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PROFI/597: Gelungene Generalprobe vor dem Gipfelsturm (SB)



Deontay Wilder dominiert widerstandsfähigen Johann Duhaupas

Deontay Wilder hat den WBC-Titel im Schwergewicht erfolgreich gegen Johann Duhaupas verteidigt. Im bislang schwersten Kampf seiner Karriere, der vor 8400 Zuschauern in Birmingham, Alabama, über die Bühne ging, setzte er sich in der elften Runde gegen den Franzosen durch. Runde für Runde mußte der Herausforderer schwere Treffer einstecken, doch boxte er mutig mit und brachte seinerseits etliche Schläge ins Ziel, bis er sich schließlich zum ersten Mal in seiner Karriere vorzeitig geschlagen geben mußte. Während Wilder damit in 35 Kämpfen ungeschlagen blieb, in denen er nur einmal über die volle Distanz gehen mußte, stehen für Duhaupas nun 32 Siege und drei Niederlagen zu Buche.

Wie der Weltmeister nach seiner zweiten Titelverteidigung im anschließenden Interview sagte, sei es nicht leicht, vor heimischem Publikum anzutreten, das man natürlich bestmöglich unterhalten wolle. Die Zuschauer hätten ihr sauer verdientes Geld in eine Eintrittskarte investiert und wollten dafür etwas geboten bekommen. Er glaube, daß ihm das gelungen sei. Laut der Statistik von CompuBox hatte Wilder nicht nur sehr viel häufiger geschlagen als der Herausforderer, sondern auch eine erheblich höhere Trefferquote erzielt.

Duhaupas trug bereits in der ersten Runde eine Rißwunde an der Nasenwurzel davon und lief bei seinen Angriffsversuchen immer wieder in linke Haken und rechte Geraden des Weltmeister, die manchen anderen Gegner frühzeitig auf die Bretter geschickt hätten. Im fünften Durchgang schlug Wilder ganze Serien von Uppercuts, mit denen er den Franzosen kurz vor der Pause in schwere Bedrängnis brachte. Der US-Amerikaner gestaltete das Duell so dominant, daß Ringrichter Jack Reis nach der siebten Runde in die Ecke des Herausforderer ging, um ihn zu größerer Aktivität zu ermahnen, da der Kampf andernfalls abgebrochen würde. Im zehnten Durchgang mußte der Franzose wiederum heftige Treffer einstecken, worauf der Referee den Ringarzt hinzuzog. Duhaupas durfte den Kampf fortsetzen, wurde aber in der elften Runde in die Seile getrieben, wo er zahlreiche Schläge abbekam, ohne sich zu wehren. Darauf schritt Jack Reiss ein und erklärte den Kampf nach 55 Sekunden des Durchgangs für beendet.

Der Franzose attestierte dem Weltmeister anschließend eine gewaltige Schlagwirkung, deren ungeachtet er selbst bereit gewesen sei, über die volle Distanz zu boxen. Da er sich noch bewegt und verteidigt habe, hätte der Ringrichter seines Erachtens nicht auf Abbruch entscheiden dürfen. Er habe zwar einige Verletzungen davongetragen, die ihn aber in keiner Weise daran gehindert hätten weiterzukämpfen. Nachdem er sehr hart für diesen Kampf trainiert habe, sei er über das vorzeitige Ende enttäuscht.

Wilder würdigte den Herausforderer als zähen Gegner, der körperlich und mental hervorragend eingestellt sei und Treffer wegstecken könne wie kaum ein anderer. Die Einschätzung, daß der Franzose ein anspruchsvoller Kontrahent sei, habe sich voll und ganz bestätigt. Zudem dürfe man nie vergessen, daß die meisten Boxer über sich hinauswachsen, wenn sie um den Titel kämpfen. Er zolle Duhaupas Respekt, der sich als würdiger und starker Widersacher erwiesen habe.

Der 29 Jahre alte Deontay Wilder hatte bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing eine Bronzemedaille gewonnen, aus der sich sein Kampfname "The Bronze Bomber" herleitet. Seitdem Shannon Briggs 2007 seinen Titel im Schwergewicht bereits bei dessen erster Verteidigung verloren hatte, ist Wilder der erste US-amerikanische Boxer, der sich wieder in der Königsklasse einen Gürtel gesichert hat. Davon abgesehen erklärt sich seine enorme Popularität aus durchweg attraktiven bis furiosen Auftritten, zumal er bislang nur beim Titelgewinn gegen den Kanadier Bermane Stiverne über die volle Distanz von zwölf Runden gehen mußte. Im Juni verteidigte er in Birmingham und damit unweit einer Heimatstadt Tuscaloosa den Titel erfolgreich gegen Eric Molina, der in der neunten Runde die Segel streichen mußte.

Molina war vorab als relativ schwacher Gegner eingeschätzt worden, machte Wilder jedoch mehr als erwartet zu schaffen und erschütterte ihn sogar in einer Phase mit mehreren Treffern. Dies gab zu Spekulationen Anlaß, der WBC-Weltmeister werde wohl doch überschätzt und sei durchaus angreifbar, sofern sich sein Kontrahent nicht ins Bockshorn jagen lasse und entschlossen mitkämpfe. Der überzeugende Auftritt gegen Johann Duhaupas dürfte den Kritikern jedoch das Wasser abgegraben und den Ruf der Weltmeister wieder aufpoliert haben.

Im nächsten Schritt bekommt es Wilder mit dem Pflichtherausforderer Alexander Powetkin zu tun, der 29 Kämpfe gewonnen und lediglich 2013 gegen Wladimir Klitschko verloren hat. Der Russe war früher regulärer WBA-Weltmeister im Schwergewicht, womit er eine Stufe unter dem Ukrainer rangierte, dem Superchampion dieses Verbands wie auch Titelträger weiterer Verbände. Powetkin bestreitet um 4. November in Rußland einen Kampf gegen den riesigen Polen Mariusz Wach, den er natürlich keinesfalls verlieren darf, will er sein Vorrecht auf die Herausforderung Wilders wahren. Klitschko hat in der Vergangenheit demonstriert, wie man mit dem relativ unbeweglichen und deshalb leicht zu treffenden Polen fertig wird, dessen Größe und Gewicht freilich jeden Gegner vor Probleme stellen. Powetkin ist jedoch stets ein sehr guter Boxer gewesen und in jüngerer Zeit noch erheblich stabiler geworden, so daß er diesen Kampf aller Voraussicht nach gewinnen wird.

Sollte Deontay Wilder im Frühjahr wie geplant auf Alexander Powetkin treffen und auch gegen ihn die Oberhand behalten, könnte es endlich zum Kampf gegen Wladimir Klitschko kommen, dem Champion aller anderen Verbände. Johann Duhaupas ist der Auffassung, daß sich Wilder mit Powetkin und Klitschko messen kann, dafür aber jede erdenkliche Vorbereitung nutzen sollte, die er bekommen kann. Um sich allein an die Spitze des Schwergewichts zu setzen, bedürfe es unermüdlichen Trainings, einer unbeugsamen mentalen Verfassung und nicht zuletzt eines fundierten taktischen Plans, wie dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen sei. [1]

Was Wilder aber zudem braucht, ist viel Geduld, da Klitschko aufgrund seiner Verletzung die Titelverteidigung gegen den Briten Tyson Fury verschieben mußte und lange ausfällt. Wie der US-Amerikaner erklärte, müsse man beiderseits zunächst die Pflichtherausforderungen bewältigen. Das werde natürlich einige Zeit in Anspruch nehmen, die man nicht verkürzen könne. So laufe eben das Geschäft, weshalb er die Fans nur bitten könne, genauso geduldig Schritt für Schritt zu vollziehen wie er selbst, da man nur so und nicht anders ans Ziel komme. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13749903/deontay-wilder-stops-johann-duhaupas-11th-round-maintain-wbc-heavyweight-title

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/09/deontay-wilder-wants-klitschko-in-2016/#more-199656

28. September 2015


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