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PROFI/589: Kampf gewonnen, Stern gesunken (SB)



Julio Cesar Chavez enttäuscht beim Sieg über Marcos Reyes

Julio Cesar Chavez jun. hat den Kampf über zehn Runden gegen Marcos Reyes einstimmig nach Punkten gewonnen, sich dabei jedoch den Unmut der mehr als 9000 Zuschauer in El Paso zugezogen. Während der Sohn der mexikanischen Boxlegende wie ein Cruisergewichtler wirkte, war sein normalerweise im Mittelgewicht kämpfender Landsmann körperlich derart unterlegen, daß er dieser Masse wenig entgegenzusetzen hatte. Dabei war Reyes an diesem Abend der bessere Boxer, da er Runde für Runde häufiger schlug und traf als sein Gegner. Da er jedoch angesichts der physischen Vorteile des Favoriten keine nennenswerte Wirkung erzielte, behielt Chavez dank der schwereren Treffer die Oberhand. [1]

Reyes landete sehenswerte Kombinationen, die jedoch an der Massivität seines Gegners verpufften, der nicht selten ohne Deckung auf ihn losmarschierte und schlichtweg mit größerer Wucht auf ihn einschlug. Selbst als der Außenseiter in der vierten Runden mit der Rechten zum Kopf seines Gegners durchkam, blinzelte Chavez nicht einmal. Wann immer Reyes die Runde dominierte, mußte er gegen Ende einige schwere Schläge einstecken. In der zweiten Hälfte des Kampfs wurde Chavez müde, was darauf schließen ließ, daß seine Kondition auch diesmal zu wünschen übrigließ. Dennoch reichte es am Ende zu einem deutlichen Vorsprung auf den Zetteln der Punktrichter (98:91, 97:92, 96:93), den einige Kommentatoren für maßlos überzogen hielten. [2]

Während der ehemalige WBC-Weltmeister im Mittelgewicht seine Bilanz auf 49 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden verbesserte, stehen für Reyes nun 33 gewonnene und zwei verlorene Auftritte zu Buche. Warum es zu dieser befremdlich anmutenden Konstellation kam, lag auf der Hand. Im April war Chavez nach dreizehn Monaten Pause in den Ring zurückgekehrt und hatte sich den Polen Andrzej Fonfara im Halbschwergewicht als Gegner ausgesucht. Der Mexikaner sah in diesem Kampf kein Land und lag bei allen drei Punktrichtern weit im Rückstand, als er nicht mehr zur neunten Runde antrat. Daraufhin kehrte er zu seiner bewährten Praxis zurück, sich einen erheblich leichteren Kontrahenten auszusuchen. [3]

Der Kampf gegen Reyes sollte ursprünglich im Supermittelgewicht stattfinden, doch da Chavez die vereinbarte Grenze absehbar nicht einhalten konnte, einigte man sich kurzfristig auf ein etwas höheres Limit. Während Reyes beim offiziellen Wiegen deutlich unter dem vereinbarten Gewicht blieb, schaffte Chavez auch diese Marke nicht, was er absurderweise auf eine fehlerhafte Waage zurückführte. Um den Kampf und dessen Einkünfte zu retten, zahlte man Reyes einen Betrag in ungenannter Höhe. Chavez legte durch Rehydrieren bis zum folgenden Abend derart zu, daß er geschätzte zehn Kilo schwerer als sein Gegner war.

So schloß sich einer langen Vorgeschichte ungenügender Vorbereitung, nicht eingehaltener Gewichtsgrenzen und mehrerer Dopingverstöße ein weiteres unerfreuliches Kapitel an. Zweimal wurde der Mexikaner wegen Einnahme verbotener Substanzen gesperrt, einmal sogar festgenommen, und vor seinem ersten Kampf gegen Brian Vera im Jahr 2013 brachte er fast zwei Kilo zuviel auf die Waage. Wie sein früherer Trainer Freddy Roach einmal berichtete, lehnte es Chavez vor dem wichtigsten Kampf seiner Karriere, bei dem er 2012 in Las Vegas auf Sergio Martinez traf, rundweg ab, in die Trainingshalle zu kommen. Roach mußte seinen Schützling in einem gemieteten Haus aufsuchen, in dessen Wohnzimmer man die Sofas beiseite rückte, um eine Art Boxring zu simulieren.

Chavez wurde von dem Argentinier vermöbelt und verlor seinen Titel, was er offenbar weniger auf den mangelnden Trainingsfleiß, als seinen Trainer zurückführte. In El Paso wurde der Mexikaner erstmals von Robert Garcia betreut, seinem vierten Cheftrainer in den letzten fünf Kämpfen. Nach der Niederlage gegen Fonfara hatte er Joe Goossen den Laufpaß gegeben, womit ihre Zusammenarbeit nach nur einem Auftritt beendet war. Was Garcia im Kampf gegen Reyes sah, schien ihm gar nicht zu gefallen. Er redete eindringlich auf seinen Boxer ein, als dieser mit steigender Rundenzahl immer mehr nachzulassen begann, und erklärte hinterher diplomatisch, ihre Zusammenarbeit habe gerade erst begonnen.

Die Chancen des Außenseiters schwanden endgültig, als die Kontrahenten in der neunten Runde unabsichtlich mit den Köpfen zusammenstießen und Chavez dabei eine Rißwunde über dem linken Auge davontrug. Er beklagte sich mehrfach beim Ringrichter, der sich erstaunlicherweise darauf einließ und Reyes einen Punkt abzog. Den Zuschauern war das zuwider, und so begannen sie spontan, Marcos Reyes mit Sprechchören anzufeuern. Wie dieser hinterher geltend machte, habe es sich um eine zufällige Aktion gehandelt, was die Aufzeichnung des Senders Showtime belege. Er sei im übrigen nach wie vor der Auffassung, besser als sein Gegner gekämpft zu haben. Das Gewicht habe jedoch den entscheidenden Unterschied gemacht, da in ihrem Kampf ein Halbschwergewichtler gegen einen Mittelgewichtler angetreten sei.

Chavez ging indessen mit keinem Wort auf das Offensichtliche ein und behauptete, er habe sich an der linken Hand verletzt und den Gegner nur aus diesem Grund nicht auf die Bretter geschickt. Er fühle sich stark und sei gern zu einer Revanche bereit, falls Reyes das wünsche. Darauf dürfte sich sein Landsmann jedoch kaum einlassen, sofern nicht vertraglich eine Gewichtsgrenze auch nach dem offiziellen Wiegen vereinbart wird, wie sie einige Verbände zumindest bei Titelkämpfen vorschreiben, um allzu irreguläre Bedingungen auszuschließen.

Wenngleich Chavez diesen Kampf gewonnen hat, ist sein Stern weiter gesunken. Sein einzig verbliebener Trumpf in Gestalt einer großen hispanischen Fangemeinde schrumpft rapide, zumal seine Beteuerungen, er nehme die Vorbereitung inzwischen bitter ernst, unglaubwürdig geworden sind. Von der Beweglichkeit, die ihn vor Jahren auszeichnete, ist nichts mehr zu sehen, und sein Gewicht gereicht ihm nur dann zum Vorteil, wenn er gegen einen wesentlich leichteren Gegner antritt. Wie die Niederlage gegen Fonfara gezeigt hat, kann der Mexikaner im Halbschwergewicht nichts ausrichten. Ins Mittelgewicht wird er nie mehr zurückkehren, so daß nur noch das Supermittelgewicht bliebe. Obgleich Chavez 2013 offiziell in dieses Limit aufgestiegen ist, hat er dort noch nie regulär gekämpft. Möglicherweise wäre er am besten beraten, einen spektakulären Abschiedskampf gegen einen namhaften Kontrahenten anzupeilen, in dem er zwar untergeht, aber ein letztes Mal viel Geld verdient.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/chavez-jr-beats-reyes-but-looks-really-poor/#more-196452

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13281704/julio-cesar-chavez-jr-wins-unanimous-decision-marcos-reyes-light-heavyweight-bout

[3] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13276354/julio-cesar-chavez-jr-fails-make-weight-marcos-reyes-figh

20. Juli 2015


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