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MELDUNG/2145: Mann der Seitenwege muß Farbe bekennen (SB)



Chris Eubank verteidigt den IBO-Titel gegen Arthur Abraham

Chris Eubank jun. verteidigt den Titel des kleinen Verbands IBO im Supermittelgewicht am 15. oder 22. Juli in London gegen den früheren Weltmeister Arthur Abraham. Der 27jährige Brite, für den 24 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, hatte sich den Gürtel im Februar gesichert, als er Renold Quinlan in der zehnten Runde geschlagen auf die Bretter schickte. Für seine erste Titelverteidigung hat sich Eubank keine leichte Aufgabe ausgesucht. Abraham, der 46 Auftritte gewonnen und fünf verloren hat, dürfte zwar den Zenit seines Könnens weit überschritten haben, doch kann er neben seiner Erfahrung noch immer eine beträchtliche Schlagwirkung ins Feld führen.

Eubanks Kampf gegen den überforderten Quinlan erwies sich wie erwartet als eine höchst einseitige und wenig ansprechende Darbietung, da der Titelverteidiger dem Herausforderer in allen Belangen unterlegen war. Die Erklärung des neuen Champions, er habe diesen Weg eingeschlagen, da ihm der Sieg die Tür zu einem Vereinigungskampf mit IBF-Weltmeister James DeGale öffne, wurde von Publikum und Experten mit Skepsis aufgenommen. Namhafte Akteure streben die Titel der führenden Verbände WBA, WBC, WBO und IBF an, während die IBO zwar die bedeutendste der kleineren Organisationen ist, aber deutlich hinter dem Quartett rangiert und für gewöhnlich beim Vormarsch in die höheren Ränge beiläufig mitgenommen, selten aber so gezielt wie im Falle Eubanks angesteuert wird.

Da Chris Eubank bereits im Mittelgewicht etabliert war und dort gute Aussichten auf relevante Titelkämpfe gegen starke Gegner hatte, mutete der Griff nach dem Gürtel der IBO im höheren Limit wie eine Ausflucht an. Die Vorstellung, DeGale werde darauf anspringen, dürfte sich als bloßes Wunschdenken erweisen, zumal der IBF-Weltmeister bislang kaum Interesse an dieser Option gezeigt hat. Offenbar hofft Eubank nun, sich Abrahams Skalp zu bemächtigen und auf diese Weise ein Ausrufezeichen zu setzen, das attraktive Kontrahenten hellhörig werden läßt.

Um das zu bewerkstelligen, müßte er den Berliner allerdings mit zahlreichen Schlägen eindecken, da er nicht gerade als Boxer gilt, der einzelne Wirkungstreffer ins Ziel bringen kann, die einen Gegner zu Boden schicken. Der als notorischer Spätstarter bekannte Abraham könnte ihm freilich den Gefallen tun, den Kampf mehr oder minder zu verschlafen und auf eine günstige Gelegenheit zu warten, die sich einfach nicht eröffnet. Andererseits hat der ehemalige IBF-Champion im Mittel- und WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht gehörig Dampf in den Fäusten und mit Ulli Wegner einen Trainer in seiner Ecke, der wutschnaubend zumindest manchmal zu ihm durchdringt, um ihm die Hölle heiß zu machen. Abraham hat bei seinen letzten beiden Auftritten Robin Krasniqi und Tim Robin Lihaug besiegt. Gegen Krasniqi, der nicht viel schwächer als Eubank einzuschätzen ist, setzte sich der Berliner im April recht problemlos mit einem einstimmigen Punktsieg durch.

Eubank hat seit der knappen Punktniederlage gegen Billy Joe Saunders am 29. November 2014 sechs Kämpfe in Folge gewonnen und dabei Tony Jeter, Gary O'Sullivan, Nick Blackwell, Tom Doran und zuletzt Renold Quinlan in die Schranken gewiesen. Nach dem Sieg über Gary O'Sullivan im Dezember 2015 war er Pflichtherausforderer des regulären WBA-Weltmeisters Daniel Jacobs. Er nahm diese Chance jedoch nicht wahr und kämpfte statt dessen im März 2016 gegen Nick Blackwell um den britischen Titel im Mittelgewicht. Dann folgte bereits im Juni 2016 ein leichter Erfolg gegen Tom Doran, der in der vierten Runde die Segel streichen mußte.

Obgleich sich Eubank im Grunde auf das nationale Niveau zurückgezogen hatte, war er noch immer attraktiv genug, um das Interesse Gennadi Golowkins zu wecken. Der Kasache erklärte sich bereit, seine Titel gegen den Briten zu verteidigen, doch als sich die Verhandlungen in die Länge zogen und ein Ende nicht absehbar war, entschloß sich Promoter Eddie Hearn, dasselbe Angebot seinem Weltergewichtler Kell Brook zu unterbreiten, der sofort zusagte und den Kampf gegen Golowkin bekanntlich bekam. Chris Eubank und sein gleichnamiger Vater ließen sich mit ihrer erratischen Verhandlungsführung einen hochdotierten und vielbeachteten Auftritt durch die Lappen gehen und wendeten sich statt dessen dem wenig bekannten und schwach eingeschätzten IBO-Champion zu, der zur erwartet leichten Beute wurde.

Was soll man von einem Boxer wie dem jüngeren Eubank halten, der sein Licht bekanntlich nie unter den Scheffel stellt, aber Kämpfe gegen Golowkin und Jacobs, die beiden führenden Akteure im Mittelgewicht, in den Wind schlägt? Wenngleich man nicht ausschließen kann, daß eine gehörige Portion Überheblichkeit und Fehleinschätzung am Werk war, dürfte des Pudels Kern doch ein anderer sein. Den Eubanks konnte kaum entgangen sein, daß gegen Jacobs und Golowkin desaströse Niederlagen drohten, wie sie rufschädigender kaum sein könnten, sofern man des öfteren vollmundig verkündet hat, über das Rezept zur Entzauberung dieser Koryphäen zu verfügen. Golowkins Promoter Tom Loeffler hat zwar die Idee eines Kampfs gegen Eubank nicht endgültig ad acta gelegt, läßt aber inzwischen verständlicherweise offen, wann es dazu kommen könnte.

Seit der Niederlage gegen Billy Joe Saunders, die nur deshalb die bislang einzige geblieben ist, weil sich Eubank seither relativ schwache Gegner ausgesucht hat, scheint er sich nicht wesentlich verbessert zu haben. Vor und nach jedem Schlag posiert der Brite, als bewundere er sein eigenes Werk, so daß böse Zungen behaupten, er habe den Beruf verfehlt und sei auf dem Laufsteg besser aufgehoben als im Ring. Er verschwendet damit nicht nur seine Zeit mit nutzlosen Showeinlagen, sondern auch sein Talent, da er es versäumt, sich rückhaltlos auf Gegner vorzubereiten, denen er noch nicht gewachsen ist. Im ungünstigsten, aber leider gar nicht so unwahrscheinlichen Fall hat er aus der Erkenntnis, daß er Kontrahenten wie Golowkin oder Jacobs noch nicht gewachsen ist, lediglich die Konsequenz gezogen, mit Siegen über zweitklassige Konkurrenten anzugeben, ohne sich ernsthaft mit seinen Mängeln auseinanderzusetzen.

Eigentlich hat es Arthur Abraham nicht nötig, Eubank und dessen Trophäe aufs Korn zu nehmen, da er nach wie vor populär genug, um sich mit dem regulären WBA-Weltmeister Tyron Zeuge oder WBO-Champion Gilberto Ramirez zu messen. Da Zeuge jedoch wie er selbst beim Team Sauerland unter Vertrag steht und er gegen den Mexikaner schon einmal sang und klanglos untergegangen ist, sind beides keine Optionen, die ihn sofort zugreifen ließen. Bei der Punktniederlage gegen Ramirez im April 2016 mußte der Berliner sämtliche Runden abgeben, was vermuten läßt, daß er mit diesem Gegner nie zurechtkommen würde, wie oft sie auch aufeinanderträfen. Ähnlich wie Eubank dürfte auch Abraham darauf spekulieren, sich mit einem Sieg über den namhaften Gegner wieder ins Geschäft zu bringen, ohne dabei ein unvertretbares Risiko einzugehen.

Verliert Chris Eubank diesen Kampf, kann er James DeGale, Gennadi Golowkin und eine Revanche gegen Billy Joe Saunders vergessen. Eine Niederlage ist schmerzlich, aber kein Beinbruch, wenn es danach wieder aufwärts geht. Eubank hält selbst nach drei Jahren immer noch vor, daß er damals zu Unrecht verloren habe. Man muß diese Auffassung nicht teilen, zumal es längst irrelevant geworden ist, wie der eine oder andere über die damalige knappe Entscheidung denkt. Unterliegt Eubank jedoch dem Berliner, fällt ihm der zweite Rückschlag um so schwerer auf die Füße. [1]

Dann träte offen zutage, daß der Brite in seiner Karriere nur zwei hochkarätige Kontrahenten vor den Fäusten gehabt und in beiden Fällen den kürzeren gezogen hat. Danach käme niemand mehr auf die Idee, Eubank als heißen Anwärter auf einen Titelkampf zu betrachten, am wenigsten die amtierenden Weltmeister der vier maßgeblichen Verbände. Rückblickend gesehen hat möglicherweise schon die Niederlage gegen Saunders die Grenzen Eubanks aufgezeigt, während die sechs darauffolgenden Kämpfe lediglich ein Abgesang auf durchweg anspruchsloserem Niveau waren. Mehr denn je werden Karrieren heutzutage gleichermaßen herausgekämpft wie herbeigeredet. Beim Reden allein darf es aber auf Dauer nicht bleiben.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/06/chris-eubank-vs-arthur-abraham/#more-236041

6. Juni 2017


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