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MELDUNG/2331: Schwergewicht - Machtkampf um Millionen ... (SB)



Deontay Wilder schlägt hochdotiertes Angebot von DAZN aus

Deontay Wilder, Weltmeister des WBC im Schwergewicht aus Tuscaloosa in Alabama, hat ein hochdotiertes Angebot des Streamingdienstes DAZN über drei Kämpfe ausgeschlagen. Da diese Offerte zwei Duelle mit seinem britischen Erzrivalen Anthony Joshua einschloß, wird das seit Jahren geforderte Aufeinandertreffen der beiden führenden Akteure der Königsklasse abermals auf unabsehbare Zeit vertagt. Dies erklärt den Unmut der beiderseitigen Fangemeinde wie auch das weithin laut gewordene Unverständnis der Experten angesicht einer weit geöffneten Tür, die der US-Amerikaner wieder zugeschlagen hat.

Nun hat Wilder die maßgeblichen Gründe für seinen Rückzug von dieser Option dargelegt und dabei Argumente angeführt, die nicht von der Hand zu weisen sind. Seinen Angaben zufolge verweigerte ihm DAZN die Auskunft, welche Summe Joshua für einen Kampf gegen ihn bekäme. Diese Information war dem WBC-Champion deshalb wichtig, weil er nur so sicherstellen könnte, das von ihm geforderte Verhältnis von 50:50 auch tatsächlich zu erzielen und nicht etwa finanziell über den Tisch gezogen zu werden. Wenngleich die Verantwortlichen beim Streamingdienst natürlich ein Geschäftsgeheimnis geltend machen könnten, ist es im professionellen Boxsport doch absolut üblich, die prozentuale Aufteilung und Höhe der beiderseitigen Börsen und gegebenenfalls weiteren Einkünfte offenzulegen. Daß Wilder diese Angaben vorenthalten wurden, nährt zumindest seinen Verdacht, daß Joshua im Rahmen dieser Vereinbarung erheblich mehr erhalten sollte.

Deshalb beharrt er auf Transparenz und betont abermals, er werde sich keinesfalls unter Wert verkaufen. Diese Hartnäckigkeit hat eine lange Vorgeschichte, da ihn Joshuas Promoter Eddie Hearn immer wieder mit anfangs geradezu lächerlichen und auch später nie gleichwertigen Angeboten hingehalten hat. Hearn dürfte es durchweg um weit mehr gehen, als Wilders Einkünfte möglichst niedrig und damit den Ertrag Joshuas sowie seinen eigenen Anteil entsprechend zu steigern. Zum einen ist er bestrebt, mit dem WBC-Weltmeister den gefährlichsten Gegner auf Abstand zu halten, zum anderen baut er seinen Einfluß auf dem britischen und längst auch dem US-amerikanischen Markt Zug um Zug aus. Dank eines Vertrags mit DAZN, der ihm im Verlauf von zehn Jahren bis zu einer Milliarde Dollar einbringen könnte, gleicht er einem getriebenen Antreiber, der unablässig expandieren will und muß, um sein Kontingent an Veranstaltungen diesseits und jenseits des Atlantiks voll auszuschöpfen.

Wilder hat dem Vernehmen nach gut 100 Millionen Dollar für drei Kämpfe ausgeschlagen, die ihm ein Kontrakt mit DAZN eingebracht hätte. Das mutet auf den ersten Blick aberwitzig an, da er auf diese Weise ungleich mehr als je zuvor in seiner Karriere einstreichen könnte. Andererseits dürfte ein einziger Kampf gegen Joshua insgesamt 100 Millionen generieren, so daß er im Falle einer Aufteilung der Einkünfte zu gleichen Teilen mit 50 Millionen Dollar rechnen könnte, während ihm das Paket von DAZN über drei Auftritte deutlich weniger in Aussicht gestellt hätte. Der US-Amerikaner wird nun mit dem Sender Showtime verhandeln, der kaum umhin kommen dürfte, ihm ein ähnlich hohes Angebot wie der Streamingdienst vorzulegen. Zugleich hätte Wilder damit vermutlich freie Hand, im Falle von Kämpfen gegen Joshua oder dessen Landsmann Tyson Fury mit anderen Diensten zusammenzuarbeiten.

Unterdessen will Eddie Hearn den WBC-Champion offenbar zwingen, seinen Titel gegen Dillian Whyte zu verteidigen, der bei ihm unter Vertrag steht. Der britische Promoter ist bereits mit WBC-Präsident Mauricio Sulaiman zusammengetroffen, um ihn zu veranlassen, Whyte zum Pflichtherausforderer des Siegers im Kampf zwischen Deontay Wilder und Dominic Breazeale zu erklären, der am 18. Mai über die Bühne geht. Sollte es dazu kommen und Whyte gegen den WBC-Weltmeister gewinnen, hätte Matchroom Boxing auch den vierten Titel im Schwergewicht in den eigenen Reihen, da Anthony Joshua Champion der Verbände WBA, WBO und IBF ist. Zugleich könnte Wilder als entthronter Weltmeister nicht länger die Hälfte der Einkünfte in einem Kampf gegen Joshua für sich beanspruchen. Auch stünde es Hearn dann frei, Joshua und Whyte gegeneinander um alle vier Gürtel kämpfen lassen.

Vermutlich wird Mauricio Sulaiman dem Wunsch Eddie Hearns entsprechen und ihm damit den Weg zur Umsetzung seiner Pläne freimachen. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, daß Wilder gegen Whyte verlieren könnte. Dieser war in zwei Kämpfen kaum besser als sein Landsmann Dereck Chisora, auf dessen Niveau er in etwa einzustufen sein dürfte. Eine Niederlage würde Dillian Whytes ohnehin künstlich hochgetriebenen Wert in den Keller sacken lassen, so daß wohl zwei bis drei Jahre erforderlich wären, um ihn wieder aufzubauen. Solange hatte es jedenfalls nach seiner vorzeitigen Niederlage gegen Anthony Joshua im Dezember 2015 gedauert, bis die britische Fangemeinde diesen Rückschlag vergessen hatte. Sein Promoter plazierte ihn als Torwächter Joshuas und schlug Wilder vor, zunächst diese Aufgabe zu bewältigen, ehe er an einen Kampf gegen den Weltmeister denken könne. Der WBC-Champion sah sich zu Recht zu einem Kandidaten herabgewürdigt, der sich erst noch qualifizieren müsse, und wies dieses Ansinnen zurück.

Wie Wilder heute argumentiert, habe er den wertvollsten und prestigeträchtigsten aller vier Gürtel in seinem Besitz, der nicht weniger bedeutend als Joshuas drei Trophäen zusammengenommen sei. Damit kontert er das Argument der Briten, sie besäßen mehr Titel und müßten deshalb den Löwenanteil der Einkünfte bekommen. Hearns weitestgehendes Angebot war schließlich eine Aufteilung der Börse im Verhältnis 60:40 sowie eine Revanche, doch der US-Amerikaner ließ sich nicht breitschlagen und beharrte auf 50:50. Sollten Joshua und Hearn nicht darauf eingehen, müßten sie eben auf den WBC-Titel verzichten. Inzwischen hat der britischer Promoter mit der ominösen Andeutung nachgelegt, sein Boxer werde womöglich zum Jahresende die Gürtel zurückgeben, zumal deren Komplettierung aufgrund von Wilders Rückzug nach der Offerte von DAZN abermals in den Sternen stehe. Wie viele andere Äußerungen in dieser Kontroverse muß man auch diese Ankündigung nicht für bare Münze nehmen, handelt es sich doch in erster Linie um verbale Winkelzüge und Finten im unausgesetzten Krieg der Worte.

Die Karten wurden zwischenzeitlich neu gemischt, als sich Tyson Fury überraschend bereiterklärte, im Dezember gegen Deontay Wilder anzutreten, und dabei in Los Angeles ein kaum erwartetes Unentschieden erzwang. Ein Rückkampf wurde für Mai vereinbart und versprach noch höhere Einkünfte als das erste Aufeinandertreffen, bis Fury plötzlich einen hochdotierten Vertrag bei Bob Arum (Top Rank) und dessen Haussender ESPN unterschrieb, womit Deontay Wilder vorerst kein Thema mehr war. Das schien Eddie Hearns Position insofern zu stärken, als Wilder und Fury zusammen die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich gezogen hatten und Joshua fast schon die zweite Geige zu spielen schien. Andererseits kann Hearn nun nicht mehr darauf hoffen, daß Fury womöglich im zweiten Anlauf Wilder doch noch ein Bein stellt, so daß Anthony Joshua sicher vor ihm wäre. [1]

Zunächst einmal nimmt Deontay Wilder aber Dominic Breazeale ins Visier und läßt sofort sein Talent aufblitzen, mit markigen Worten Werbung für ihren Kampf zu machen. Es sei viel böses Blut im Spiel, was ihren Auftritt zu einer aufregenden und intensiven Begegnung machen werde. Wie jeder wisse, steige er ohnehin jedesmal mit der Entschlossenheit in den Ring, seinen Gegner buchstäblich fertigzumachen. Er rate Breazeale daher dringend, die verblieben Tage nach Kräften zu genießen, da er ihn mit einem Donnerschlag auf die Bretter schicken werde. Wenngleich Wilder seinem losen Mundwerk freien Lauf läßt und nach Kräften dafür sorgt, das Publikum zu unterhalten und den Medien Futter zu liefern, ist er kein Großmaul, das nicht halten kann, was es verspricht.

Der ungeschlagene WBC-Weltmeister hat 40 Kämpfe gewonnen, davon 39 vorzeitig für sich entschieden und gegen Tyson Fury unentschieden geboxt. Von dem Briten abgesehen hielt nur der einst für seine legendären Nehmerqualitäten bekannte Bermane Stiverne beim Titelgewinn Wilders volle zwölf Runden mit dem US-Amerikaner durch, wobei sich Wilder an seinem Eisenschädel die Hand brach. Fury stürzte im letzten Durchgang gegen den WBC-Weltmeister wie vom Blitz getroffen zu Boden, wo er zunächst reglos liegenblieb. Kaum jemand hätte Anstoß daran genommen, wenn es zum sofortigen Abbruch durch den Ringrichter gekommen wäre, da der Brite bewußtlos zu sein schien. Er kam jedoch zur allgemeinen Überraschung rechtzeitig wieder auf die Beine und nutzte die kurze Erholungspause, als der Referee seine Verfassung in Augenschein nahm, ehe er den Kampf noch einmal freigab. Wilder scheute sich auch nicht, dem gefährlichen Luis Ortiz eine Chance zu geben, dem die anderen namhaften Akteure tunlichst aus dem Weg gingen. Der Kubaner lieferte ihm einen nahezu ebenbürtigen Kampf, bis auch er nach einem Volltreffer vorzeitig die Segel streichen mußte. All das macht verständlich, warum Eddie Hearn seinen prominentesten und einträglichsten Boxer seit Jahren von Deontay Wilder fernhält.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2019/03/deontay-wilder-explains-why-he-turned-down-dazn-offer/

29. März 2019


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