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MELDUNG/2120: 88 Lebensjahre im Ring vereint (SB)



Shannon Briggs und Fres Oquendo kämpfen um regulären WBA-Titel

Zu einer Schlacht zweier Veteranen treffen am 3. Juni in Hollywood, Florida, der mittlerweile 45jährige Shannon Briggs und der zwei Jahre jüngere Fres Oquendo aufeinander. Der US-Amerikaner aus Brooklyn wird in der aktuellen Rangliste des Verbands WBA an Nummer vier und der Puertoricaner auf dem folgenden Platz geführt. Es geht in diesem Kampf immerhin um den vakanten Titel des regulären WBA-Weltmeisters im Schwergewicht. Diese Trophäe ist eine Etage unter dem Gürtel des Superchampions der WBA angesiedelt, die am 29. April im Londoner Wembley-Stadion im Duell zwischen dem IBF-Champion Anthony Joshua aus England und Wladimir Klitschko neu vergeben wird. Ob Briggs und Oquendo um einen relativ bedeutungslosen, weil zweitrangigen Titel oder im Gegenteil um einen Türöffner streiten, hängt in erster Linie davon ab, was der Sieger daraus macht. Beispielsweise könnte der neue reguläre Weltmeister versuchen, einen Kampf gegen den Superchampion zu bekommen.

Fres Oquendo war früher ein guter Schwergewichtler, der mit zahlreichen namhaften Kontrahenten den Ring geteilt hat, die inzwischen nicht mehr aktiv sind. Er kann auf diverse Kämpfe gegen hochklassige Gegner zurückblicken, von denen er allerdings viele verloren hat. Sein letzter Sieg gegen einen anspruchsvollen Gegner liegt lange zurück: Im Juni 2013 setzte er sich einstimmig nach Punkten gegen Derric Rossy durch. Danach gewann der Puertoricaner noch einmal im Mai 2014, als er den relativ schwachen Aufbaugegner Galen Brown in der zweiten Runde auf die Bretter schickte.

Bei seinem letzten Auftritt hat Oquendo im Juli 2014 in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny knapp nach Punkten gegen Ruslan Tschagajew verloren. Auch damals ging es um den vakanten regulären Titel der WBA, den sich der Usbeke sicherte. Oquendo verklagte den neuen Weltmeister auf eine Revanche und bekam vor Gericht recht, nicht jedoch die Gelegenheit, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Wirren um diese Trophäe setzten sich fort, als der Australier Lucas Browne gegen den Usbeken gewann, dabei aber über den Dopingtest stolperte. Tschagajew bekam den Gürtel zurück, beendete jedoch seine Karriere. Da Oquendo seither keinen Kampf mehr bestritten hat, ist nicht anzunehmen, daß er sich in diesen drei Jahren ohne Ringpraxis verbessert haben könnte. Eher schon steht zu befürchten, daß ihn ein sofortiger Titelkampf überfordert.

Shannon Briggs ist demgegenüber im selben Zeitraum sehr viel aktiver gewesen. Die besten Tage des US-Amerikaners, für den 60 Siege, sechs Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, liegen allerdings weit zurück. Vor zehn Jahren war er kurzzeitig Weltmeister der WBO und vor sechs Jahren wurde er von Vitali Klitschko malträtiert, worauf er eine ausgiebige Pause einlegte. Seit seinem Comeback hat er 2014 fünf Kämpfe bestritten, 2015 zwei Auftritte gegeben und 2016 einmal im Ring gestanden. Diese rückläufige Entwicklung hing nicht zuletzt damit zusammen, daß er im vergangenen Jahr den Briten David Haye vor die Fäuste bekommen wollte, was sich jedoch zerschlug. [1]

Briggs hätte seinerzeit den Kampf gegen Vitali Klitschko wohl nie bekommen, hätte er bescheiden und unauffällig auf seine Chance gewartet. Statt dessen setzte er sich spektakulär in Szene, sorgte beständig für kleine Schlagzeilen und eine in den Medien ausgetragene Fehde, bis er schließlich mit dem damaligen WBC-Weltmeister im Ring stand. Wenngleich er dabei eine gehörige Tracht Prügel bezog und eine Verletzung am Bizeps davontrug, ist er seither in Deutschland sehr populär. Dies mochte ihn dazu bewogen haben, sich an die Fersen der Klitschkos zu heften und damit ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Als Vitali nicht mehr zur Verfügung stand, betätigte sich Briggs als Stalker Wladimirs, den er in zahlreichen inszenierten Auftritten vor Kämpfen, im Training und sogar bei Restaurantbesuchen vor laufender Kamera belästigte. Als sich jedoch abzeichnete, daß auch der jüngere Klitschko für längere Zeit ausgebucht war, verlegte sich Briggs auf die britische Szene, wo er alles und jeden herausforderte, sich mit ihm zu messen.

Da die Weltmeister Tyson Fury und Anthony Joshua aber Besseres vorhatten, als sich sofort mit Briggs zu befassen, schwenkte dieser auf David Haye um, wobei er zunächst auf Gegenliebe stieß. Als Haye im Mai 2016 gegen Arnold Gjergjaj kämpfte, trat der US-Amerikaner im Vorprogramm gegen Emilio Zarate an. Dabei stellte Briggs unter Beweis, daß er noch immer in ausgezeichneter körperlicher Verfassung ist und gewaltig zuschlagen kann. Er kam aus seiner Ecke gestürmt und malträtierte den 34jährigen Kontrahenten sofort mit Schlägen zum Körper, der dieser Wucht nicht lange standzuhalten vermochte. Eine gewaltige Linke fuhr Zarate derart in die Seite, daß er zu Boden stürzte und nach 2:22 Minuten der ersten Runde aus dem Kampf genommen wurde. Der 1,93 m große Briggs bringt seit 16 Jahren in etwa dasselbe Gewicht von knapp 120 kg auf die Waage und hat sich seit geraumer Zeit auf Körpertreffer spezialisiert, mit denen er die Gegner seit seinem Comeback im Jahr 2014 durch die Bank frühzeitig ausschalten konnte.

Dem US-Amerikaner zufolge war dies die Eintrittskarte für einen Kampf gegen David Haye, wobei offenblieb, ob der Brite tatsächlich eine solche Zusage gegeben hatte oder Briggs sich lediglich ins Geschäft reden wollte. Jedenfalls wurde nichts daraus, und da Haye inzwischen aufgrund einer Achillessehnenverletzung gegen seinen Landsmann Tony Bellew aus Liverpool verloren hat, ist er vorerst aus dem Rennen. Unter diesen Umständen ist der Titelkampf gegen Fres Oquendo weit mehr als ein Trostpreis für Shannon Briggs, der dabei zum einen keinen allzu gefährlichen Gegner vor die Fäuste bekommt und andererseits auf dem denkbar leichtesten Weg doch noch einmal Weltmeister werden könnte.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/03/shannon-briggs-vs-fres-oquendo/#more-230204

17. März 2017


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