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PROFI/568: Amir Khan geht gegen Devon Alexander auf Nummer Sicher (SB)




Taktische Meisterleistung oder enttäuschendes Distanzboxen?

Der britische Weltergewichtler Amir Khan ist seiner Favoritenrolle gerecht geworden. Vor mehr als 7000 Zuschauern in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas setzte er sich gegen den ehemaligen Champion Devon Alexander über zwölf Runden einstimmig nach Punkten durch (119:109, 118:110, 120:107). Wer eine furiose Offensive erwartet hatte, sah sich freilich enttäuscht, da Khan durchweg auf Nummer Sicher ging. Wann immer sein Gegner die Offensive suchte, zog sich der Brite zurück, um den Kontrahenten aus der Distanz in Schach zu halten. Während für Khan nun 30 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen, werden für Alexander 26 gewonnene und ebenfalls drei verlorene Auftritte notiert.

Khan dominierte das Geschehen in der Anfangsphase und landete immer wieder deutliche Treffer. Erst ab der Hälfte kam Alexander besser in den Kampf und holte etwas auf, ohne den klaren Sieg des Favoriten gefährden zu können. Der US-Amerikaner sah sich gezwungen, den Briten Runde um Runde zu verfolgen, was den Kampf für die Zuschauer recht unansehnlich machte. Khan blieb den Beweis schuldig, sich mit einer herausragenden Vorstellung nachdrücklich für ein Duell mit Floyd Mayweather empfehlen zu können. Während seine Auftritte in der Regel turbulent und spannend verlaufen, da er des öfteren das Risiko eingeht, sich im Eifer des Gefechts einen schweren Treffer einzufangen, mied er diesmal notorisch jede Gefahr. Da der US-Amerikaner vermutlich als Gegner ausgewählt worden war, weil er über keine allzu große Schlagwirkung gebietet, mutete Khans Zurückhaltung um so ernüchternder an.

Bezeichnenderweise hob der Brite in der zwölften Runde beide Hände und rannte vor Alexander davon, was er wohl für eine Geste absoluter Überlegenheit hielt. Aus Sicht des Publikums war das jedoch ausgesprochen peinlich und setzte einem insgesamt langweiligen Kampf nur noch die Krone auf. Da der 28jährige aus dem nordenglischen Bolton laut der Statistik von CompuBox 243 Schläge ins Ziel gebracht hatte, während sein Gegner lediglich 91 Treffer landen konnte, ist am Ergebnis nicht rütteln. Alexander, der an und für sich ein hochklassiger Boxer ist, wurde regelrecht lektioniert, was die Fans des Briten natürlich als unabweislichen Beleg für das überragende Können ihres Favoriten gewertet sehen wollen.

Wie Khan nach seinem Erfolg verkündete, sei er der beste Boxer mit den schnellsten Händen in der gesamten Branche. Sein Jab sei schlichtweg unübertroffen. Auf seine erklärte Hoffnung angesprochen, mit Floyd Mayweather in den Ring zu steigen, bekräftigte der Brite seine Überzeugung, er habe die Chance verdient, sich mit dem weltbesten Gegner zu messen. In England käme dieses Duell einer Sensation gleich, zumal seine Kampfesweise geeignet sei, den Sieg davonzutragen. Alles weitere überlasse er seinem Team und dem Berater Al Haymon. [1]

Khan führte den Erfolg nicht zuletzt auf seinen Trainer Virgil Hunter zurück, der ihm beibringe, wann er anzugreifen habe. Unter dessen Anleitung sei er ein besserer und klügerer Boxer geworden, geschwind auf den Füßen und pfeilschnell mit seinem Jab. Hunter attestierte seinem Schützling 9,9 von 10 möglichen Punkten und sagte ihm zum wiederholten Male eine goldene Zukunft voraus. Zweifellos hat der 61jährige Trainer den Briten auf einen stabilen Kurs gebracht, indem er ihn konsequent auf seine Stärken einschwört und von riskanten Manövern abhält. [2]

Amir Khan hat im offenen Schlagabtausch nicht nur zwei vorzeitige Niederlagen bezogen, sondern bei einigen Auftritten unablässig geklammert und von oben gedrückt, um seinen Gegner am Schlagen zu hindern. Boxt er durchgehend aus der Distanz, setzt er seine schnellen Schläge am erfolgreichsten durch, ohne in allzu große Schwierigkeiten zu geraten. Das reicht aus, um die meisten Weltergewichtler zu besiegen, läßt aber die Frage offen, wie er einem Kontrahenten entkommen will, der ihm konsequent den Weg abschneidet und zugleich über eine gefährliche Schlagwirkung verfügt.

Devon Alexander, der seinen Titel im Weltergewicht vor einem Jahr an Shawn Porter verloren hatte, räumte ein, daß Khan einfach zu schnell gewesen sei, um ihn zu stellen. Selbst wenn der Brite angegriffen habe, sei es ihm selbst nicht gelungen, seinerseits mehrere Treffer zu landen. Man habe in der Vorbereitung geübt, einen weglaufenden Gegner festzunageln und mit dem Jab zu treffen, doch bei der Umsetzung habe es gehapert, worüber er sehr enttäuscht sei.

Promoter Oscar de la Hoya lobte Amir Khan in den höchsten Tönen und erklärte, er verstehe jetzt, warum Floyd Mayweather nicht gegen ihn kämpfen wolle. Khan sei überragend zu Werke gegangen, habe unglaublich gut ausgesehen und soeben den Höhepunkt seines Könnens erreicht. Gegen einen schwer zu boxenden Linkshänder habe er einen nahezu perfekten Kampf geboten. Mayweather werde es sich nun sicher zweimal überlegen, ob er das Risiko eingehen soll, sich mit dem Briten zu messen.

Auf der unvermeidliche Frage, ob ein Kampf gegen Mayweather weiterhin höchste Priorität genieße, erwiderte der Präsident der Golden Boy Promotions geradezu euphorisch, man könnte dieses grandiose Duell auch in England erfolgreich über die Bühne bringen. Er sehe die Entschlossenheit in Khans Blick, den besten aller Gegner vor die Fäuste zu bekommen. Seine Arbeitsethik im Training und sein Auftritt im Ring bezeugten gleichermaßen, wie sehr er auf diese Option fokussiert sei. [3]

Wunschdenken ist das eine, Floyd Mayweathers Kalkül das andere, kann man an dieser Stelle nur hinzufügen. Der US-Star hat sich zum Krösus, neoreligiösen Götzen des Boxsports und Orakel hochstilisiert, dem die Branche jede Andeutung von den Lippen abliest. Alles harrt seiner Weihnachtsbotschaft, in der er womöglich feierlich verkündet, wem er die Gunst eines Kampfs Anfang Mai 2015 gewährt. Amir Khan hat dafür gesorgt, daß er zumindest theoretisch noch im Rennen ist, mehr aber auch nicht.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/12/khan-beats-alexander-in-safety-first-performance/#more-185634

[2] www.theguardian.com/sport/2014/dec/14/amir-khan-delivers-on-biggest-staghttp://e-with-dominant-win-over-devon-alexander

[3] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12026364/amir-khan-defeats-devon-alexander-unanimous-decision

14. Dezember 2014