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MELDUNG/2262: Supermittelgewicht - Ernte verhagelt ... (SB)



George Groves muß um seine Finalteilnahme bangen

Der britische Supermittelgewichtler George Groves läuft Gefahr, seinen Platz im Finale der hochdotierten World Boxing Super Series zu verlieren, in dem er auf seinen Landsmann Callum Smith treffen sollte. Dem Vernehmen nach planen die Organisatoren des Turniers, ihn im Zweifelsfall durch Chris Eubank zu ersetzen, den er im Halbfinale am 17. Februar in Manchester einstimmig nach Punkten besiegt hatte. Dabei verletzte er sich jedoch an der linken Schulter, worauf der ursprünglich im Frühjahr angesetzte Finalkampf auf den Sommer verschoben wurde. Nun hat ihm die Turnierleitung eine Frist von zehn Tagen gesetzt, den Nachweis zu erbringen, daß er gesundheitlich in der Lage ist, zum Finale anzutreten. Auf welche Weise er das bewerkstelligen könnte, blieb offen, so daß wohl ein entsprechendes ärztliches Attest gefordert ist. Viel Zeit bleibt dem 30 Jahre alten WBA-Weltmeister ohnehin nicht, die Schulter vollständig auszukurieren, das Training aufzunehmen und wieder ohne Einschränkungen boxen zu können. Steigt er zu früh in den Ring, könnte eine erneute Verletzung seine Karriere auf lange Sicht in Mitleidenschaft ziehen. [1]

Groves hatte sich am 27. Mai 2017 durch einen Sieg über den Russen Fedor Tschudinow in der sechsten Runde den vakanten Titel der WBA im Supermittelgewicht gesichert. Er gehörte im Turnier zu den gesetzten Akteuren und suchte sich als Gegner im Viertelfinale seinen britischen Landsmann Jamie Cox aus, den er am 14. Oktober 2017 in London durch einen Körpertreffer in der vierten Runde ausschaltete. Im Februar kugelte sich Groves dann im Kampf gegen Chris Eubank zu Beginn der zwölften Runde den linken Arm im Schultergelenk aus. Trotz dieser gravierenden Beeinträchtigung hielt er die drei Minuten bis zum Schlußgong durch und rettete damit seinen deutlichen Vorsprung auf den Zetteln der Punktrichter ins Ziel. Es ist natürlich nicht auszuschließen, daß sich seine Verletzung dadurch verschlimmert hat. Mit einer Bilanz von 28 Siegen und drei Niederlagen wahrte der Brite zu diesem Zeitpunkt seine Chance, auch am Finale des Turniers teilnehmen zu können. In Videosequenzen jüngeren Datums, die Groves beim Training zeigen, wirkt sein linker Arm jedoch noch etwas geschwächt. Da er stets für einen guten Jab bekannt war, steht und fällt seine Einsatzbereitschaft mit der vollen Wiederherstellung der Linken. [2]

Der Ablauf des Turniers war schon zuvor beeinträchtigt worden, als Callum Smiths Halbfinalgegner Jürgen Brähmer krankheitsbedingt absagen mußte. Da für solche Fälle Ersatz eingeplant war, stand Nieky Holzken bereit, mit dem Smith jedoch allzu leichtes Spiel hatte. Der ehemalige Kickboxer aus Südafrika war dem Publikum weithin unbekannt und dem Briten so wenig gewachsen, daß man sich einen wesentlich stärkeren Kandidaten wie Gilberto Ramirez, David Benavidez, Tyron Zeuge, Jesse Hart oder Jose Uzgategui gewünscht hätte. James DeGale, der zeitweise als bester Akteur dieser Gewichtsklasse gehandelt wurde, fällt nicht mehr unter diese Rubrik, seit ihn das hart erkämpfte Unentschieden gegen Badou Jack im vergangenen Jahr viel Substanz gekostet hat.

Nach den Worten Kalle Sauerlands wird man in Kürze wissen, ob George Groves zum Finale antreten kann. Sollte das nicht der Fall sein, biete sich ersatzweise eine Lösung aus dem Kreis der Turnierteilnehmer wie Eubank an. Ohne dessen Qualitäten in Abrede zu stellen, mutet es doch recht merkwürdig an, daß offenbar ein Akteur für das Finale nachnominiert werden könnte, der in der Zwischenrunde klar gegen Groves verloren hat. Vielen Zuschauern dürfte noch in Erinnerung sein, daß der Champion nicht viel mehr als seinen Jab brauchte, um Eubank in die Schranken zu weisen.

Dem Vernehmen nach zeigt sich Jose Uzcategui interessiert, für den WBA-Champion einzuspringen, und er wäre sicher mehr als ein bloßer Notnagel, da ihm aufgrund seiner Größe, Beweglichkeit und Schlagwirkung sogar ein Sieg über Callum Smith zuzutrauen ist, käme es denn zu diesem Duell. Der 27jährige in Mexiko lebende Venezolaner, für den 27 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen, wäre sicher eine bessere Wahl als Chris Eubank.

Um den Turniermodus kompakt abzuwickeln, wollen die Organisatoren der World Boxing Super Series das Finale spätestens im Sommer über die Bühne bringen und nicht bis zum Herbst oder gar ins nächste Jahr vertagen. Das bringt George Groves in Bedrängnis, der als Favorit des Wettbewerbs ins Rennen gegangen war nun womöglich ausscheiden muß, bevor er die Ernte eingefahren hat. Das Turnier wird parallel im Supermittelgewicht und im Cruisergewicht ausgetragen, wobei auch im höheren Limit eine verletzungsbedingte Verschiebung der geplanten Abwicklung in die Quere kam. WBC/WBO-Weltmeister Oleksandr Ussyk, der im Finale auf den WBA/IBF-Champion Murat Gassijew trifft, fiel aufgrund einer Verletzung am Ellbogen einige Zeit aus, so daß der Abschluß des Turniers auch hier bis zum Sommer auf sich warten läßt.

Die mit insgesamt 50 Millionen Dollar Preisgeld dotierte World Boxing Super Series wird von den Promotern Richard Schaefer und Kalle Sauerland für die Schweizer Comosa AG organisiert, ein Unternehmen mit Anteilshaltern aus dem Marketing, Fernsehen und Boxen. Legendärer Vorläufer dieses Formats war das Super-Six-Turnier, welches zwischen 2009 und 2011 unter der Regie des Senders Showtime die internationale Elite im Supermittelgewicht aus Europa und den USA zusammenführte. Das damalige Turnier war reich an Überraschungen und Unwägbarkeiten, was auch mit seiner langen Dauer zusammenhing. Verletzungen und andere krankheitsbedingte Ausfälle sorgten dafür, daß das Teilnehmerfeld zwischenzeitlich mit neuen Akteuren aufgefüllt werden mußte. Nicht von ungefähr hatten die Veranstalter diesmal eine sehr enge Taktfolge vorgesehen, um die Gefahr unverhoffter Rückschläge zu verringern und das Publikumsinteresse wachzuhalten.

Beim aktuellen Turnier kämpften jeweils acht Teilnehmer im Supermittelgewicht und Cruisergewicht paarweise gegeneinander, wobei der Sieger die nächste Runde erreichte. Das Cruisergewicht war mit den vier amtierenden Weltmeistern der Verbände WBA, WBC, WBO und IBF sowie zwei früheren Titelträgern deutlich stärker besetzt als das Supermittelgewicht, in dem WBO-Champion Gilberto Ramirez aus Mexiko und der damalige britische IBF-Weltmeister James DeGale fehlten. Von den deutschen Akteuren waren die ehemaligen Weltmeister Marco Huck, Arthur Abraham und Jürgen Brähmer mit von der Partie, wobei Abraham bereits in einer Qualifikation an Chris Eubank scheiterte und Huck in der ersten Runde des Turniers gegen Oleksandr Ussyk den kürzeren zog.

Der Austragungsmodus des neu konzipierten Turniers sah vor, daß sich die vier in jeder der beiden Gewichtsklassen gesetzten Akteure ihre ersten Gegner aus einem Pool schwächerer Kandidaten aussuchen konnten. Aufgrund dieser Konstellation blieben zum Auftakt Überraschungen aus. Spannend wurde es hingegen im Halbfinale, da gesetzte Boxer aufeinandertrafen. Die ursprüngliche Planung sah vor, die Viertelfinalkämpfe im September und Oktober 2017, die Halbfinals im Januar und Februar 2018 auszutragen und die Sieger in beiden Gewichtsklassen im Mai 2018 zu küren. Diese können mehr als zehn Millionen Euro einstreichen und werden zudem mit der Muhammad-Ali-Trophy geehrt, einer Trophäe, die wie der Fifa WM-Pokal von dem inzwischen verstorbenen italienischen Bildhauer Silvio Gazzaniga entworfen wurde.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/05/groves-has-10-days-to-prove-hes-fit-to-fight-callum-smith-in-wbss-finals/#more-262691

[2] www.boxingnews24.com/2018/05/groves-rumored-to-be-replaced-by-eubank-jr-in-wbss-finals/

12. Mai 2018


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