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MELDUNG/2043: New York droht ein Exodus des Boxsports (SB)



Machtkampf zwischen UFC und den Boxpromotern?

Der Bundesstaat New York und insbesondere die Ostküstenmetropole mit dem Madison Square Garden und in jüngerer Zeit auch dem Barclays Center sowie diversen kleineren Veranstaltungsstätten gelten als eine traditionelle Hochburg des Boxsports in den USA. Das könnte jedoch bald der Vergangenheit angehören. Grund sind veränderte gesetzliche Vorgaben, die den Promotern höhere Versicherungssummen pro Boxer und damit auch steigende Prämien vorschreiben. Im April hatte die New York State Assembly als gesetzgebendes Gremium nach Jahren intensiver Lobbyarbeit der UFC die Mixed Martial Arts im Bundesstaat legalisiert. Zugleich wurde die obligatorische Versicherungssumme von 10.000 Dollar auf 50.000 Dollar pro auftretenden Kämpfer erhöht, was von den meisten Veranstaltern als nicht allzu problematisch eingeschätzt wird.

Als dramatische Änderung wird hingegen die zudem erstmals vorgeschriebene Versicherung von mindestens 1 Million Dollar für den Fall traumatischer Hirnverletzungen gesehen. Solche Verletzungen sind zwar eher selten, kommen aber durchaus vor, wie beispielsweise der vielbeachtete Fall des Boxers Magomed Abdusalamow belegt, der eine dauerhafte Schädigung davongetragen hat und permanenter Betreuung bedarf. Da das Gesetz zum 1. September in Kraft getreten ist, herrscht noch Unklarheit darüber, ob Versicherungen entsprechende Policen ausstellen werden und wie hoch die Prämien wären. In ersten Schätzungen ist davon die Rede, daß für eine Veranstaltung mit zehn Kämpfen insgesamt 10.000 Dollar an Mehrkosten anfallen dürften, doch gehen die Meinungen weit auseinander, ob nicht mit wesentlich höheren Zusatzbeträgen zu rechnen sei.

Sollten 10.000 Dollar ein realistischer Schätzwert sein, wäre das für namhaftere Promoter und hochkarätigere Veranstaltungen kein Thema. In ihrem Bestand gefährdet wären jedoch kleinere Kampfabende auf Ebene der Klubs, bei denen der Nachwuchs auftritt und sich zu profilieren versucht. Unmittelbar betroffen wären die ortsansässigen Promoter Lou DiBella und Joe DeGuardia, die den professionellen Boxsport in New York seit Jahren sowohl in den beiden großen Arenen als auch in Klubs fördern und am Leben halten. Beide haben ihre Bedenken während einer 45tägigen Einspruchsfrist vergebens vorgetragen und sehen sich angesichts der gestiegenen Kosten nicht mehr in der Lage, weiterhin in New York zu veranstalten.

Das gilt gleichermaßen für andere prominente Promoter wie Bob Arum, die des öfteren Veranstaltungen in New York austragen. Nach seinen Worten sind die 50.000 Dollar kein Problem, zumal er bereits seit zehn Jahren seine Akteure mit einer Summe in dieser Höhe versichere, die er für völlig angemessen halte. Die Mehrkosten pro Boxer beliefen sich auf 400 bis 500 Dollar, womit sie sich in vernünftigen Grenzen bewegten. Was jedoch die eine Million betreffe, sei ihm völlig schleierhaft, wer sich die Prämie für diese Versicherungssumme leisten könne. Bei kleineren Veranstaltungen übersteige sie vermutlich die gesamten Einnahmen aus dem Verkauf der Eintrittskarten. Sollte es bei dieser Vorgabe bleiben, werde auch er New York den Rücken kehren.

Offenbar verfolge UFC das Ziel, mittels ihrer Monopolstellung Einfluß auf die Gesetzgebung zu nehmen, um Konkurrenten aus den Mixed Martial Arts und den Boxsport aus New York zu verdrängen. Solche Dinge entwickelten sich doch nicht zufällig, argwöhnt Arum. Da UFC kürzlich für 4 Milliarden Dollar an eine Investorengruppe verkauft worden ist und aufgrund ihrer finanziellen Kapazitäten die höheren Kosten für die Versicherung problemlos bestreiten kann, liegt der Verdacht nahe, daß man es nicht zuletzt mit einem Konkurrenzkampf großen Stils zu tun haben könnte.

Seitens der UFC wurde dieser Vorwurf jedoch zurückgewiesen. Man habe keinerlei Einfluß auf die Gesetzgebung genommen und genau wie andere Promoter erst von dem Entwurf erfahren, als dieser eingebracht wurde. Im übrigen sei man jedoch stolz darauf, beständig im Dienst der Gesundheit der Sportler und der Sicherheit in den Mixed Martial Arts initiativ zu werden. So habe man durchweg Versicherungen abgeschlossen, deren Schadenssummen über den gesetzlichen Vorgaben lägen.

Bob Arum sieht die Sache relativ gelassen, was seine eigenen Vorhaben betrifft. Er habe den Madison Square Garden für einige Veranstaltungen im nächsten Jahr vorgebucht und werde diese Termine nun stornieren. Leid täten ihm jedoch in erster Linie DiBella und DeGuardia, die so viel für den Boxsport in New York getan hätten. Er gehe jedoch davon aus, daß die Vernunft siegen und die zuständige Sportkommission entsprechende Änderungen vornehmen werde. Sollte sie das unterlassen, werde sie auf einigen wenigen UFC-Veranstaltungen sitzenbleiben und sonst nichts mehr zu tun haben, da alle Promoter abgewandert seien, am besten einfach über die Brücke nach New Jersey, so Arum.

Die Sportkommission des Bundesstaats New York, welche die Versicherungssumme nach ihrem eigenen Ermessen ändern könnte, will davon aber nichts wissen. Ihr oberstes Ziel bleibe ein sicheres Umfeld für den Kampfsport, so daß die Gesundheit der teilnehmenden Athleten bestmöglich geschützt werde. Was die Prämien für die umstrittene Million betreffe, schließe man aus Vorgesprächen mit interessierten Versicherungsunternehmen, daß die Kosten vertretbar seien. Über die Höhe der Prämien entschieden letztendlich die Schadensfälle. Der beste Weg, die Kosten zu senken, sei es daher, schwere und lebensgefährliche Hirnverletzungen so weit wie irgend möglich auszuschließen.

Dieses Argument ist insofern nicht von der Hand zu weisen, als die Promoter von der Vermarktung der Boxer profitieren, sich aber ihre Verantwortung für deren Schicksal im Falle gesundheitlicher Beeinträchtigung in Grenzen hält. Ob es allerdings einer Besserung der Verhältnisse dient, auf das segensreiche Walten vorgeblicher Marktkräfte zu verweisen, darf doch sehr bezweifelt werden.

Die Stadt nicht verlassen können die Betreiber des Barclays Center, die das Boxen zu einem Eckstein ihres Programmangebots gemacht haben. Sie geben sich zuversichtlich, daß die steigenden Versicherungskosten keinen nachhaltigen Einfluß auf ihre Planungen haben werden, die zwei bedeutende Veranstaltungen noch vor Jahresende vorsähen. Allerdings könne man nicht für die kleineren Veranstaltungen sprechen, obgleich man stets versuche, alle Promoter zu unterstützen.

Erste Folgen der veränderten Situation sind jedoch bereits spürbar. Der in Brooklyn lebende Daniel Jacobs ist als Weltmeister im Mittelgewicht das offizielle Gesicht einer unter dem Namen "Brooklyn Boxing" firmierenden Vermarktung von Fanartikeln und Kleidung des Barclays Center, in dem er seit Oktober 2012 regelmäßig aufgetreten ist. Sein Rückkampf gegen Sergio Mora am 9. September findet jedoch nicht an vertrauter Stätte, sondern in Reading, Pennsylvania, statt.

Promoter Joe DeGuardia, der kleinere Veranstaltungen in Huntington auf Long Island als Talentschmiede genutzt und dabei insbesondere den späteren Champion Chris Algieri entdeckt hat, sagt dort geplante Veranstaltungen ab und will nach Connecticut, New Jersey, Pennsylvania oder in eines der Casinos ausweichen, die als Ressorts der Indian Nations einen Sonderstatus genießen. Wie DeGuardia durchaus einräumt, seien die neuen Vorgaben hinsichtlich der Versicherung offenbar in bester Absicht festgelegt worden. Sie machten jedoch kleineren Promotern beim Boxen und in den Mixed Martial Arts das Leben schwer, so daß sie im Endeffekt die ursprünglich angestrebten Ziele in ihr Gegenteil verkehrten und weder die Einkünfte des Bundesstaats New York mehrten noch der Absicherung der Sportler dienten. [1]


Fußnote:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17444570/new-insurance-rules-new-york-boxing-ropes

4. September 2016


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