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MELDUNG/2114: Folgt die Rache auf dem Fuße? (SB)



Andre Ward und Sergej Kowaljow verhandeln Revanche

Aktuellen Berichten zufolge nimmt eine Revanche zwischen Andre Ward und Sergej Kowaljow Kontur an. Demnach haben die beiderseitigen Promoter Gespräche aufgenommen, den nicht minder hochkarätigen und womöglich noch lukrativeren zweiten Kampf der beiden führenden Akteure im Halbschwergewicht über die Bühne zu bringen. Der Russe möchte dabei in doppelter Hinsicht eine offene Rechnung begleichen: Zum einen hat ihm der Kalifornier die Titel der Verbände WBA, WBO und IBF abgenommen, zum anderen gingen damals die Meinungen weit auseinander, wer von beiden der bessere Boxer gewesen sei.

Jedenfalls hat der 32jährige Ward bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im Ring am 19. November knapp, aber einstimmig nach Punkten die Oberhand behalten. Kowaljows Promoterin Kathy Duva von Main Events hatte auf einer Rückkampfklausel im Vertrag bestanden, von der sie nun Gebrauch machen könnte. Der neue Weltmeister hat lange gezögert, einer sofortigen Revanche den Zuschlag zu geben. Inzwischen scheint in ihm jedoch die Erkenntnis gereift zu sein, daß es gegenwärtig keinen bedeutenderen Kampf in dieser Gewichtsklasse gibt

Ein Ergebnis der Verhandlungen ist jedoch noch nicht in Sicht, so daß unterdessen manches schiefgehen kann. Das wäre allerdings sehr bedauerlich, da Experten und Fans in seltener Einmütigkeit genau diesen und keinen anderen Kampf fordern. Genaugenommen verpflichtet der Vertragstext des ersten Duells Andre Ward dazu, sich Sergej Kowaljow sofort zu stellen, sofern dieser das wünscht, ohne zwischenzeitlich eine andere Titelverteidigung zu bestreiten. Nach Kathy Duvas Worten soll es genauso ablaufen, wobei man einschränkend hinzufügen muß, daß im professionellen Boxsport vieles möglich ist, was man für unmöglich gehalten hätte. Verträge werden eingehalten oder gebrochen, Anwälte beschäftigt, Klagen eingereicht. So gesehen wäre es in der Tat sehr zu begrüßen, erklärte sich Andre Ward ohne Ausflüchte oder Hintertüren zur Revanche bereit.

Der in 31 Kämpfen ungeschlagene Kalifornier hält sich für den besten Boxer im Halbschwergewicht, worin ihn viele Experten bestätigen, die ihn zu den führenden Akteuren aller Gewichtsklassen zählen. Diese Einschätzung ist keineswegs aus der Luft gegriffen, da Ward lange Jahre die Führungsposition im Supermittelgewicht eingenommen hat. Andererseits war Kowaljow zuvor der anerkannt beste Akteur seines Limits und auf dem Sprung, eine der herausragenden Erscheinungen der gesamten Branche zu werden. Diese Konstellation verleiht ihrer Rivalität eine besondere Brisanz, da sehr viel auf dem Spiel steht.

Sergej Kowaljow, für den 30 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, will nicht zuletzt für eine attraktivere Darbietung sorgen, die vor allem durch einen Niederschlag zu seinen Gunsten entschieden wird. Das wußte Ward im November zu verhindern, indem er so kämpfte, wie er es am besten versteht. Er wühlte, klammerte, rang und schob, womit er die körperlichen Vorteile des Russen neutralisierte, der selten die passende Reichweite für seine gewaltigen Schläge fand. Zudem hat der Kalifornier die Kunst perfektioniert, in der unübersichtlichsten Gemengelage und Verschachtelung mit dem Gegner weiterzuschlagen und sich die Punkte zu sichern.

Nur in den ersten beiden Runden bekamen die Zuschauer einen normalen und unterhaltsamen Boxkampf zu sehen. Kowaljow spielte wie erwartet sein Vorteile aus und schickte Ward bereits im zweiten Durchgang auf die Bretter. Hätte der Herausforderer auf diese Weise weitergemacht, wäre sein frühes Ende unvermeidlich gewesen. Deshalb verlegte er sich in den restlichen zehn Runden darauf, das Duell in einen Ringkampf zu verwandeln. In diesem Metier kann ihm keiner das Wasser reichen, sofern der Referee mitspielt und nicht einen regulären Boxkampf anmahnt, wie es eigentlich seine Aufgabe sein sollte, Hätte der Ringrichter konsequent eingegriffen, das fortgesetzte Klammern unterbunden und im Wiederholungsfall einen Punktabzug verhängt, wäre der Kampf zwangsläufig anders verlaufen.

Dem Vernehmen nach ist die T-Mobile Arena in Las Vegas bereits für den 17. Juni vorgebucht, und der Sender HBO wird auch die Revanche im Pay-TV vermarkten. Da vier Monate keine lange Vorbereitungszeit sind, sollten sich die Promoter beeilen, eine Übereinkunft herbeizuführen. Ziehen sich die Gespräche zu lange hin, muß der Termin wohl verschoben werden. Daß Andre Ward seine zwischenzeitliche Erwägung doch noch wahrmacht und die Boxhandschuhe kurzerhand an den Nagel hängt, ist kaum zu erwarten. Die Weigerung, Kowaljow eine Revanche zu gewähren, würde wie Pech an seinen Stiefeln kleben und alle jene Kritiker munitionieren, die in ihm nicht den genialen Champion, sondern einen Meister grenzwertiger Tricks und Manöver sehen, der dabei in seiner Karriere sehr viel Protektion erfahren hat. [1]

Sergej Kowaljow wußte vorher, wie Ward im Zweifelsfall boxen würde, war aber dennoch von dessen Kampfesweise überfordert. Da er nicht darauf bauen kann, daß ein anderer Ringrichter häufiger einschreitet, muß sich der Russe nicht nur einiges einfallen lassen, sondern auch Dinge erproben, die er bislang kaum praktiziert hat. Er kann den Kalifornier nicht in dessen Metier übertreffen, wohl aber solche engen Situationen sehr viel besser an seine eigenen körperlichen Verhältnisse adaptieren. Spannender und unterhaltsamer als der erste Kampf sollte der zweite allemal werden.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/02/andre-ward-vs-sergey-kovalev-promoters-start-negotiation-talks/#more-228638

2. März 2017


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