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MELDUNG/2336: Schwergewicht - rüsten für die Kanonade ... (SB)



Deontay Wilder trifft auf Dominic Breazeale

Deontay Wilder hat sich den Kampf gegen Dominic Breazeale nicht gerade ausgesucht. Da er jedoch WBC-Weltmeister im Schwergewicht und sein US-amerikanischer Landsmann derzeit Pflichtherausforderer bei diesem Verband ist, macht der Champion aus Tuscaloosa in Alabama eben aus der Not eine Tugend. Beide geben sich Mühe, ordentlich die Werbetrommel für ihren Auftritt zu rühren, der am 18. Mai im Barclays Center in Brooklyn über die Bühne geht und vom Sender Showtime übertragen wird. Zweifellos steigt Wilder, der 40 Kämpfe gewonnen und einen unentschieden beendet hat, in New York als Favorit in den Ring, zumal er 39 Gegnern vorzeitig das Nachsehen gegeben hat. Breazeale kann mit 21 Siegen und einer Niederlage aufwarten, wobei er durchaus zu den anspruchsvollsten Kandidaten gehört, die auf das prominente Führungstrio mit Deontay Wilder, Anthony Joshua und Tyson Fury folgen. Beide sind 33 Jahre alt und mit 2,01 m von imposanter Statur, wobei der Herausforderer gut 15 kg mehr als der Weltmeister auf die Waage bringen dürfte, da Wilder bei seinen Auftritten unter 100 kg zu bleiben pflegt.

Dominic Breazeale ist sich natürlich darüber im klaren, daß er dem wortgewandten Weltmeister bei der Werbung für ihr Duell tunlichst zur Seite stehen sollte, zumal der kommerzielle Erfolg mittelbar auch seine Taschen füllt. Also kündigt er nicht nur einen Sieg, sondern sogar eine Sensation an, da er den Champion geschlagen auf die Bretter schicken und die Fangemeinde schwer beeindrucken werde. Sollte dem Herausforderer aus Eastvale in Kalifornien dieses Kunststück aber tatsächlich gelingen, brächte ihm das nicht allein den begehrten WBC-Titel, sondern darüber hinaus höchstwahrscheinlich einen lukrativen Vereinigungskampf gegen Anthony Joshua ein. Der Brite hat die Gürtel der Verbände WBA, WBO und IBF in seinem Besitz, so daß ihm nur noch die vierte Trophäe fehlt, um seine Sammlung zu komplettieren. Ein Duell der Weltmeister gegen Deontay Wilder ist zwar seit Jahren im Gespräch, scheiterte aber regelmäßig an den finanziellen Angeboten von Joshuas Promoter Eddie Hearn, der dem WBC-Champion nicht die Hälfte der Einkünfte zugestehen will. Es handelt sich um einen Machtkampf, ein Feilschen um die Höhe der Börsen, letzten Endes aber um ein strategisches Manöver des britischen Promoters, seinen wichtigsten Boxer von dem gefährlichsten Gegner fernzuhalten.

Für Dominic Breazeale wäre ein Gang mit Anthony Joshua eine Revanche, da er bei seinem ersten Kampf um die Weltmeisterschaft im Jahr 2016 gegen den Briten verloren hat. Wenn er in wenigen Tagen mit Wilder im Ring steht, will er nicht dieselben Fehler wie damals machen, versichert der Herausforderer. Er habe bei dieser einen Niederlage gegen Joshua mehr gelernt als während seiner gesamten übrigen Amateur- und Profilaufbahn zusammengenommen, überzeichnet er die Bedeutung des damaligen Rückschlags zu einem prägenden Ereignis auf seinem sportlichen Lebensweg. Was er damals gelernt haben will, führt er allerdings nicht näher aus, weshalb seine Erklärung recht verloren im Raum stehenbleibt.

Vermutlich hat der mögliche Lerneffekt etwas damit zu tun, daß Breazeale es im Kampf gegen den Briten weitgehend vermied, seine Fäuste gehörig mitsprechen zu lassen. Er schlug damals schlichtweg viel zu wenig und überließ damit dem Weltmeister das Feld, der ihn Schritt für Schritt zermürben und schließlich in der siebten Runde vorzeitig besiegen konnte. Mit seinem heimischen Publikum im Rücken, das ihn frenetisch anfeuerte, war Joshua in der Londoner O2 Arena von Beginn an Herr im Ring, während der US-Amerikaner den Eindruck erweckte, es habe ihn jähe Furcht ergriffen. Der Favorit deckte ihn gleich in der ersten Runde mit einigen schweren Treffern ein, worauf der Herausforderer regelrecht paralysiert wirkte und in der Folge immer weiter ins Hintertreffen geriet.

Das darf ihm gegen Deontay Wilder kein zweites Mal passieren, und so kündigt er der gesamten Fangemeinde eine eindrucksvolle Darbietung an. Für gewöhnlich dränge er nicht auf einen Niederschlag, der sich eher aus der Gemengelage ergebe. Diesmal werde er jedoch dafür sorgen, daß der Champion nicht wieder aufsteht, verkündete der Herausforderer bei einer Pressekonferenz. Diese doppeldeutige Aussage erfolgte offenbar in Reaktion auf Wilders jüngste Äußerung, er habe nicht das geringste Mitleid mit einem Gegner, der im Kampf mit ihm das Zeitliche segne. Sollte Breazeale den Ring nicht lebend verlassen, gebe es nichts zu bedauern, da dies nun einmal Boxen und ihr beiderseitiges Gewerbe sei, für das sie sich in Kenntnis möglicher Gefahren entschieden hätten. Mit solchen martialisch-morbiden Einlassungen sorgt Wilder für Schlagzeilen, da er sich gezielt im Ton vergreift und insbesondere von seinem zumeist gesittet auftretenden Erzrivalen Anthony Joshua abhebt. Im Nebenlauf schüchtert er womöglich seinen kommenden Gegner ein, bei dem vielleicht doch das eine oder andere hängenbleibt, was der Champion im Vorfeld an Drohungen ausgestoßen hat.

Um diesen Kampf zu gewinnen, müßte Breazeale am 18. Mai vermutlich schon einen sehr schnellen Start hinlegen, da es Wilder in aller Regel langsam angehen läßt und erst nach vier oder fünf Runden in Fahrt kommt. Sofern der WBC-Champion überhaupt besiegt werden kann, dann am ehesten in der Anfangsphase. Darauf verlassen kann sich sein Gegner indessen nicht, wie die frühen Siege des Weltmeisters gegen Sergej Liachowitsch, Malik Scott und Bermane Stiverne belegen, die alle bereits in der ersten Runde die Segel streichen mußten. Breazeale kann mit einer beachtlichen Schlagwirkung aufwarten, der Epifanio Mendoza, Billy Zumbrun und Izuagbe Ugonoh nicht lange standhielten. In allen drei Fällen sah er sich mit heftigen Angriffen konfrontiert, denen er sofort etwas entgegensetzen mußte. [1]

Deontay Wilder ist jedoch von einem anderen Kaliber als diese drei Gegner, wobei die Präzision seiner Schläge im Kampf gegen Tyson Fury, der im Dezember 2018 in Los Angeles stattfand, zu wünschen übrigließ. Der Champion schlug elf Runden lang viele Löcher in die Luft, was jedoch in erster Linie darauf zurückzuführen war, daß der 2,06 m große und ständig weit auspendelnde Brite schwer zu treffen ist. Erst in der zwölften Runde erwischte Wilder den Gegner mit einem Volltreffer, der Fury auf die Bretter schickte, wo er sekundenlang reglos liegenblieb. Der Ringrichter brach jedoch nicht ab, worauf sich der Herausforderer überraschend wieder erhob und den Kampf fortsetzen konnte, der mit einem Unentschieden endete. Spekulationen, Wilder komme allmählich in die Jahre und habe deswegen seine frühere Treffsicherheit eingebüßt, könnten bereits beim kommenden Auftritt auf der Müllhalde landen. Jedenfalls sollte Breazeale nicht darauf setzen, daß ihn der Weltmeister mit seiner gefürchteten Rechten dauerhaft verfehlt.

Der WBC-Champion hat bislang alle Kontrahenten bis auf Bermane Stiverne in ihrem ersten Kampf 2015 und zuletzt Tyson Fury vorzeitig besiegt. Gegen den in Las Vegas lebenden Kanadier brach er sich nach vier Runden die rechte Hand, so daß er die folgenden acht Durchgänge mehr oder minder mit einem Arm bestreiten mußte, aber dennoch einstimmig nach Punkten Kampf und Titel gewann. Bei der Revanche im November 2017 machte Wilder dann kurzen Prozeß und schlug den kaum Gegenwehr leistenden Kanadier bereits in der ersten Runde dreimal nieder, worauf der Kampf noch vor der Pause beendet war. So schnell wird es gegen Breazeale sicher nicht gehen, so daß sich das Publikum auf einen unterhaltsamen und wohl auch nicht allzu einseitigen Auftritt im Barclays Center freuen kann.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2019/05/breazeale-i-want-to-ko-wilder-to-impress-the-fans/

12. Mai 2019


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