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PROFI/501: Marco Huck erkämpft knappen Sieg über Denis Lebedew (SB)



Trotz gebrochener Rippen taktische Marschroute durchgesetzt

Vor 5.000 Zuschauern in der ausverkauften Berliner Max-Schmeling-Halle hat Marco Huck den Titel der WBO im Cruisergewicht erfolgreich verteidigt. Der 26jährige Weltmeister aus dem Sauerland-Boxstall setzte sich knapp mit 2:1 Punkten (115:113, 115:113, 112:116) gegen den Pflichtherausforderer Denis Lebedew aus Rußland durch und verbesserte damit seine Profibilanz auf 31 Siege und eine Niederlage. Damit konnte der in Berlin lebenden Champion, der seit August 2009 Weltmeister ist, auch seine fünfte Titelverteidigung mit einem Sieg über die Bühne bringen. Der fünf Jahre ältere Lebedew mußte im 22. Kampf die erste Niederlage hinnehmen.

Denis Lebedew erwies sich wie erwartet als gefährlicher Gegner und forderte Huck eine enorme kämpferische Leistung ab. Da sich der Titelverteidiger in der vierten Runde offenbar einen Rippenbruch zugezogen hatte, die den weiteren Kampfverlauf zu einer Tortur machte, ist sein Durchhaltevermögen um so höher zu bewerten.

Der Herausforderer war unablässig bemüht, vorwärts zu marschieren und Druck zu machen, wobei vor allem sein linker Haken für Gefahr sorgte. Dies zwang Huck dazu, entgegen seiner üblichen Kampfesweise zumeist im Rückwärtsgang zu agieren. Während der Russe wesentlich häufiger schlug, gelangen dem Weltmeister die klareren Einzelaktionen. Dabei vermochte Huck aber nur selten, den kompakt boxenden und agilen Herausforderer an den Seilen zu stellen, um ihn dort mit jenen ungestümen Serien zu traktieren, die man als seine spezielle Stärke kennt.

Obgleich er sich in der vierten Runde die schwere Rippenverletzung zugezogen hatte, schickte er den Herausforderer im folgenden Durchgang zu Boden. Ringrichter Eddie Cotton hatte jedoch lediglich ein Stolpern gesehen und wertete die Situation daher nicht als Niederschlag. Lebedew, der für gewöhnlich präzise Treffer ins Ziel zu bringen versteht, gelang es nicht, Huck am Kinn zu erwischen und deutliche Schlagwirkung zu erzielen. In der sechsten und siebten Runde wurde es allerdings eng für den Weltmeister, dem die Kampfführung zunehmend zu entgleiten drohte, während der Russe entschieden zur Sache ging und auf eine vorzeitige Entscheidung drängte.

Von Trainer Ulli Wegner ausgezeichnet eingestellt und energisch angespornt fing sich der Titelverteidiger jedoch wieder, gewann in den verblieben Runden seine Übersicht zurück und setzte sich besser in Szene als sein russischer Gegner. Im neunten Durchgang zeigte sich eine kleine Rißwunde am linken Auge des Herausforderers, die jedoch keine ersichtlichen Auswirkungen auf den weiteren Kampfverlauf hatte.

Die zehnte Runde war die mit Abstand beste des Weltmeisters, der mit der rechten Schlaghand einige Male voll durchkam und dem Russen einen Cut unter dem rechten Auge zufügte. Im elften Durchgang war es dann der Rechtsausleger Lebedew, der mit der Linken einen Volltreffer landen konnte. Euphorisch angefeuert vom Berliner Publikum, das es kaum noch auf den Sitzen hielt, glänzte Huck in der zwölften und letzten Runde mit mehreren guten Aktionen, was Lebedew jedoch nicht daran hinderte, mit aller Kraft dagegenzuhalten.

Marco Huck hatte diesmal die taktische Marschroute durchgehalten und im Gegensatz zu den knappen Kämpfen gegen Ramirez und Afolabi nicht im Eifer des Gefechts die Übersicht verloren. Dennoch war allen klar, daß diese Titelverteidigung außerordentlich eng ausgegangen war, so daß man das Urteil mit Spannung erwartete. Würde Lebedews höhere Aktivität den Ausschlag geben oder hatten Hucks klarere Einzelaktionen dem Weltmeister den Sieg beschert?

Der erste Punktrichter hatte 115:113 zugunsten Hucks notiert, doch der zweite gab Lebedew acht von zwölf Runden (116:112). Nun hing alles vom Urteil des dritten Punktrichters ab, der den Kampf mit 115:113 für den Champion gewertet hatte. Größer hätten der brausende Jubel in der Halle und das Aufatmen im Lager Hucks kaum sein können, denn obgleich es sicher kein geschenkter Sieg war, hätte dasselbe auch für einen Erfolg des Herausforderers gegolten.

Wie Marco Huck im anschließenden Interview mit der ARD einräumte, habe er diesmal nicht wie gewohnt im Vorwärtsgang geboxt, da Lebedew wirklich ein starker Gegner gewesen sei. Nachdem ab der vierten Runde seine Rippen gebrochen waren und danach auch jeder eigene Schlag wie ein Messerstich geschmerzt habe, sei ihm nichts anderes übriggeblieben, als aus der Defensive zu kontern. Trotz dieser enormen Einschränkung habe er durchgehalten und gewonnen: "Das zeichnet einen Champion aus!"

In seiner nur allzu verständlichen Enttäuschung sagte der unterlegene Herausforderer, er denke nicht, daß er verloren habe. Jedenfalls habe er alles gegeben. Sein Trainer sage jedoch immer, daß der Boxer gewonnen hat, der vom Ringrichter zum Sieger erklärt wird: "Demnach hat das, was wir geboten haben, nicht gereicht."

Trainer Ulli Wegner, der zuletzt bei der Niederlage Arthur Abrahams einen schwerwiegenden Rückschlag zu verkraften hatte, zeigte sich natürlich sichtlich erleichtert. Er würdigte Denis Lebedew als einen gefährlichen Gegner und bedankte sich für die rückhaltlose Unterstützung des Publikums. "Wir haben alle gesehen, daß es sehr knapp war. Jetzt kann ich beruhigt Weihnachten feiern."

19. Dezember 2010