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MELDUNG/2332: Weltergewicht - kalkuliertes Risiko ... (SB)



Manny Pacquiao will sich mit Keith Thurman messen

Manny Pacquiao geht mit seinem geplanten Kampf gegen Keith Thurman ein kalkuliertes Risiko ein. Der reguläre WBA-Weltmeister im Weltergewicht von den Philippinen will sich am 13. Juli mit dem amtierenden Superchampion desselben Verbands messen. Wenngleich die Verträge noch nicht unterzeichnet sind, schreiten die Verhandlungen dem Vernehmen nach doch zügig voran. Ein Veranstaltungsort wurde noch nicht genannt, doch dürfte die Wahl auf das MGM Grand in Las Vegas, das Barclays Center in Brooklyn oder das Staples Center in Los Angeles fallen. Während für den 40jährigen Pacquiao 61 Siege, sieben Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche stehen, ist der zehn Jahre jüngere Thurman in 29 Auftritten ungeschlagen. Wer von beiden in diesem Duell, das vom Sender Showtime im Pay-TV übertragen wird, die Oberhand behält, dürfte gute Aussichten haben, im nächsten Schritt mit dem Sieger des Kampfs zwischen IBF-Weltmeister Errol Spence und WBC-Champion Shawn Porter in den Ring zu steigen. [1]

Sollte es dem derzeit wieder hoch im Kurs stehenden Philippiner gelingen, Thurman in die Schranken zu weisen, würde ihm dieser Erfolg auch die Tür zu einer Revanche gegen Floyd Mayweather offenhalten. Obgleich dieser bislang kein Interesse erkennen läßt, wegen Pacquiao aus dem sportlichen Ruhestand zurückzukehren, könnte ihm ein spektakulärer Erfolg seines früheren Erzrivalen samt der Aussicht auf ein weiteres hochdotiertes Spektakel womöglich einen Sinneswandel bescheren. Wie es um die Finanzen Mayweathers tatsächlich bestellt ist, bleibt Spekulationen überlassen. Kein Boxer hat jemals so viel verdient wie der US-Star aus Las Vegas, der andererseits auch mit seinen laufenden Ausgaben offenbar alles in den Schatten stellt. Jedenfalls kursieren immer wieder Gerüchte, er habe sein riesiges Vermögen aufgebraucht und deshalb nach wie vor ein offenes Ohr für einträgliche Auftritte.

Nachdem Pacquiao zunächst Interesse an einem Kampf gegen Errol Spence bekundet, dann aber einen Rückzieher gemacht hatte, lag nahe, daß er statt dessen Keith Thurman aufs Korn nehmen würde, der inzwischen als schwächster der vier Weltmeister im Weltergewicht angesehen wird. Der Philippiner hält als regulärer Champion der WBA nur den zweitrangigen Titel dieses Verbands, was jedoch insofern keine maßgebliche Rolle spielt, als es hier um Arrangements namhafter und populärer Akteure geht. Keith Thurman galt lange Zeit als führender Boxer seiner Gewichtsklasse, in der er zeitweise zwei Titel hielt. Doch nach seinem hart erkämpften Sieg im Prestigekampf gegen Danny Garcia im März 2017 zwangen ihn Verletzungen zu einer Pause von zwei Jahren, die ihm schlecht bekommen ist. Als er sich zuletzt gegen Josesito Lopez durchsetzte, wirkte er gealtert und schien einen beträchtlichen Teil seiner früheren Qualitäten eingebüßt zu haben.

In einigen Fällen ist es Boxern gelungen, nach Jahren der Abwesenheit bei ihrer Rückkehr zu überzeugen, doch handelte es sich zumeist um Akteure, die mit einer außergewöhnlicher Schlagwirkung oder sehr schnellen Händen aufwarten konnten. Sehr viel häufiger führt jedoch eine längere Unterbrechung des Trainings und der Ringpraxis zu Einbußen, die nicht mehr wettzumachen sind. Hinzu kommen natürlich die Verletzungsfolgen, die mit dauerhaften Einschränkungen verbunden sein können.

Mayweather bereist derzeit die Philippinen, doch aus anderen Gründen, wie es heißt. Dennoch nahm er die Gelegenheit wahr, mit Pacquiao zusammenzutreffen, was alles oder nichts bedeuten kann. Der US-Star ist überaus erfahren darin, Signale zu streuen, die alle Welt über seine Pläne rätseln läßt. Nähme man ihn beim Wort, würde er nie wieder gegen Pacquiao antreten, was aber nur dann mit Sicherheit zuträfe, sollte dieser gegen Thurman mit Pauken und Trompeten verlieren. Floyd Mayweather ist genau genommen schon lange aus dem Geschäft, da er seinen letzten regulären Boxkampf im Jahr 2015 gegen Andre Berto ausgetragen und sich dann mit 49 gewonnenen Kämpfen verabschiedet hat. Den 50. Sieg seiner überaus erfolgreichen Karriere feierte er später gegen Conor McGregor aus den Mixed Martial Arts - eine Meisterleistung der Vermarktung, doch zwangsläufig eine Farce im Ring, da der Ire erstmals nach Boxregeln antrat und letzten Endes chancenlos war. Zuletzt bestritt Mayweather einen hochdotierten Showauftritt gegen einen jungen Japaner, den er gleich in der ersten Runde geschlagen zu Boden schickte.

Manny Pacquiao und Floyd Mayweather werden beide nicht jünger und müßten sich daher schon sehr beeilen, um einander einen Kampf auf akzeptablem Niveau zu liefern. Würde Mayweather jetzt in die Bresche springen und Pacquiao von einer sofortigen Revanche überzeugen, hätte Keith Thurman das Nachsehen, worüber sich das Publikum aber kaum beklagen würde. Die Aussicht, die beiden ein allerletztes Mal zusammen im Ring zu erleben, würde mehr als nur nostalgische Gefühle wachrufen und die Kassen abermals klingeln lassen. Das entscheidende Hindernis dürfte indessen sein, daß der Philippiner nach wie vor aktiv und in jüngerer Zeit wieder gut in Form ist, während Mayweather gegen den als Boxer unerfahrenen McGregor von seiner Routine zehren konnte. Er dürfte kaum geneigt sein, sich wegen Pacquiao noch einmal der Tortur einer umfassenden Vorbereitung zu unterziehen und dennoch Gefahr zu laufen, am Ende seine erste Niederlage zu kassieren, weil der Philippiner womöglich in besserer körperlicher Verfassung ist.

Doch all das sind ohnehin nur Gedankenspiele, die allerdings oftmals reizvoller als die Kämpfe selber sind, die bekanntlich in großen Abständen ausgetragen werden. Akteure von Weltklasse steigen zwei- oder dreimal jährlich in Ring, einige sogar viermal, was aber schon die große Ausnahme ist. Verzögern sich Auftritte, wofür es diverse Gründe gibt, liegt schnell ein halbes Jahr oder mehr dazwischen. Also wird viel und ausgiebig spekuliert und prognostiziert, gelobt und provoziert, unablässig nach Neuigkeiten gesucht und seien sie noch so fiktiv. So ließe sich denn hinzufügen, daß Pacquiao eine Menge Geld verdienen könnte, stiege er denn mit dem in 25 Auftritten ungeschlagenen Errol Spence in den Ring. Der gilt jedoch zu Recht als bester Boxer des Weltergewichts und würde den Philippiner vermutlich vor unlösbare Probleme stellen. Spence hat bei seinem jüngsten Sieg über Mikey Garcia im März abermals Qualitäten an den Tag gelegt, die ihn eine Etage über Pacquiao wie auch Keith Thurman ansiedeln.

Thurman war früher sehr populär, doch hat seine lange Abwesenheit das Interesse des breiteren Publikums schwinden lassen, zumal er bei seiner Rückkehr im Kampf gegen Josesito Lopez einen recht fragilen Eindruck hinterließ. Pacquiao hatte sich im Januar mit Adrien Broner einen ehemaligen Weltmeister in vier Gewichtsklassen ausgesucht, der den Zenit seines Könnens definitiv überschritten hat. Dies war insofern eine seltsame Wahl, als Broner seit zwei Jahren keinen Kampf mehr gewonnen und sich auch 2017 gegen Adrian Granados nur umstritten durchgesetzt hatte. Dennoch erfreut er sich nach wie vor einer beträchtlichen Popularität und gilt als eine Art Reizfigur, was wiederum nachvollziehbar macht, warum sich der Philippiner für ihn entschieden hatte. Manny Pacquiao bot sich die Gelegenheit, mit einem noch immer recht prominenten Kontrahenten in den Ring zu steigen, der ihm nicht mehr das Wasser reichen konnte.

Keith Thurman dürfte zwar stärker als Broner einzuschätzen sein, doch mehren sich die Anzeichen, daß der WBA-Superchampion inzwischen mit vielen anderen Dingen beschäftigt ist und sich nicht mehr voll und ganz auf seine Zukunft im professionellen Boxsport konzentriert. Der Philippiner begegnet ihm offenbar in einem günstigen Augenblick, da Thurmans Stern noch nicht gesunken, er aber längst nicht mehr so durchsetzungsfähig wie in der Vergangenheit ist.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2019/04/pacquiao-taking-on-thurman-on-july-13-on-ppv/

5. April 2019


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