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PROFI/572: Gennadi Golowkins nächster Streich (SB)



Martin Murray muß sich in der elften Runde geschlagen geben

Gennadi Golowkin ist nun in 32 Profikämpfen ungeschlagen, von denen er 29 vorzeitig beendet hat. Im Jahr 2008 mußte er zum letzten Mal über die volle Distanz gehen, seither hat er neunzehn Gegner in Folge durch K.o. besiegt. Er ist Superchampion der WBA, Weltmeister des kleinen Verbands IBO und Interimsweltmeister des WBC im Mittelgewicht. Die Konkurrenz fürchtet ihn zu Recht und geht ihm unter allerlei fadenscheinigen Vorwänden aus dem Weg. Wer dennoch hofft, den Kasachen besiegen zu können, teilt das Schicksal Martin Murrays, der in Monte Carlo immerhin bis zur elften Runde durchhielt, ehe er nach insgesamt drei Niederschlägen im Verlauf des einseitigen Gefechts schließlich in den Seilen hängend aus dem Kampf genommen wurde.

Die im Vorfeld wohl am häufigsten diskutierte Frage, was der Brite unternehmen könnte, um nicht als bloßes Schlachtopfer vorgeführt zu werden, blieb unbeantwortet. Dabei war Murray keineswegs ein handverlesener Herausforderer, sondern einer der robustesten Boxer der gesamten Gewichtsklasse. Er hatte zuvor 29 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden erzielt, wobei man durchaus die Auffassung teilen konnte, daß er im Grunde ungeschlagen sei. In seinen Titelkämpfen gegen Felix Sturm im Jahr 2011 (unentschieden) und den Argentinier Sergio Martinez 2013 (Punktniederlage) legte das Kampfgericht den Bonus des Champions in die Waagschale, so daß der Brite leer ausging.

Murrays Stärke ist eine solide Doppeldeckung, die zuvor als nahezu unüberwindlich galt. Hinzu kommen ausgeprägte Nehmerqualitäten, die er auch gegen Golowkin eindrucksvoll unter Beweis stellte. Da der Herausforderer mit einer guten Deckung allein den Kampf natürlich nicht gewinnen konnte, aber zugleich vor den gefürchteten Schlägen des Champions auf der Hut sein mußte, verlegte er sich zunächst auf eine unerfreuliche, aber halbwegs funktionierende Taktik. Er klammerte siebenmal in der ersten und elfmal in der zweiten Runde, wodurch er zwischendurch einige Treffer anbringen konnte und den Kasachen nicht zur Entfaltung kommen ließ. Daraufhin modifizierte Golowkin seine Vorgehensweise und wich jedesmal einen Schritt zurück, sobald sein Gegner klammern wollte. Dadurch griff der Brite des öfteren ins Leere und mußte zusehen, sich nicht postwendend einen Treffer einzuhandeln.

Wie erwartet verbarrikadierte sich der Herausforderer in der Folge hinter seiner Doppeldeckung, worauf ihn der Weltmeister mit Serien wuchtiger Körpertreffer traktierte. Golowkin erhöhte den Druck und setzte seinem Gegner derart zu, daß dieser immer wieder sein Heil im Klammern suchte, was der Ringrichter größtenteils ungeahndet durchgehen ließ, jedoch vom erbosten Publikum mit lautstarken Mißfallenskundgebungen quittiert wurde. Als Murray in der vierten Runde an den Seilen entlang entkommen wollte, versetzte ihm der Kasache mit einem Körpertreffer den ersten Niederschlag. Der zähe Brite kam wieder auf die Beine, mußte aber wenig später nach einem ähnlichen Treffer erneut zu Boden gehen.

Viele andere Boxer hätten sich in dieser Situation lieber auszählen lassen, als weitere Schläge Golowkins hinzunehmen. Nicht so Murray, der zwar fast nur noch in der Defensive kämpfte, aber offenbar bis zum regulären Ende durchzuhalten hoffte. Der Champion beließ es nicht bei Schlägen zum Körper, sondern brach die Doppeldeckung des Briten in der sechsten Runde mit einer Serie linker Uppercuts auf, durch die der Herausforderer eine Verletzung an der Nase davontrug. Im zehnten Durchgang fing sich der Brite bei einem Ausweichmanöver einen schweren Kopftreffer ein, der ihn zum dritten Mal in diesem Duell auf die Bretter schickte.

Auch diesmal blieb er nicht liegen, sondern setzte den Kampf fort, der schließlich in der elften Runde sein vorzeitiges Ende fand. Nach einer Kombination Golowkins hing der Brite wehrlos in den Seilen, die seinen nächsten Sturz aufhielten. Daraufhin ging Ringrichter Luis Pabon dazwischen und nahm den tapferen, aber hoffnungslos unterlegenen Herausforderer nach 2:10 Minuten aus dem Kampf. Es hätte nicht der Statistik von CompuBox bedurft, um zu wissen, wer dieses Duell klar dominiert hatte. Von 816 Schlägen hatte der Champion 292 ins Ziel gebracht, während Murray bei 469 Versuchen 131mal erfolgreich gewesen war, wobei dieser Vergleich natürlich noch nichts über die Wirkung der Treffer aussagt. [1]

Nach seinem vergleichsweise verhaltenen Auftakt gefragt, entgegnete Gennadi Golowkin im Interview, er sei in den ersten sechs Runden konsequent dem taktischen Plan gefolgt, den robusten Gegner mürbe zu machen. Letztlich habe es keine Rolle gespielt, was der Herausforderer unternahm. Da er nun endlich die Titel im Mittelgewicht vereinigen wolle, hoffe er sehr, daß Miguel Cotto, dessen Pflichtherausforderer beim WBC er ist, sich ihm stelle.

Tom Loeffler, der die Interessen der K2 Promotions in den USA vertritt, hob nach dem erneuten vorzeitigen Sieg Golowkins hervor, daß dieser jede Runde gewonnen und Murray mit Treffern an Kopf und Körper zu Boden geschlagen habe. Wer geglaubt habe, der Champion könne seine verheerende Wirkung nur in der relativ frühen Phase eines Kampfs entfalten, sei eines Besseren belehrt worden. Martin Murray habe mit einem Kämpferherz geboxt, und nur die wenigsten anderen Kandidaten hätten so lange durchgehalten wie der Brite, der indessen Golowkin ebensowenig das Wasser reichen könne wie irgendein anderer Mittelgewichtler.

Der 32jährige Martin Murray hat damit auch den dritten Titelkampf verloren und dürfte trotz seiner überragenden Deckung auch gegen andere hochklassige Kontrahenten eher geringe Chancen haben, sofern sie über eine ausgeprägte Schlagwirkung gebieten. Andererseits hat er in Monaco ein Durchhaltevermögen an den Tag gelegt, das seinesgleichen sucht und allemal ausreicht, weniger gefährliche Widersacher in die Schranken zu weisen. Deshalb dürfte keineswegs entschieden sein, ob die Niederlage gegen Golowkin der Sargnagel seiner Ambitionen oder im Gegenteil eine Art Ritterschlag für den Briten war.

Gennadi Golowkin, der kürzlich mit seiner Familie von Stuttgart nach Los Angeles umgezogen ist, hat seinen Titel zum dreizehnten Mal erfolgreich verteidigt und ist in der ewigen Bestenliste damit an Marvin Hagler und Felix Sturm vorbeigezogen. Er nimmt nun allein den dritten Platz ein, was die ununterbrochenen Titelverteidigungen im Mittelgewicht betrifft. Schon mit seinem nächsten Sieg würde der Kasache mit Carlos Monzon gleichziehen, worauf er nur noch Bernard Hopkins vor sich hätte, der es seinerzeit freilich auf 20 Erfolge nacheinander brachte. Golowkin hat seine K.o.-Quote auf 90,6 Prozent verbessert - unter den aktiven Weltmeistern nur übertroffen von Deontay Wilder, der im Schwergewicht in 33 Kämpfen ungeschlagen ist und lediglich gegen Bermane Stiverne über die volle Distanz gehen mußte, so daß für ihn eine Quote von 97 Prozent zu Buche steht, die er jedoch gegen wesentlich schwächere Gegner als der Kasache erarbeitet hat.

Golowkin ist ein sehr fleißiger Champion und möchte auch in diesem Jahr insgesamt vier Kämpfe bestreiten. Sein nächster Auftritt ist bereits für den 16. Mai in Südkalifornien oder San Antonio geplant, wobei das Hauptproblem wie immer darin besteht, einen Gegner zu finden. Golowkin wird nicht müde zu erklären, er steige gern mit Miguel Cotto, Saul Alvarez, Carl Froch, Andre Ward, Julio Cesar Chavez jun. oder irgendeinem anderen namhaften Kontrahenten in den Ring. Leider ist keiner der genannten Akteure bereit, dieses Wagnis einzugehen.

WBC-Weltmeister Miguel Cotto wäre eigentlich der ideale Kandidat, da seine Verhandlungen mit Saul Alvarez gescheitert sind und Floyd Mayweather am 2. Mai mit Manny Pacquiao in den Ring steigt. Der Puertoricaner steht also plötzlich mit leeren Händen da, was einen spektakulären und hochdotierten Auftritt betrifft. Wenngleich sich Loeffler bereiterklärt hat, Golowkin stehe Cotto im Mai oder Juni zu günstigsten Bedingungen zur Verfügung, wird der Puertoricaner eher seinen Gürtel zurückgeben, als gegen den Kasachen anzutreten. [2]

Golowkins Trainer Abel Sanchez geht zudem davon aus, daß "Canelo" Alvarez frühestens im nächsten Jahr ein Thema wird, da ihn sein Promoter Golden Boy mit Sicherheit davon abhält, sich von Golowkin demontieren zu lassen. Der Mexikaner wurde von Mayweather vorgeführt und hat seither eher umstrittene als überzeugende Siege erzielt. Da er jünger als der Kasache ist, kann er allenfalls so lange warten, bis dieser eines fernen Tages schwächer wird. [3]

Überraschend hat sich Julio Cesar Chavez jun. zu Wort gemeldet, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß die Kommentatoren des Senders HBO Golowkin bewundernd mit dem legendären Vater des Mexikaners verglichen, den Sohn aber mit keiner Silbe erwähnten. Dieser hat im vergangenen Jahr Verhandlungen mit dem Kasachen platzen lassen, und bei YouTube ist eine frühere Sparringseinheit der beiden zu sehen, in der Chavez jun. vermöbelt wird. Statt es dabei bewenden zu lassen und nicht ein weiteres Eigentor zu schießen, verkündet der Mexikaner, der Kasache könne zwar kräftig zuschlagen, sei aber ansonsten ein schlechter Boxer. Er biete ihm eine Million Dollar, wenn er ins Supermittelgewicht heraufkomme und sich zum Kampf stelle. Zuvor müsse er allerdings noch Andrzej Fonfara erledigen, der größer und stärker als Golowkin sei, so Chavez.

Die umgehende Reaktion Tom Loefflers, man nehme dieses Angebot gerne an und hoffe nur, daß Chavez diesmal nicht wieder einen Rückzieher macht, dürfte unbeantwortet bleiben. Der Mexikaner hat wie so oft heiße Luft abgelassen und Golowkins spektakulären Auftritt genutzt, um sich wichtig zu machen. Vermutlich denkt er nicht einmal im Traum daran, sich dem Kasachen zu stellen, zumal er nach Fonfara den Briten Carl Froch auf dem Programm hat. Chavez wurde vor drei Jahren von dem Argentinier Sergio Martinez lektioniert und hat seither zweimal gegen den Mittelgewichtler Brian Vera mehr oder weniger mühsam gewonnen, der ihm körperlich klar unterlegen war. Der Dauerstreit mit seinem Promoter Bob Arum verhinderte weitere Auftritte, wobei dieser einen Kampf mit Golowkin befürwortet hatte. Nun will Arum, der einen letzten Auftritt des Mexikaners unter seiner Regie durchsetzen möchte, dessen Gang mit Fonfara auf dem Rechtsweg verhindern. Nichts spricht dafür, daß Chavez in jüngerer Zeit ein besserer Boxer geworden ist, weshalb man ihm eine Niederlage gegen Carl Froch prophezeit, von Gennadi Golowkin ganz zu schweigen. [4]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/golovkin-vs-murray-early-results-fury-decisions-rudenko/#more-188557

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12360878/gennady-golovkin-forced-11th-round-martin-murray-secures-knockout-victory-retain-middleweight-title

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/02/golovkin-beats-murray-calls-out-cotto-for-unification-fight/#more-188569

[4] http://www.boxingnews24.com/2015/02/chavez-jr-to-golovkin-i-bet-you-1-million-ill-knockout-you-out/#more-188577

24. Februar 2015


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