabe nach dem Kampf. Selten hatte man eine abschließende Pressekonferenz erlebt, auf der ein siegreicher Boxer so wenige Worte für seinen unterlegenen Gegner fand. Statt dessen ließ sich Eubank darüber aus, wie er Golowkin lektionieren werde, der ganz gewiß nicht bereit für die Anforderung sei, sich mit ihm zu messen.

Unterdessen haben Golowkin und Loeffler den Eubanks eine kurze Frist gesetzt, sich endlich definitiv für oder gegen einen Kampf zu entscheiden. Demnach wird sich bald herausstellen, ob Vater und Sohn den guten Namen des Kasachen nur im Munde führen, um Aufmerksamkeit zu erregen, oder tatsächlich Nägel mit Köpfen machen wollen. Seit der Niederlage gegen seinen Landsmann Billy Joe Saunders im Jahr 2014 hat Chris Eubank zwar alle Auftritte souverän gewonnen, dabei aber keine hochklassigen Gegner vor den Fäusten gehabt. Dennoch scheint ihm die jüngste Siegesserie zu Kopf gestiegen zu sein, wenn er meint, mit dem Kasachen gleichermaßen verfahren zu können. [3]

Der ehemalige Weltmeister Carl Froch steht mit dem Verdacht nicht allein, daß sein junger Landsmann gar nicht gegen Golowkin antreten will. Seines Erachtens käme dieser Kampf ohnehin zu früh für Eubank, der sich lieber darauf konzentrieren solle, den britischen Titel noch eine Weile zu verteidigen und dann Europameister zu werden. Sobald dies geschafft sei, könne ein Ausscheidungskampf folgen, dessen Sieger schließlich auf einen Weltmeister treffe. Froch weiß, wovon er spricht, wenn er eine in fundierten Schritten aufgebaute Karriere empfiehlt.

Das würde für Eubank bedeuten, sich in absehbarere Zeit mit namhaften Gegnern wie Daniel Jacobs, Tureano Johnson, Andy Lee oder David Lemieux zu messen. Ihm steht jedoch offenbar eher der Sinn danach, von zweitklassigen Kontrahenten wie Nick Blackwell und Tom Doran direkt zu Golowkin zu springen und dabei die Top 15 auszulassen. Selbst sein Promoter Eddie Hearn schätzt einen Kampf gegen den Kasachen als höchst riskant ein, weshalb er ihn lieber zu einem späteren Zeitpunkt ins Auge fassen würde. Auch nur daran zu denken, zeuge allerdings vom Mut des jungen Eubank, dessen Vater überzeugt sei, daß man Golowkin bezwingen könne. Er selbst sei sich da nicht so sicher, räumt Hearn ein, doch ließe sich andererseits mit diesem Kampf natürlich sehr viel Geld verdienen. [4]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/06/chris-eubank-jr-vs-tom-doran-results/#more-212550

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/16515740/george-groves-outpoints-martin-murray-set-another-world-title-shot

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/06/eubank-jr-golovkin-youre-not-ready-whats-coming/#more-212657

[4] http://www.boxingnews24.com/2016/06/froch-eubank-jr-doesnt-want-golovkin-fight/#more-212626

29. Juni 2016


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