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PROFI/601: Ein Edelstein von 50 Kilo (SB)



Roman Gonzalez unterstreicht seine Ausnahmestellung

Floyd Mayweathers Rücktritt als unwiderruflich vorausgesetzt, präsentierte die von HBO im Bezahlfernsehen übertragende Veranstaltung im mit mehr als 20.000 Zuschauern ausverkauften Madison Square Garden die beiden besten Boxer aller Gewichtsklassen. Während Gennadi Golowkins souveräner Sieg über David Lemieux im Fokus des Interesses stand, unterstrich Roman "Chocolatito" Gonzalez seine Ausnahmestellung im Beiprogramm. Der Fliegengewichtler aus Nicaragua gilt unter Experten insofern als Nachfolger Mayweathers, als er außergewöhnliches Können mit einer makellosen Bilanz von 44 Siegen paart, womit er den in 34 Kämpfen ungeschlagenen Kasachen bei weitem übertrifft. Da er jedoch als leichter Boxer bislang vom US-amerikanischen Publikum wenig wahrgenommen wird, bleibt seine Popularität auf dem lukrativsten Markt weit hinter seinen bemerkenswerten Leistungen zurück.

Der 28 Jahre alte Gonzalez, ein Schützling der verstorbenen Legende Alexis Arguello, wurde Weltmeister im Stroh-, Halbfliegen- und zuletzt im Fliegengewicht (bis 50,08 kg), wo er derzeit WBC-Champion ist. Bei seinem Debüt für HBO besiegte er am 16. Mai im Vorprogramm Golowkins mit Edgar Sosa einen hochklassigen ehemaligen Titelträger im Halbfliegengewicht bereits in der zweiten Runde. Dieser furiose Auftritt führte dazu, daß Gonzalez nun in New York zum zweiten Mal gemeinsam mit dem Kasachen zum Zuge kam, was seinem Bekanntheitsgrad bei einem breiteren Publikum zweifellos förderlich war.

Er traf bei seiner dritten Titelverteidigung im Fliegengewicht auf keinen Geringeren als den aus Hawaii stammenden Brian Viloria, der als Amateur im Jahr 2000 der US-amerikanischen Olympiamannschaft angehört hatte und im Profilager dreimal Weltmeister geworden war, aber derzeit keinen Titel in seinem Besitz hat. Wenngleich Gonzalez im Madison Square Garden von seinen Landsleuten aus Nicaragua stürmisch angefeuert wurde, ergriff in der Anfangsphase der 34jährige Herausforderer die Initiative und setzte dem Champion zu. Dieser hielt sich zunächst zurück, bis er in der dritten Runde seine Chance witterte und Vilora mit einer präzisen Rechten zum Kinn von den Beinen holte. Auch der Rest des Durchgangs gehörte eindeutig dem Weltmeister, der seinen Gegner mit Kombinationen aus Haken und Geraden in die Seile trieb, wo er ihm wenige Sekunden vor der Pause mit einem Uppercut die Nase blutig schlug.

Nachdem er einmal gezeigt hatte, wie es um die Kräfteverhältnisse in diesem Kampf bestellt war, nahm sich der Weltmeister in der Folge Zeit, den US-Amerikaner mit kurzen und zielsicheren Schlägen zu zermürben, auf die Vilora keine rechte Antwort fand. Er brachte dann und wann einen Treffer ins Ziel, setzte aber zu sehr auf einzelne Aktionen, so daß er die Dominanz des Champions nicht brechen konnte, der immer wieder mit seinen Kombinationen punktete. In der siebten Runde ließ der Widerstand des Herausforderers nach, worauf er Treffer in Serie hinnehmen mußte, für die er sich kaum noch revanchieren konnte.

Nach der achten Runde inspizierte der Ringarzt die rechte Gesichtspartie Viloras, die inzwischen stark angeschwollen war. Im neunten Durchgang hatte Gonzalez vollends freie Hand, seine Schläge fast nach Belieben zu plazieren. Nachdem eine weit geschwungene Rechte Viloras Kopf getroffen hatte, zog sich der Herausforderer in die Seile zurück, wo er weitere schwere Treffer hinnehmen mußte. Um ihn vor weiterem Schaden zu bewahren, ging Ringrichter Benjy Esteves jun. schließlich dazwischen und brach den ungleichen Kampf nach 2:52 Minuten der Runde ab.

Laut der Statistik von CompuBox hatte Gonzalez 335 von 805 Schlägen ins Ziel gebracht (42 Prozent), während Viloria bei 594 Versuchen nur in 186 Fällen erfolgreich war (31 Prozent). Dank dieses überzeugenden Auftritts blieb der Weltmeister in 44 Kämpfen ungeschlagen, wobei er 38 Auftritte vorzeitig für sich entschieden hat. Für den US-Amerikaner stehen nun 36 gewonnene und fünf verlorene Auftritte zu Buche.

Wie Roman Gonzalez im anschließenden Interview berichtete, habe er in Costa Rica hart trainiert und eine hervorragende Sparringsphase absolviert. Dies habe es ihm erlaubt, genau zum richtigen Zeitpunkt in erstklassiger körperlicher Verfassung anzutreten. Brian Vilora sei ein großartiger Champion, an diesem Abend jedoch von dem besseren Mann bezwungen worden. Er kämpfe für das Volk von Nicaragua und widme ihm diesen Sieg.

Vilora zollte dem Weltmeister mit den Worten Respekt, dieser sei ein überragenden Kämpfer. Er selbst habe mit seiner Vorbereitung schiefgelegen und sei von der Deckungsarbeit und Schnelligkeit des Titelverteidigers überrascht worden. Allerdings sei der Abbruch seines Erachtens zu früh gekommen. Er fühle sich jedenfalls gut und würde jederzeit einer Revanche zustimmen, sollte sich die Gelegenheit ergeben. Er habe in diesen Kampf eine Menge gelernt, wovon er beim nächsten Mal Gebrauch machen könnte. [1]

Möglicherweise dachte Vilora dabei an eine Szene in der neunten Runde, als er seinen Gegner mit einem Körpertreffer für kurze Zeit am Schlagen gehindert hatte. Während Gonzalez etwa zehn Sekunden verharrte, setzte der Herausforderer mit weiteren Schlägen zum Körper nach, die den Champion zwangen, die Deckung herunterzunehmen, um sich zu schützen. Vilora konnte jedoch aus dieser Aktion keinen weiteren Vorteil ziehen, da sich Gonzalez gleich wieder erholt hatte und ihn mit einem Hagel von Schlägen in die Seile trieb, wo er schließlich aus dem Kampf genommen wurde. Wie der Weltmeister hinterher einräumte, seien alle Treffer schmerzhaft. Glücklicherweise habe er sie durchweg verkraften können. Von einem drohenden Niederschlag infolge des besagten Körpertreffers könne jedoch keine Rede sein. [2]

Der aktuelle Marktwert des exzellenten Fliegengewichtlers aus Nicaragua spiegelt sich in seiner Börse wider, die mit 250.000 Dollar für die Titelverteidigung zwar recht ansehnlich war, aber weit hinter den 2 Millionen Dollar zurückblieb, die der Mittelgewichtler Gennadi Golowkin am selben Abend einstreichen konnte. Brian Vilora mußte sich mit 100.000 Dollar begnügen, obgleich er als ehemaliger Weltmeister noch immer zu den drei besten Akteuren seiner Gewichtsklasse gehört. Kämpfe der leichtesten Limits wurden bislang selten von den führenden Sendern HBO und Showtime übertragen. Das könnte sich zumindest für Roman Gonzalez ändern, sollte er weiterhin zusammen mit Golowkin auftreten, dessen rasant wachsender Popularität beim US-Publikum vorerst keine Grenzen gesetzt sind. [3]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13911929/roman-chocolatito-gonzalez-stops-brian-viloria-retains-flyweight-title

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/10/golovkin-vs-lemieux-live-results/#more-200748

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/10/purses-golovkin-2m-lemieux-1-5m-gonzalez-250k-viloria-100k/#more-200693

20. Oktober 2015


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