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PROFI/509: Auch Tomasz Adamek chancenlos gegen Vitali Klitschko (SB)



Weltmeister gewinnt durch technischen K.o. in der zehnten Runde

Vitali Klitschko hat den WBC-Titel im Schwergewicht vor 43.500 Zuschauern in Wroclaw (Breslau) durch technischen K.o. in der zehnten Runde gegen den Polen Tomasz Adamek erfolgreich verteidigt. Im neuerrichteten Fußballstadion Miejski dominierte der Weltmeister in einem einseitigen Kampf fast ausnahmslos das Geschehen im Ring und ließ dem Herausforderer keine Chance, sich in Szene zu setzen. Während der 40 Jahre alte Ukrainer seine Bilanz auf 43 Siege (davon 40 K.o.) und zwei Niederlagen verbesserte, hat der 34jährige Adamek nun 44 Auftritte gewonnen und zwei verloren.

Bereits in der ersten Runde schickte Klitschko den früheren Weltmeister im Halbschwer- und Cruisergewicht mehrfach in die Seile, und auch in der Folge mußte der Herausforderer immer wieder Treffer einstecken. Der Ukrainer boxte wie üblich mit tief am Körper hängender Führhand und der Rechten im Anschlag, während der Pole verhalten begann und zunächst nur darauf bedacht war, dem gefährlichen Jab seines Gegners auszuweichen. Bereits in der zweiten Runde brachte Klitschko seinen deutlich kleineren und leichteren Gegner in Bedrängnis, als Adamek nach einer Kombination ans Kinn kurz vor der Pause in die Seile taumelte, jedoch vom Gong gerettet wurde. Der dritte Durchgang lief für Adamek nur insofern etwas besser, als er weniger Treffer einstecken mußte.

Klitschko dominierte vor allem mit seinem linken Jab weiterhin das Geschehen. Der Herausforderer kam nur selten mit Kontern oder eigenen Angriffen an den 2,02 m großen Kontrahenten heran, der ihn um vierzehn Zentimeter überragte. Gelang dem Lokalmatador wie in der ausgeglicheneren vierten Runde doch einmal ein Treffer, brandete euphorischer Jubel unter den Zuschauern auf. Adamek startete energisch in den fünften Durchgang und konnte einen guten Treffer landen, doch übernahm Klitschko umgehend wieder das Kommando und dominierte auch diese Runde klar. Unter den zermürbenden Schlägen des Weltmeisters verschlechterte sich Adameks Zustand. In der fünften Runde fing seine Nase an zu bluten, in der sechsten wurde er nach einer schweren Rechten Klitschkos in der Ecke erstmals angezählt.

Dennoch versuchte der Pole, mutig mitzuhalten und vereinzelt Gegenangriffe zu unternehmen. Klitschko beherrschte den Kampf jedoch souverän von der Ringmitte, brauchte sich kaum um seine Deckung zu kümmern und nahm für seine Angriffe Maß. Zwar landete er kurz vor Ende der achten Runde plötzlich auf dem Boden, doch war er unter dem Schwung seines eigenen Vorstoßes gestolpert und nicht etwa getroffen worden. Im folgenden Durchgang brachte Adamek einzelne Konterschläge ins Ziel, ohne jedoch entscheidende Impulse setzen zu können. Das vorzeitige Ende kam dann in der zehnten Runde, als der Herausforderer erneut angeschlagen war und nach mehreren Kombinationen des Weltmeisters stark blutend in den Ringseilen hing. Daraufhin griff der italienische Ringrichter Massimo Barrovecchio ein und nahm den Polen aus dem Kampf, um weiteren Schaden für seine Gesundheit abzuwenden.

Vitali Klitschko zog im anschließenden Interview mit den Worten Bilanz, er habe eine spezielle Vorbereitung absolviert und sei in bester körperlicher Verfassung angetreten. Ein einfacher Kampf sei es nicht gewesen: "Ich war überrascht über sein starkes Kinn." Tomasz boxe schnell und geschickt, aber für das Schwergewicht einfach nicht gut genug. Er habe ihm schon einmal gesagt, daß man für die höchste Gewichtsklasse geboren sein müsse: "Es war ein Fehler von ihm, ins Schwergewicht zu wechseln."

Wie der schwer gezeichnete Herausforderer sagte, habe er bis zum Letzten gekämpft, doch sei Vitali einfach besser gewesen. "So ist der Sport. Du verlierst manchmal, manchmal gewinnst du. Ich habe viele Schläge abbekommen, ich fühle mich aber okay. Vielen Dank an alle, die hierher gekommen sind. Ich habe euch enttäuscht, ich komme aber stärker zurück."

Trainer Fritz Sdunek hatte vor dem 45. Profikampf Vitali Klitschkos unterstrichen, daß dieser ungeachtet seines fortschreitenden Alters immer besser werde. "Zwei, drei Kämpfe" werde sein Schützling noch bestreiten, "mehr nicht". Nach dem souveränen Auftritt hörte sich das ein klein wenig anders an: "Ich weiß nicht, ob es tatsächlich nur drei oder vielleicht doch mehr Kämpfe werden. Vitali sollte nicht aufhören, solange er nicht getroffen wird."

Tatsächlich ist nach wie vor kein Herausforderer in Sicht, der Vitali Klitschko absehbar gefährlich werden könnte. Tomasz Adamek wurde als bester Schwergewichtler nach den Klitschkos bezeichnet, erlebte in Breslau jedoch ein Debakel. Am Samstagabend wurde bekannt, daß der Engländer David Haye, den Wladimir Klitschko im Juli geschlagen hatte, seine Karriere doch nicht beenden möchte und stattdessen auf einen Kampf gegen Vitali hofft. Das Management der Ukrainer hatte bereits signalisiert, daß Wladimir kein Interesse an der von Haye geforderten Revanche habe, Vitali jedoch in Frage käme. Wenngleich nicht abzusehen ist, wie der 30jährige Brite den älteren und unverwüstlichen Klitschko besiegen sollte, wäre dies ein Duell, das sich lukrativ vermarkten ließe.

Haye ließ denn auch im Vorfeld des Kampfs in Breslau seinem losen Mundwerk freien Lauf, um sich ins Gespräch zu bringen. Er werde Klitschko die Daumen drücken, was er ansonsten "ums Verrecken" nicht machen würde. Klitschko solle "diese Polen-Pflaume" wegputzen, den Titel behalten und dann gegen ihn antreten, so der Brite. Wladimir sei es nicht gelungen, ihn umzuhauen, obwohl er den Ringrichter, die Punktrichter und das Publikum auf seiner Seite gehabt habe: "Ich hatte keine echte Chance. Vitali soll sie mir geben, sich trauen. Vitali soll ja diesen gefährlichen Punch haben. Ich bezweifle das." Er habe alles noch einmal mit seiner Familie überdacht und sich dann mit Lennox Lewis in Montego Bay auf Jamaika getroffen. Lennox habe ihn überzeugt, gegen Klitschko anzutreten, und ihm gleich ein paar Hinweise gegeben, wie man Vitali schlagen kann: "Er weiß es, hat es 2003 ja vorgemacht." Ob sich diese Begegnung tatsächlich so zugetragen hat oder nicht - fest steht jedenfalls, daß David Hayes Talent nicht zuletzt darin besteht, den von ihm gewünschten Kampf herbeizureden.

11. September 2011