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MELDUNG/2254: Mittelgewicht - Promoter auf Einkaufstour ... (SB)



Eddie Hearn möchte Jermall und Jermell Charlo verpflichten

Eddie Hearn will die Zwillingsbrüder Jermall and Jermell Charlo für Matchroom Boxing unter Vertrag nehmen. Wie der Brite erklärte, hätten die beiden derzeit keinen Promoter. Er sei in der Lage, ihnen wesentlich mehr Geld zu verschaffen, als sie bislang verdient hätten. Im Zuge seiner Expansion in die USA hat Hearn bereits im Schwergewicht Luis Ortiz und Jarrell Miller sowie den Mittelgewichtler Daniel Jacobs verpflichtet. Dieser bestreitet heute abend im Barclays Center in Brooklyn einen Ausscheidungskampf gegen Maciej Sulecki, dessen Sieger neuer Pflichtherausforderer Gennadi Golowkins beim Verband WBA wird. Die Veranstaltung findet unter der Regie des britischen Promoters statt und wird vom Sender HBO übertragen.

Nach Hearns Worten könnte der in 27 Auftritten ungeschlagene Jermall Charlo nächster Gegner von Daniel Jacobs werden, sofern dieser seinen heutigen Kampf gewinnt. Eine andere Option wäre ein Duell zwischen Jacobs und dem IBF-Pflichtherausforderer Sergej Derevjanschenko um den Titel dieses Verbands. Um dies möglich zu machen, müßte jedoch die IBF Golowkin wie angedroht den Titel aberkennen, weil er ihn nicht am 5. Mai gegen Derevjanschenko verteidigt. Golowkins Promoter Tom Loeffler hat statt dessen für diesen Termin in Carson nahe Los Angeles einen Kampf gegen Vanes Martirosian auf den Weg gebracht.

Wie Eddie Hearn hervorhob, gefielen ihm die Brüder Charlo, weil sie großartige Boxer seien und viel Lärm machten, der weithin wahrgenommen werde. Ihnen fehle jedoch ein klares Profil, weil sie keinen Promoter hätten. Sollte Matchroom Boxing den Charlos ein lukratives Angebot machen, wäre eine künftige Zusammenarbeit wohl nicht ausgeschlossen. Andererseits sind die beiden jünger als Jacobs und bislang gut zurechtgekommen, was man für den New Yorker Mittelgewichtler nur bedingt sagen kann. Hearn hatte bei seiner Verpflichtung angekündigt, er werde einen großen Star aus ihm machen. Herausgekommen ist dabei jedoch nur ein eher unspektakulärer Kampf gegen Luis Arias im November, den Jacobs nach Punkten gewann.

Auch der ungeschlagene Pole Sulecki ist kein Gegner, der Jacobs die Tür ganz nach oben öffnen und ihn zu einem populären Kandidaten machen könnte. Andererseits handelt es sich um einen Ausscheidungskampf, der dem New Yorker eine Revanche mit Gennadi Golowkin zu bescheren verspricht. So gesehen hat Hearn gute Arbeit geleistet und seinen Mittelgewichtler auf relativ einfachem Wege an mögliche Titelkämpfe herangeführt. Jermall Charlo hat am vergangenen Wochenende Hugo Centeno auf überzeugende Weise in der zweiten Runde besiegt und sich damit den Interimstitel beim Verband WBC gesichert, der ihn in Kürze zum Pflichtherausforderer Gennadi Golowkins erklären wird. Mithin wäre Jermall Charlo ein Gegner, der Jacobs das Fürchten lehren könnte. Davon abgesehen tritt er beim Sender Showtime an, während der New Yorker einen Vertrag über mehrere Kämpfe mit HBO abgeschlossen hat. Charlo müßte schon bei Matchroom unterschreiben und dann in das Schema von HBO integriert werden, damit dieser Kampf überhaupt stattfinden könnte.

Was Saul "Canelo" Alvarez betrifft, wähnt Eddie Hearn dessen Karriere auf dem absteigenden Ast, nachdem der Mexikaner positiv auf Clenbuterol getestet und für ein halbes Jahr gesperrt worden ist. Seines Erachtens würden sich die Boxfans noch lange daran erinnern und ihn in einem anderen Licht als bislang sehen. Ungeachtet der heftigen Kontroverse in den einschlägigen Medien ist jedoch keineswegs abzusehen, wie das breitere Boxpublikum auf die sogenannte Affäre reagiert. Ob die Zuschauer "Canelo" fortan die kalte Schulter zeigen, ihm gewissermaßen vergeben oder möglicherweise überhaupt nicht mitbekommen haben, daß er über einen Dopingtest gestolpert ist, kann niemand mit Sicherheit sagen. Erst beim Kampf gegen Gennadi Golowkin Mitte September werden die Zuschauerzahlen und Reaktionen des Publikums näheren Aufschluß darüber geben, ob der Mexikaner an Popularität eingebüßt hat.

Möglicherweise will Eddie Hearn mit diesem Seitenhieb gegen "Canelo" schlichtweg der Konkurrenz im Mittelgewicht eins auswischen, um seinen Boxer Daniel Jacobs aufzuwerten. Dieser befinde sich in der ausgezeichneten Situation, unter mehreren namhaften Gegnern wählen zu können. Ein Superstar ist der New Yorker dennoch nicht, auch wenn sein Promoter dies immer wieder geltend macht. Zwar könnte Jacobs mit einem Sieg über Sulecki das Anrecht erwerben, sich abermals mit Golowkin zu messen. Wann dieser Kampf ausgetragen würde, steht jedoch in den Sternen. Als die beiden im März 2017 erstmals aufeinandertrafen, gaben die Zahlen im Pay-TV keinen Anlaß zu Freudensprüngen. Daher dürfte Golowkins Promoter Tom Loeffler wenig geneigt sein, es ein zweites Mal mit Jacobs zu tun zu bekommen.

Davon abgesehen bediente sich der New Yorker aller erdenklichen Tricks, um sich Vorteile zu verschaffen. Er ließ das zweite Wiegen am Morgen des Kampftags ausfallen, legte durch Rehydrieren enorm an Gewicht zu, wechselte während des Kampfs ständig die Auslage und lief zunächst sechs Runden lang weg. Das bewahrte ihn zwar davor, wie sämtliche Herausforderer des Kasachen seit 2008 vorzeitig zu verlieren, reichte aber längst nicht für einen Sieg. Gennadi Golowkin gewann verdient nach Punkten, auch wenn Jacobs später behauptete, er sei der bessere Boxer gewesen. Die Zuschauer waren jedenfalls nicht gerade begeistert, statt des erwarteten spannungsgeladenen und turbulenten Kampfs langweilige Laufeinlagen zu sehen bekommen. [1]

Das weiß natürlich auch Eddie Hearn, der dennoch unbeirrt der Aufgabe gerecht wird, Werbung für seinen Boxer und seine erste große Veranstaltung in den USA zu machen. Daniel Jacobs müsse eine Vorstellung geben, nach der er auf die Ringseile steigen und seinen Triumph in die Menge hinausschreien könne. Im Kampf mit Luis Arias habe Jacobs jede einzelne Runde gewonnen und demonstriert, daß er auf Weltklasseniveau boxe, so Hearn. Das ist denn doch reichlich übertrieben, da Daniel Jacobs zuletzt bei seinem Sieg über Peter Quillin im Dezember 2015 eine mitreißende Vorstellung gegeben und sich bereits in der ersten Runde durchgesetzt hat. Seither hat er sich nur gegen den alternden Sergio Mora und Luis Arias durchgesetzt, was in beiden Fällen kein Grund war, in überschäumende Freude auszubrechen. Wollte Jacobs die Fans wirklich beeindrucken, müßte er sich in den Tat mit Jermall Charlo oder Sergej Derevjanschenko messen, was ihm eher nicht gut bekommen würde.

Zugleich versucht Eddie Hearn, Maciej Sulecki als gefährlichen Kontrahenten zu verkaufen. Der Pole werde weithin unterschätzt, obgleich er ein zäher Gegner sei. Daß Experten und Publikum Sulecki für einen krassen Außenseiter halten, dürfte jedoch vor allem darauf zurückzuführen sein, daß er normalerweise im Halbmittelgewicht antritt. Das wirft die Frage auf, warum der britische Promoter keinen anspruchsvollen Mittelgewichtler für Jacobs aufgetrieben hat, wenn dieser denn ein Superstar seines Limits sein soll. Davon abgesehen steigt der Pole keineswegs chancenlos in den Ring, da seinem prominenten Gegner ein Glaskinn nachgesagt wird. Legt man die Schläge zugrunde, die Sulecki im Jahr 2016 Hugo Centeno versetzt hat, muß Jacobs jederzeit auf der Hut sein, keinen Volltreffer einzufangen, der ihn von den Beinen holt. Sollte sich sein Promoter solche Sorgen machen, hält er damit natürlich hinter dem Berg. In der zweiten Maiwoche werde er etwas bekanntzugeben haben, das die Spielregeln ändert, so Eddie Hearn. Man darf gespannt sein!


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/hearn-wants-to-sign-jermall-and-jermell-charlo/#more-261813

28. April 2018


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