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PROFI/549: Auch die Revanche verloren - Debakel für Felix Sturm (SB)




Australier Sam Soliman neuer IBF-Weltmeister im Mittelgewicht

Vor 8000 Zuschauern in Krefeld hat Felix Sturm die Revanche gegen den Australier Sam Soliman klar nach Punkten verloren (110:118, 111:117, 110:118), der ihn damit als IBF-Weltmeister im Mittelgewicht ablösen konnte. An der Wertung gab es nichts zu kritisieren, da sich der bereits 40 Jahre alte Herausforderer deutlich besser als der Titelverteidiger in Szene gesetzt hatte. In dem phasenweise einer wilden Keilerei ähnelnden Duell bot Soliman dank einer unorthodoxen Kampfesweise wenig Angriffsfläche. Der fünf Jahre ältere Australier mußte seinem hohen Anfangstempo in der zweiten Kampfhälfte keineswegs Tribut zollen, sondern marschierte bis zum Schlußgong unablässig nach vorn, bestimmte das Tempo und traf aus allen Lagen.

Der bewegliche Herausforderer aus Melbourne setzte den Champion durchgehend unter Druck. Er sprang quirlig in den Gegner hinein, war nach Treffern sofort wieder außer Reichweite oder klammerte im Infight. Mitunter schlug er nach einem Trennkommando des Ringrichters weiter, hielt den Kopf zu tief und wühlte am Rande des Zulässigen, doch versäumte es Sturm auf ganzer Linie, sich auf seine technischen Qualitäten zu besinnen. Weder arbeitete er konsequent mit der Führhand, noch brachte er den extra einstudierten Aufwärtshaken gegen den kleineren Kontrahenten. Statt dessen setzte er auf die Brechstange und wollte einen Niederschlag erzwingen, dem er jedoch in keiner Phase nahekam. Gegen Mitte des Kampfs lag Soliman nach Punkten vorn, und erst in der neunten und zehnten Runde erzielte Sturm einige klare Treffer, die seinen Gegner jedoch nicht ernsthaft in Bedrängnis brachten.

Als Ringsprecher Jimmy Lennon jun. aus Los Angeles kurz nach Mitternacht seine markante Stimme hob, um das Urteil zu verkünden, zweifelte wohl niemand daran, daß der Sieger nur Sam Soliman heißen konnte. Im anschließenden Interview dankte der Australier Sturm dafür, ihn sofort als Pflichtherausforderer akzeptiert zu haben. Er habe sich perfekt auf den Gegner eingestellt, der ihn nur selten treffen konnte, zog der neue IBF-Champion überglücklich Bilanz, der am Ziel eines langen Weges angekommen ist. 1997 debütierte er als Profiboxer, 57 Kämpfe später darf er sich endlich Weltmeister nennen. [1]

Im Lager Sturms herrschte Katastrophenstimmung: "Wir sind alle paralysiert", brachte PR-Manager Manfred Meier die Gemütslage der Entourage des nach nur 185 Tagen erneut gestürzten Titelträgers auf den Punkt. Es werde einige Zeit dauern bis man diesen Schock verdaut habe. "Das ist mächtig in die Hose gegangen", mußte Sturms Trainer Fritz Sdunek einräumen, der zuvor noch beteuert hatte, daß sich sein Schützling besser denn je in ihrer langjährigen Zusammenarbeit vorbereitet habe. Felix habe einfach "mit zu viel Schaum vorm Mund geboxt". Er sei zu haßerfüllt und dadurch zu verkrampft gewesen, kritisierte Sdunek.

Felix Sturm, der nun bereits zum vierten Mal als Weltmeister im Mittelgewicht entthront wurde, suchte die Schuld für die Niederlage nicht bei anderen. Darüber müsse man gar nicht diskutieren, denn der Herausforderer habe einen sehr guten Job gemacht, rückhaltlos gekämpft und viel beweglicher geboxt. Dieser Sieg gehe in Ordnung, alles andere wäre Blödsinn. Soliman sei schwer zu boxen, da er den Kopf sehr tief halte: "Ab und zu hing er mir mit dem Kopf an der Backe oder an der Nase", sagte Sturm und verwies auf sein lädiertes Gesicht. "Ich hätte ihn ein bißchen mehr auf Distanz halten sollen." [2]

Er habe Soliman nach allem, was dieser ihm im Februar 2013 angetan hatte, unbedingt bestrafen wollen, und zwar am liebsten mit einem Knockout. Statt immer den einen entscheidenden Schlag zu suchen, hätte er besser auf Fritz Sdunek hören und viel mehr Aufwärtshaken wie auch Schläge zum Körper setzen sollen, zeigte sich Sturm reumütig. Man sei sich zu sicher gewesen, übten Boxer und Trainer Selbstkritik.

Nachdem Sturm im Dezember durch einen Sieg gegen den Briten Darren Barker IBF-Weltmeister geworden war, hätte er den Titel erst einmal freiwillig verteidigen können. Er verzichtete jedoch auf diese Option, weil er unbedingt seine offene Rechnung mit Soliman begleichen wollte. Im Februar vergangenen Jahres hatte Sturm in einem Ausscheidungskampf erstmals gegen den Australier geboxt und einstimmig nach Punkten verloren. Wenige Wochen später wurde Soliman des Dopings überführt und das Ergebnis des Kampfes annulliert. Allerdings war die B-Probe negativ, was jedoch zu keiner Revision der nachträglichen Änderung führte.

Sturm sieht die unerwartete Situation offenbar weniger dramatisch als sein Umfeld oder gibt sich zumindest gelassen. Er werde erst einmal Zeit mit seiner Familie verbringen und sich etwas ausruhen. Ansonsten sei er fest entschlossen, noch einen fünften Anlauf auf die Weltmeisterschaft zu nehmen, der in Deutschland noch keinem Boxer geglückt ist: "Schließlich bin ich geboren, um zu kämpfen."

Sein Haussender Sat.1, um dessen mögliche Konsequenzen zunächst Spekulationen die Runde machten, will ihm offenbar weiter die Treue halten. "Wir haben eine langjährige, besondere Partnerschaft mit Felix, und die wollen wir fortsetzen", versicherte Geschäftsführer Zeljko Karajica.


Fußnoten:

[1] http://www.welt.de/sport/boxen/article128603028/Felix-Sturm-war-gegen-Soliman-zu-hasserfuellt.html

[2] http://www.focus.de/sport/boxen/wollte-ihn-unbedingt-ausknocken-falsche-taktik-so-erklaert-sturm-die-soliman-pleite_id_3887514.html

2. Juni 2014