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MELDUNG/2253: Schwergewicht - Armdrücken um Millionenpfründe ... (SB)



Kommt es zum Kampf zwischen Anthony Joshua und Deontay Wilder?

Wie alle Beteiligten versichern, soll der Kampf um die Vorherrschaft im Schwergewicht zwischen den Weltmeistern Anthony Joshua (WBA, WBO, IBF) und Deontay Wilder (WBC) noch in diesem Jahr über die Bühne gehen. Ob es aber tatsächlich zu dem höchstdotierten Duell kommt, den das Boxgeschäft derzeit zu bieten hätte, entscheidet sich in einem wahren Machtkampf um Einfluß und sehr viel Geld, der soeben in eine neue Runde gegangen ist. Nachdem sich Joshua kürzlich zu der Aussage hinreißen ließ, er sei sofort mit von der Partie, wenn ihm Wilder 50 Millionen Dollar bieten würde, hat dessen Manager Shelly Finkel nun ein Angebot in eben dieser Höhe vorgelegt. Darin wird dem Briten nicht nur die besagte Summe garantiert, sondern zugleich die Hälfte aller Einkünfte. [1] Sollte der Kampf über 100 Millionen Dollar einspielen, erhält Joshua dank seiner 50 Prozent noch mehr, bleibt der Erlös hinter den Erwartungen zurück, schneidet sich Wilders Team ins eigene Fleisch, da der Gegenseite in jedem Fall die 50 Millionen sicher sind.

Das klingt nach einem Angebot, das man nicht abschlagen kann, und als solches ist es auch gemeint. Warum es Joshuas Promoter Eddie Hearn dennoch ablehnen könnte, wird deutlich, sobald man die Implikationen unter die Lupe nimmt. Bislang hat Hearn die Auffassung vertreten, daß sein Boxer die eigentliche Zugnummer sei, und Wilder lediglich eine Pauschale von 12,5 Millionen Dollar angeboten. Das würde bedeuten, daß der US-Amerikaner je nach Höhe der gesamten Einkünfte maximal 20 Prozent, vermutlich aber einen noch geringeren Bruchteil bekäme. Daß Wilder als Weltmeister diese Herabstufung, die ihn unter den Anteil drückt, der einem Pflichtherausforderer zustünde, nicht hinnehmen konnte, liegt auf der Hand. Weder will er sich abspeisen noch herabwürdigen lassen.

Da an dem Argument, daß Joshua für sich genommen sehr viel mehr Geld als Wilder einspielen kann, schwerlich zu rütteln ist, versuchen die Amerikaner offenbar, sich mittels eines waghalsigen Freischlags auf gleiche Augenhöhe zu katapultieren. Schlüge das britische Team ein, läge die Promotion des Kampfs nicht in seiner Hand. Wilders Management könnte Ort und Zeitpunkt bestimmen, was allerdings nichts daran ändern würde, daß nur eine britische Riesenarena wie jene in Wembley oder Cardiff in Frage käme. In den USA ist mit Wilder und Joshua kein Staat zu machen, da dort keiner von beiden ein Publikumsliebling ist. Um 80.000 Zuschauer am Schauplatz des Geschehens zu versammeln und im Pay-TV beste Quoten einzufahren, gilt es das britische Boxpublikum massenhaft zu mobilisieren, was bei diesem Kampf ohne weiteres möglich wäre. Aus diesem Grund sollte die Frage, wem die offizielle Regie bei diesem Kampf zusteht, eigentlich keine unüberwindliche Hürde darstellen. Eddie Hearn will jedoch in jedem Fall dafür sorgen, daß möglichst alles nach seiner Pfeife tanzt, ob dies nun auf den ersten Blick ersichtlich ist oder sich erst bei kritischer Prüfung vordergründiger Nebelkerzen erschließt.

Natürlich weist Hearn das Angebot nicht umgehend zurück, da dies dem Verdacht neue Nahrung gäbe, er halte einen Kampf gegen Wilder für zu gefährlich. Statt dessen wirft er die Frage auf, ob überhaupt soviel Geld auf der Gegenseite vorhanden ist: Wilder habe es bestimmt nicht, weshalb schon eine gewisse Sicherheit hinsichtlich der Finanzierung erforderlich sei. Davon abgesehen sei in dem Angebot kein Rückkampf vorgesehen, wie auch eine Reihe weiterer Fragen wie etwa Joshuas diverse Fernsehverträge der Klärung bedürften. Auch ziehe man es natürlich vor, den Kampf zu Hause und nicht in den USA auszutragen, doch werde man jedes akzeptable und gesicherte Angebot ernstnehmen und sorgfältig prüfen. [2]

Hearn ist nach New York gereist, wo der bei ihm unter Vertrag stehende Mittelgewichtler Daniel Jacobs am Samstag im Barclays Center in Brooklyn auf den Polen Maciej Sulecki trifft. Der Sieger dieses Kampfs wird neuer Pflichtherausforderer Gennadi Golowkins beim Verband WBA. Der britische Promoter will bei dieser Gelegenheit mit Shelly Finkel und Al Haymon zusammentreffen, wobei letzterer sein eigentlicher Widerpart in diesem Kräftemessen sein dürfte. [3] Haymon, der die Öffentlichkeit meidet und als graue Eminenz der Branche gilt, hat als Berater Verträge mit zahlreichen prominenten Boxern abgeschlossen. In gewisser Weise ist das Ringen um die Konditionen eines Kampfs zwischen Joshua und Wilder ein Machtkampf zwischen ihm und dem britischen Promoter, der seinen Einfluß Zug um Zug ausweitet und inzwischen begonnen hat, auch in den USA Fuß zu fassen. Hearn hat namhafte US-amerikanische Boxer wie Daniel Jacobs oder im Schwergewicht Luis Ortiz und Jarrell Miller unter Vertrag genommen. Nun stellt er in New York einen attraktiven Kampfabend auf die Beine, doch was Haymon am allerwenigsten hinnehmen kann, ist Hearns Versuch, mit Wilder schlittenzufahren. Al Haymons Stärke gründet einerseits in einem hochdotierten Investitionsmodell, für dessen Umsetzung er bürgt, und andererseits in der Garantie, für seine Boxer die bestmöglichen Optionen zu erwirken. Ließe er zu, daß Deontay Wilder von den Briten dauerhaft untergebuttert wird und an deren Band hängt, erschütterte dies seinen eigenen Ruf. Wie es seine gängige Praxis ist, hat er sich in dieser Kontroverse nie öffentlich zu Wort gemeldet und wird das auch künftig nicht tun. Zugleich kann man davon ausgehen, daß das Angebot von 50 Millionen Dollar für Joshua sein Schuß vor den Bug des britischen Konkurrenten ist.

Auch Eddie Hearn will diesen Kampf, nur eben zu seinen Konditionen und nicht um eines kurzfristigen finanziellen Vorteils willen, sondern im Kontext seiner strategischen Pläne. Er hat Anthony Joshua nicht gegen alle Skepsis und Kritik zum größten Star des Schwergewichts aufgebaut, um ihn im Strudel der Ereignisse zu verlieren. Angesichts zahlloser Unwägbarkeiten des Boxsports, in dem ein einziger Volltreffer über Karrieren und Millionenbeträge entscheiden kann, hat sich der britische Promoter zu einem Magneten entwickelt, der den Erfolg regelrecht anzuziehen scheint und so die Dinosaurier der Branche zunehmend in den Schatten stellt. Ohne den anhaltenden britischen Boxboom wäre das undenkbar, was man aber auch genauso umgekehrt sagen könnte.

Wie Hearn betont, wolle er den Kampf zwischen Joshua und Wilder noch vor Ende des Jahres auf die Beine stellen, da für 2019 diverse Pflichtverteidigungen anstünden. Nun ist Wilder jedoch ein Boxer, der rundenlang schlecht aussehen, dann aber einen Kampf mit einem einzigen Volltreffer zu seinen Gunsten entscheiden kann. Da zeigte sich zuletzt bei seinem vorzeitigen Sieg über den gefährlichen Kubaner Luis Ortiz, bei dem er dank ausgezeichneter Nehmerqualitäten eine ausgesprochen brenzlige Situation überstand und sich einige Zeit später mit einem Niederschlag revanchierte. Eddie Hearn muß zu Recht fürchten, daß Joshua ebenfalls ins offene Messer laufen könnte, sollte er sich mit dem WBC-Weltmeister messen. Daher ist keineswegs auszuschließen, daß der britische Promoter größte Bedenken hegt und dazu neigt, diesen Kampf zu verhindern, indem er unerfüllbare Forderungen stellt und der Gegenseite die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen in die Schuhe schiebt. Da die WBA unterdessen angeordnet hat, daß sich Joshua zuallererst mit dem Pflichtherausforderer Alexander Powetkin auseinandersetzen müsse, hat Hearn eine Alternative in der Hinterhand. Sollte das Gespräch mit Al Haymon und Shelly Finkel zu keinem Ergebnis führen, werde man sich eben mit dem Russen befassen.

Der 28jährige Anthony Joshua ist in 21 Auftritten ungeschlagen, die er bis auf einen vorzeitig für sich entschieden hat. Er wurde 2016 IBF-Weltmeister und hat diesen Titel fünfmal erfolgreich verteidigt. Im Kampf gegen Wladimir Klitschko gewann er den vakanten WBA-Titel hinzu, und am 31. März folgte in Cardiff schließlich der Gürtel der WBO, den er durch einen Punktsieg dem Neuseeländer Joseph Parker abnahm. Auch der vier Jahre ältere Deontay Wilder ist unbesiegt und mußte nur einmal über die volle Distanz von zwölf Runden gehen. Für den Champion aus Tuscaloosa in Alabama stehen bereits 40 Siege zu Buche. Den WBC-Titel gewann er durch einen Punktsieg über den Kanadier Bermane Stiverne, den er später bei der Revanche bereits in der ersten Runde geschlagen auf die Bretter schickte. Wilder hat sieben Herausforderer bezwungen und zuletzt am 3. März den bis dahin ungeschlagenen Luis Ortiz im Barclays Center in der zehnten Runde aus allen Titelträumen gerissen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/wilders-promoter-gives-anthony-joshua-a-50-50-take-it-or-leave-it-offer/#more-261762

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/23317719/deontay-wilder-offers-anthony-joshua-50-million-heavyweight-unification-bout

[3] www.boxingnews24.com/2018/04/anthony-joshua-vs-deontay-wilder-eddie-hearn-heads-to-new-york-for-talks-with-al-haymon/#more-261743

27. April 2018


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