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MELDUNG/2097: Programm gegen Doping greift auch im Boxsport (SB)



Unangekündigte Kontrolle wird Andrzej Wawrzyk zum Verhängnis

Deontay Wilder muß sich für seinen nächsten Auftritt, der am 25. Februar in Birmingham, Alabama, über die Bühne gehen soll, umgehend einen neuen Gegner suchen. Der 31 Jahre alte WBC-Weltmeister im Schwergewicht wollte seinen Titel gegen den Polen Andrzej Wawrzyk verteidigen, der jedoch bei einer Dopingkontrolle der VADA positiv auf eine verbotene Substanz getestet worden ist. Da es sich um eine freiwillige Titelverteidigung handelt, sollte es Lou DiBella möglich sein, wie angekündigt rasch Ersatz zu finden. Er könne sich kaum vor Anfragen retten, so der Promoter aus New York. Nun sei es seine Aufgabe, Videos und Ranglisten zu studieren, um einen geeigneten Kontrahenten ausfindig zu machen.

Nach Angaben der VADA-Präsidentin Dr. Margaret Goodman ist Andrzej Wawrzyk am 15. und 16. Januar in Warschau jeweils positiv getestet worden. Dem Polen steht es nun frei, die B-Proben öffnen zu lassen. Wenngleich nicht auszuschließen ist, daß diese negativ ausfallen, gilt das als unwahrscheinlich. WBC-Präsident Mauricio Sulaiman hat den Dopingfall bestätigt, bei dem Spuren eines anabolen Steroids nachgewiesen worden seien. Da unangekündigte Dopingkontrollen vertraglich vereinbart gewesen seien, habe man Schlimmeres verhindert. Es gebe keine anderen Weg, den Boxsport sauberzuhalten, als mit der VADA zusammenzuarbeiten, wie dies bei seinem Verband längst obligatorisch sei.

Eine mögliche Alternative für den Kampf in Birmingham wäre der WBO-Champion Joseph Parker aus Neuseeland, dessen Management bereits Verhandlungen mit Wilders Promotern führt. Sollte es zu diesem Duell kommen, könnte der Sieger den Ring mit zwei der vier maßgeblichen Titel verlassen. Da Anthony Joshua den Gürtel der IBF am 29. April vor einer Rekordkulisse im Londoner Wembley-Stadion gegen Wladimir Klitschko verteidigt und dabei auch die Trophäe der WBA auf dem Spiel steht, stünde später im Jahr eine spektakuläre Zusammenführung aller vier Titel im Schwergewicht in Aussicht. Parkers britischer Pflichtherausforderer Hughie Fury, der jüngere Cousin des ehemaligen Weltmeisters Tyson Fury, müßte seinen Anspruch zunächst zurückstellen, da ein Vereinigungskampf zweier Weltmeister Vorrang hätte. Für Parker scheint der Ausfall Wawrzyks eine gute Nachricht zu sein, da er sich offenbar Chancen ausrechnet, die Oberhand gegen Wilder zu behalten.

Für Wilder ist das nicht der erste Fall, in dem einer seiner Herausforderer über eine Dopingkontrolle gestrauchelt ist. Im Mai letzten Jahres waren wenige Tage vor dem geplanten Kampf gegen Alexander Powetkin in Moskau geringfügige Spuren der Anfang 2016 in die Dopingliste aufgenommenen Substanz Meldonium bei dem Russen nachgewiesen worden. Daraufhin wurde der hochdotierte Kampf kurzfristig abgesagt, und der Weltmeister kehrte unverrichteter Dinge aus Sheffield, wo er sich in der Endphase der Vorbereitung an die Zeitumstellung gewöhnen wollte, nach Hause zurück.

Darauf spielte Lou DiBella mit der Bemerkung an, er könne nur den Kopf schütteln. Er sei natürlich nicht besonders glücklich über diese Entwicklung, aber da der Kampf erst in einem Monat stattfinde immer noch erheblich glücklicher als bei einer kurzfristigen Absage. Da sich Deontay Wilder besonders intensiv auf die Titelverteidigung in Moskau vorbereitet hatte, war er nach dem überraschenden Ausfall Powetkins zwangsläufig sehr enttäuscht, plötzlich mit leeren Händen dazustehen. Auch in finanzieller Hinsicht war die Absage des Titelkampfs ein Tiefschlag, da Wilder nicht nur die Unkosten der aufwendigen Vorbereitung tragen mußte, sondern insbesondere die hohe Börse von mindestens 4.504.500 Dollar verlor. Dagegen reichte Lou DiBella Klage ein, über die ein New Yorker Bundesgericht im Februar entscheiden wird.

Nach dem Ausfall des Russen war Wilder im Juli gegen Chris Arreola angetreten, dessen Ecke den einseitigen Kampf nach der achten Runde aufgab. Der WBC-Weltmeister mußte seine vierte erfolgreiche Titelverteidigung allerdings mit einem Bruch an der rechten Hand und einem Muskelriß im Bizeps bezahlen, die operativer Behandlung bedurften. Die Rekonvaleszenz setzte den in 37 Kämpfen ungeschlagenen Champion aus Tuscaloosa für den Rest des Jahres außer Gefecht. [1]

Da der Verband nach reiflicher Abwägung keine Sperre gegen Powetkin verhängte, aber Wilder auf Grund seiner Verletzungspause nicht zur Verfügung stand, um ihr abgesagtes Aufeinandertreffen nachzuholen, ordnete das WBC einen Kampf um den Interimstitel zwischen dem Russen und Bermane Stiverne an, dessen Sieger im Jahr 2017 auf den Weltmeister treffen sollte. Der in Jekaterinburg geplante Kampf fiel jedoch ebenfalls ins Wasser, da Powetkin erneut positiv getestet wurde. Wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung zog Mauricio Sulaiman die Sanktionierung durch den Verband zurück. Nach Angaben des WBC-Präsidenten wurde der Russe von der Freiwilligen Anti-Doping-Agentur positiv auf die leistungsfördernde Substanz Ostarine getestet.

Unter diesen Umständen mußte Wilders Team umdisponieren, und so wurde Andrzej Wawrzyk für einen Kampf am 25. Februar verpflichtet. Dessen positiver Dopingbefund ist natürlich sehr bedauerlich für den 29jährigen Polen, der jedoch ungeachtet einer Bilanz von 33 Siegen und nur einer Niederlage kein sonderlich attraktiver Herausforderer war. Er mußte sich lediglich Alexander Powetkin 2013 in einem Titelkampf in Moskau vorzeitig geschlagen geben, hat aber seither sechs Kämpfe in Folge gewonnen, freilich ohne dabei hochklassige Gegner in die Schranken zu weisen.

Lou DiBella zufolge besteht Bedarf an der VADA und dem "Programm Sauberes Boxen" des WBC, um Verletzungen oder noch schwerwiegendere Vorfälle einzudämmen. Seitdem das Programm angelaufen sei, hätten sich positive Befunde gehäuft. Deontay Wilder sei ein sauberer Champion, der nichts zu verbergen habe. Deshalb trage man Sorge, daß das auch für seine Gegner gelte. Die Einnahme verbotener Substanzen sei für den betreffenden Boxer wie auch für seinen Kontrahenten riskant, weshalb er die Initiative des Verbands WBC in Zusammenarbeit mit der VADA begrüße, so DiBella. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/01/wilder-needs-new-opponent-wawrzyk-fails-drug-test/#more-225826

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18548198/heavyweight-andrzej-wawrzyk-tests-positive-anabolic-steroid-stanozolol

27. Januar 2017


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