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MELDUNG/2054: Britischer Promoter angelt einen dicken Fisch (SB)



Schwergewichtler Luis Ortiz unterschreibt bei Eddie Hearn

Der Kubaner Luis Ortiz begann im Alter von zehn Jahren zu boxen und absolvierte in der Folge eine glänzende Amateurlaufbahn, in der er 343 Kämpfe gewann und nur 26 verlor. Seine größten Erfolge waren der Gewinn der Team-Weltmeisterschaft mit der kubanischen Mannschaft 2006 in Baku und im selben Jahr die Landesmeisterschaft im Schwergewicht. Odlanier Solís, der diese Gewichtsklasse lange dominiert hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in Kuba, ebenso wie Yoan Pablo Hernández, der Ortiz im Finalkampf des Jahres 2005 bezwungen hatte. Ortiz setzte sich 2008 ebenfalls ab und ließ wie viele andere kubanische Sportler, die ihre sozialisierte Ausbildung in Kuba später im Ausland lukrativ privatisierten, seine Familie zurück.

Er etablierte sich als Profiboxer in Florida und besiegte einen Gegner nach dem anderen, die meisten von ihnen vorzeitig. Sein bekanntester Kontrahent war zunächst Bert Cooper, den er in der zweiten Runde bezwang. Am 17. Juni 2011 besiegte er Luis Pineda in Panama City und errang dadurch die WBA-Fedlatin-Meisterschaft. Im Jahr 2014 sicherte sich Ortiz mit einem Sieg über Lateef Kayode den Interimstitel der WBA. Sein eigentlicher Durchbruch war indessen der Kampf gegen Bryant Jennings am 19. Dezember 2015 in Verona, bei dem er seinen ersten prominenten Widersacher vor die Fäuste bekam. Als der Kubaner endlich einmal gefordert war, bot er die beste Leistung seiner Profikarriere und überraschte Gegner und Publikum mit einem variantenreichen Auftritt, in dem er die volle Palette seines Können darbot und Jennings in der siebten Runde besiegte. Zuletzt setzte sich Ortiz ebenfalls auf überzeugende Weise am 5. März in Washington D.C. gegen Tony Thompson durch. Der 44jährige US-Amerikaner mußte in der ersten, dritten und sechsten Runde zu Boden gehen, wobei der letzte Niederschlag das Ende herbeiführte.

Nun hat der in 25 Kämpfen ungeschlagene Luis Ortiz, den nicht wenige für den gefährlichsten Akteur im Schwergewicht halten, einen Vertrag beim englischen Promoter Matchroom Boxing unterschrieben. Vor sechs Wochen hatte sich Ortiz gegen Zahlung von einer Million Dollar aus dem Vertragsverhältnis mit den Golden Boy Promotions freigekauft, worauf er mit Roc Nation Sports in Verbindung gebracht wurde und einen Auftritt beim Sender HBO im Vorprogramm des Titelkampfs zwischen Sergej Kowaljow und Andre Ward am 19. November in Las Vegas zu bekommen schien.

Deshalb mutet die Nachricht, daß der Kubaner bei Eddie Hearn angeheuert hat, recht überraschend an. Allerdings könnte ihm das den Weg zu einem Kampf gegen den in 17 Auftritten unbezwungenen IBF-Weltmeister Anthony Joshua ebnen, der ebenfalls bei Matchroom unter Vertrag steht. Wie Hearn hervorhob, sei Ortiz einer der aufregendsten Schwergewichtler der Welt und werde regelmäßig Gelegenheit bekommen, den Fans seine verheerende Wucht zu präsentieren. Der Kubaner werde wegen seiner Gefährlichkeit weithin gemieden, doch wolle man ihm ein Profil verleihen, welches die Ausweichmanöver der Konkurrenz unmöglich macht, so der führende europäische Promoter.

Was genau zwischen Ortiz und den Golden Boy Promotions schiefgelaufen ist, wurde nie in vollem Umfang publik. Fest steht, daß Oscar de la Hoya zu dem Kubaner gestanden hat, als dieser wegen einer Dopingsperre zeitweise außer Gefecht gesetzt war und ihm später die beiden hochkarätigen Kämpfe gegen Bryant Jennings und Tony Thompson auf HBO verschafft hat. Ortiz sollte eigentlich im nächsten Schritt seinen Interimstitel am 17. September gegen Alexander Ustinow verteidigen, doch zerschlugen sich diese Pläne, als der Kubaner offenbar eine höhere Börse als ursprünglich vereinbart verlangte, was De la Hoya eigenen Angaben zufolge ablehnte. [1]

Was aus dem Kampf gegen Ustinow werden soll, ist derzeit offen. Der Weißrusse ist Pflichtherausforderer des Kubaners und sein Promoter Andrej Riabinskij hat die Austragungsrechte für 600.000 Dollar ersteigert, wovon Ortiz als Titelverteidiger 60 Prozent bekommen würde. Allerdings sind die Verträge offenbar noch nicht unterzeichnet, da sich die beiden Seiten bislang nicht über das Verfahren der Dopingkontrolle einigen konnten. Würde der Kubaner gegen den Weißrussen antreten und sich dabei durchsetzen, stünde ihm ein Kampf gegen den WBA-Weltmeister zu.

Statt dessen soll Ortiz seinen Titel am 12. Dezember in Monte Carlo gegen Carlos Takam verteidigen, für den 33 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden notiert sind. Dabei steht ein attraktiver Kampf zu erwarten, zumal sich der 35jährige Takam zuletzt bei seiner Punktniederlage gegen Joseph Parker in einem Ausscheidungskampf der IBF im Mai gut gehalten hat. Wenngleich der Kubaner als Favorit gehandelt wird, dürfte er doch mit diesem Gegner, der mit recht hoher Frequenz zu schlagen pflegt, kein allzu leichtes Spiel haben. Takam wiederum muß sich insbesondere vor dem aus der Nahdistanz geschlagenen Uppercut des kubanischen Rechtsauslegers hüten, damit es ihm nicht erneut so ergeht wie bei seiner Niederlage gegen Alexander Powetkin im Oktober 2014, der ihn in der zehnten Runde auf die Bretter schickte.

Das Hauptproblem des Kubaners dürfte sein Alter von 37 Jahren sein, das es den namhaftesten Rivalen wie Anthony Joshua und Deontay Wilder erlauben könnte, ihm noch einige Zeit aus dem Weg zu gehen, bis Ortiz nachzulassen beginnt. Wenn die Weltmeister Pläne schmieden und laut über ihre nächsten Gegner nachdenken, fällt der Name des Kubaners so gut wie nie. Verständlicherweise hat niemand von Rang und Namen Lust, ein solches Risiko einzugehen. [2] Auch Eddie Hearn wird den Teufel tun und Ortiz auf Joshua loslassen, liefe er dabei doch Gefahr, seinen jungen und populären Champion ans Messer zu liefern. Mit Luis Ortiz, Anthony Joshua und Dillian Whyte kann der britische Promoter nunmehr drei hochkarätige Schwergewichtler ins Feld führen, die er vermutlich geraume Zeit getrennt marschieren läßt, um die größtmögliche Ausbeute zu gewährleisten.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17744646/heavyweight-luis-ortiz-signs-matchroom-boxing

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/10/luis-ortiz-vs-carlos-takam/#more-218871

9. Oktober 2016


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