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PROFI/524: Mühsamer Punktsieg Marco Hucks gegen Firat Arslan (SB)




15 Jahre älterer Herausforderer hadert mit der Wertung

Nur mit allergrößter Mühe hat Marco Huck den Titel der WBO im Cruisergewicht erfolgreich gegen Firat Arslan verteidigt. Als der Weltmeister nach zwölf hart umkämpften Runden zum Sieger nach Punkten erklärt wurde (115:113, 115:113, 117:111), quittierten dies die rund 7.000 Zuschauer im westfälischen Halle mit einem gellenden Pfeifkonzert. Sie hatten in dem Herausforderer den aktiveren Boxer gesehen und reagierten wie Arslan selbst mit Unverständnis und Enttäuschung auf die Wertung.

Im Gerry Weber Stadion machte Firat Arslan von Beginn an Druck und marschierte in bekannter Manier unablässig voran. Huck, der sich zunächst zurückhielt und ein ums andere Mal an den Seilen oder in den Ringecken stellen ließ, mußte in der zweiten Runde mehrere Uppercuts einstecken und begann aus der Nase zu bluten. Im dritten Durchgang gelangen dem Titelverteidiger zwar einige Körpertreffer, doch kam er oben an der soliden Doppeldeckung Arslans nicht vorbei. Nach einer ausgeglichenen vierten Runde setzte sich Huck im folgenden Durchgang wieder mit Schlägen zum Körper in Szene, doch ließ er den in der Rechtsauslage boxenden Gegner fast ungehindert arbeiten, sobald dieser nahe an ihn herangerückt war. Auch in der Folge wirkte Huck ratlos, während der Herausforderer aus Süßen immer wieder mit seinen Aufwärtshaken traf.

Erst ab der siebten Runde machte der Weltmeister eine bessere Figur, da er nun verstärkt mit geraden Schlägen sein Ziel fand und sich Arslan in der Ringmitte boxend vom Leib zu halten versuchte, der indessen nach wie vor der aktivere von beiden war. Huck konnte von Glück reden, daß die zahlreichen Treffer des Herausforderers keine nachhaltige Wirkung bei ihm hinterließen. In der elften Runde, die klar an den Titelverteidiger ging, kam dieser mehrfach mit spektakulären Serien durch. Sein 42jähriger Kontrahent zeigte jedoch keinerlei Wirkung und kämpfte bis zum Schlußgong unermüdlich mit.

Wie Marco Huck im anschließenden Interview mit der ARD sagte, habe er harte Arbeit hinter sich. Er habe gekämpft wie ein Löwe, um Firat zu bezwingen, dem er Respekt für seine Energieleistung zolle. Jeder andere Weltmeister in dieser Gewichtsklasse hätte am heutigen Abend gegen diesen Herausforderer verloren. Es sei einer seiner schwersten Kämpfe gewesen, da er sein Äußerstes geben mußte, um am Ende den Sieg davonzutragen. Da er jedoch präzise getroffen habe, halte er das Ergebnis für gerechtfertigt.

Zutiefst enttäuscht haderte Firat Arslan mit der Wertung und erklärte, ein solches Urteil habe er noch nie erlebt. Er habe zehnmal so viel geschlagen wie Marco, der fast nur die Deckung getroffen habe, und von der ersten bis zur letzten Runde den Kampf gemacht. Ein schlechter Verlierer sei er ganz gewiß nicht, doch habe er an diesem Abend klar gezeigt, daß er der Bessere sei und den Gürtel verdient habe. Auch das gesamte Publikum habe ihn als Sieger gesehen. Solche Entscheidungen machten den Boxsport einfach nur kaputt: "Man braucht nur in unsere Gesichter zu schauen." Huck hatte eine geschwollene Nase, ein lädiertes Ohr und Veilchen an den Augen, Arslan dagegen nur Rötungen auf der Stirn.

Trainer Ulli Wegner beschränkte sich auf die knappe Stellungnahme, daß die Zuschauer einen spannenden Kampf gesehen hätten, der mit einer knappen Entscheidung geendet habe. Marco habe oftmals klar getroffen, doch Firat Arslan seinerseits viele Aufwärtshaken ins Ziel gebracht. Über das Urteil spreche er nicht, da doch klar sei, daß jede Seite ihren eigenen Boxer vorn gesehen habe, so der 70jährige. Er merkte jedoch an, daß sein Schützling taktisch ungeschickt geboxt habe. Hingegen fand Arslans Trainer deutliche Worte und bezeichnete das Ergebnis als Betrug.

Promoter Wilfried Sauerland versuchte die Wogen zu glätten und sprach von einem guten und dramatischen Kampf. Marco habe verdient gewonnen, doch sei eine der drei Wertungen eindeutig zu hoch ausgefallen. Später räumte er jedoch ein, daß auch ein Unentschieden gerecht gewesen wäre. Kalle Sauerland verwies auf den Experten Dan Rafael vom US-Sender ESPN, der Huck als Sieger notiert habe. Gleiches gelte für den britischen Sender BoxNation. Dennoch verstehe er natürlich die Enttäuschung im Team Firat Arslans. So einen großartigen Kampf könne man gern noch einmal sehen.

Mit seiner zehnten erfolgreichen Titelverteidigung rückte der 27jährige Marco Huck, für den nun 35 Siege, zwei Niederlagen und ein Unentschieden zu Buche stehen, dem Rang des Superchampions der WBO näher. Firat Arslans Bilanz weist aktuell 32 gewonnene, sechs verlorene sowie zwei unentschieden beendete Auftritte aus. Wie der 42jährige versicherte, werde er die Boxhandschuhe noch lange nicht an den Nagel hängen.

Einen erneuten Aufstieg ins Schwergewicht samt einem Kampf gegen Wladimir Klitschko, wie ihn Marco Huck noch vor wenigen Tagen als sein erklärtes Ziel ausgewiesen hatte, wird es wohl vorerst nicht geben. Zwar erklärte der Berliner, daß er nach dem Sieg über Arslan keinen Gegner fürchten müsse und es in der Königsklasse leichter haben würde. Nach den Worten Kalle Sauerlands soll Huck jedoch zum dritten Mal gegen Ola Afolabi antreten, von dem er sich Anfang Mai mit einem schmeichelhaften Unentschieden getrennt hatte. Noch lieber sähe er sogar eine Revanche gegen Firat Arslan. Hucks Wechsel ins Schwergewicht werde jedenfalls erst in anderthalb Jahren ein Thema sein.

4. November 2012