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MELDUNG/2212: Avancen gleich an Ort und Stelle (SB)



Luis Ortiz gewinnt und fordert Deontay Wilder heraus

Nach einjähriger Abwesenheit hat sich Luis Ortiz erfolgreich zurückgemeldet. Der 38 Jahre alte kubanische Schwergewichtler behielt in Hialeah, Florida, im Kampf mit dem Aufbaugegner Daniel Martz bereits in der zweiten Runde die Oberhand und baute seine makellose Bilanz auf nunmehr 28 Siege aus. Anfangs machte der Favorit keine gute Figur, bewegte er sich doch sehr langsam und unbeholfen. Der in der Rechtsauslage boxende Kubaner schlug des öfteren Löcher in die Luft, während Martz dreimal mit der Schlaghand zum Kopf durchkam. Erst als sein Gegner weniger schlug, übernahm Ortiz die Initiative und schickte den Kontrahenten kurz vor der Pause mit einem Körpertreffer erstmals auf die Bretter. Das frühe Ende folgte dann in der nächsten Runde, als der Kubaner seine Linke am Kopf des Gegners landete, der daraufhin vornüber zu Boden stürzte und zu benommen war, um den Kampf fortsetzen zu können. [1]

Für den an Nummer drei der WBC-Rangliste plazierten Ortiz war dies ein vom Resultat her überzeugender Erfolg, der ihm die Tür zu weit bedeutenderen Auftritten geöffnet haben dürfte. Allerdings wirkte er nur noch wie ein Schatten jener Tage, in denen er sich höchst dynamisch und stets gefährlich gegen Bryant Jennings, Tony Thompson und Lateef Kayode durchgesetzt hatte, die alle drei mehr als eine Etage über Daniel Martz anzusiedeln sind. Der Kubaner wirkte behäbig, war leicht zu treffen und sah gealtert aus, was nicht allein der langen Pause geschuldet sein dürfte. Gerüchten zufolge hat er seinerzeit beim Wechsel in die USA und ins dortige Profilager einige Lebensjahre unterschlagen, um sich jünger zu machen, als er tatsächlich ist.

Kaum hatte Ortiz den Kampf gewonnen, als er sich auch schon über das oberste Ringseil beugte und dem anwesenden WBC-Weltmeister Deontay Wilder zurief, er wolle als nächstes gegen ihn kämpfen. Daraufhin stieg der Champion zu ihm hinauf in den Ring und sagte ihm an Ort und Stelle diese Titelchance zu, für die er nur hart trainieren solle. Der Kubaner gab sich freundlich und gelassen, als er anmerkte, daß der Brite Anthony Joshua offensichtlich gegen keinen von ihnen antreten wolle. Also sei es nur konsequent, ihn links liegenzulassen und der Welt einen anderen spektakulären Auftritt zu bieten. Es werde keine Ausreden geben, sei er doch bereit, diese Aufgabe für Kuba zu bewältigen. Wilder, der augenscheinlich den Part des wilden Mannes übernommen hatte, erwiderte wutschnaubend, er habe sich Ortiz schon lange vornehmen wollen und gewähre ihm eine zweite Chance. Der Kubaner gehöre zu stärksten Akteuren des Schwergewichts, doch er selber sei der Allerbeste. Daher müsse man einfach gegeneinander kämpfen. [2]

Ob dieser Wortwechsel abgesprochen oder spontan inszeniert war, ist nicht bekannt. Ebenso offen blieb, ob Wilder auf eigene Faust gehandelt hat, was ungewöhnlich wäre. Normalerweise suchen sein Berater Al Haymon, sein Manager Shelly Finkel und sein Promoter Lou DiBella den Gegner aus. Daß ihnen der Champion unabgesprochen in die Parade fährt, indem er Luis Ortiz konkrete Zusagen macht und damit die komplizierten Verhandlungen mit Anthony Joshua und dessen Promoter Eddie Hearn stört, ist eher nicht anzunehmen. Wenn Wilder den Eindruck erweckt, er sei stinksauer auf den Kubaner und wolle ihn am liebsten in Stücke reißen, gehört das zu seinem Talent, Werbung in eigener Sache zu machen. Er ist mitunter wortgewandter als der Rest der Schwergewichtsszene zusammengenommen und sich bewußt, daß bedachtsame Äußerungen und höfliche Umgangsformen das Boxpublikum selten vom Hocker reißen.

Ob Luis Ortiz so friedlich und maßvoll blieb, weil er im Verhältnis zu Wilder am kürzeren Hebel sitzt, kann man gleichermaßen nur vermuten. Immerhin hat er den WBC-Weltmeister schon einmal - wenngleich unfreiwillig - versetzt, da die beiden bereits am 4. November gegeneinander antreten sollten. Nachdem die VADA den Kubaner im Training positiv auf eine verbotene Substanz getestet hatte, fiel die Titelverteidigung zum Leidwesen Deontay Wilders und natürlich auch des Kontrahenten ins Wasser. An dessen Stelle wurde der in Las Vegas lebende Kanadier Bermane Stiverne herangezogen, der ohnehin Pflichtherausforderer des Weltmeisters war.

Stiverne hatte jedoch seit dem Titelverlust im ersten Kampf gegen Wilder vor zwei Jahren nicht mehr im Ring gestanden. Unmittelbar vor der Revanche im Barclays Center in Brooklyn zeichnete sich ab, daß der wesentlich kleinere Kanadier zudem in schlechter körperlicher Verfassung zu sein schien. Überdies wirkte er wie ein Boxer, der sich bereits vor dem ersten Gongschlag aufgegeben hat. Kaum war der Kampf eingeläutet, als der Weltmeister auch schon auf seinen Gegner losging, der nicht einmal ansatzweise ernsthaft zurückschlug. Schon der erste Treffer Wilders schickte den Herausforderer zu Boden, der nach zwei weiteren Niederschlägen in der ersten Runde vom Ringrichter aus dem Kampf genommen wurde.

Während die übrigen Verbände Luis Ortiz aus den Top 15 ihrer Ranglisten warfen, sofern er darin überhaupt vertreten war, beließ es das World Boxing Council bei einer Geldstrafe von 25.000 Dollar und nahm den Kubaner wieder ins Ranking auf, was die Voraussetzung für einen Titelkampf ist. Daß der in 39 Kämpfen ungeschlagene Deontay Wilder gegen Ortiz antritt, ist mithin eine naheliegende und fast schon vorgebahnte Option. Allerdings müßte der britische Promoter Eddie Hearn mitspielen, bei dem der Kubaner seit einiger Zeit unter Vertrag steht. Davon abgesehen muß sich Luis Ortiz, der schon zweimal positiv getestet worden ist, natürlich hüten, ein drittes Mal über die Hürden der VADA zu stolpern. Dann nämlich müßte er die Hoffnung, am Ende doch noch um einen Titel zu kämpfen, wohl endgültig zu Grabe tragen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/12/luis-ortiz-vs-daniel-martz-results/#more-249837

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/12/deontay-wilder-offers-luis-ortiz-title-shot/#more-249850

9. Dezember 2017


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