Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


PROFI/603: Glanzvorstellung gegen Kanonenfutter (SB)



Timothy Bradley schickt Brandon Rios aufs Altenteil

Timothy Bradley hat den WBO-Titel im Weltergewicht erstmals erfolgreich verteidigt. Vor mehr als 5000 Zuschauern in Las Vegas setzte sich der 32jährige Champion aus Palm Springs in der neunten Runde gegen den drei Jahre jüngeren Brandon Rios durch, der in Oxnard, Kalifornien, lebt. Während der Weltmeister dank dieses Erfolgs seine Bilanz auf 33 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden ausbaute, werden für den Herausforderer nun 33 gewonnene und drei verlorene Auftritte sowie ein unentschieden gewerteter Kampf notiert.

Im August hatte Bradley den renommierten Trainer und ESPN-Experten Teddy Atlas dafür gewonnen, aus dem sportlichen Ruhestand zurückzukehren und seine Betreuung zu übernehmen. Diese Zusammenarbeit trug in ihrem ersten gemeinsamen Kampf Früchte, gab der Champion doch eine der besten Vorstellungen seiner Karriere. Er zeichnete sich durch eine exzellente Beinarbeit, Schnelligkeit und eine präzise geschlagene Rechte aus, die den vom Publikum favorisierten Rios ein ums andere Mal traf. Promoter Bob Arum, bei dem Bradley seit Jahren unter Vertrag steht, hob seinerseits die erstklassige Darbietung des Weltmeisters hervor.

Brandon Rios hatte am 24. Januar eine überzeugende Vorstellung gegeben, als er seinen Erzrivalen Mike Alvarado in dessen Heimatstadt Denver bei ihrem dritten Aufeinandertreffen bereits in der dritten Runde besiegte. Die nachfolgende lange Pause war jedoch seiner körperlichen Verfassung abträglich, da er beim offiziellen Wiegen zunächst die Gewichtsgrenze überschritt, die er dann eine knappe Stunde später gerade noch erreichte. Bis zum Kampf am folgenden Tag legte er durch Rehydrierung etwa zehn Kilo zu, und dieser extreme Prozeß schien ihn konditionell geschwächt zu haben.

Bradley legte eine ausgezeichnete erste Runde vor, in der er seinen statisch agierenden Gegner mit Kombinationen kontrollierte. Angefeuert von der Menge brachte Rios im zweiten Durchgang einen rechten Schwinger ins Ziel, den der Titelverteidiger jedoch wegsteckte. Der anschließende Schlagabtausch setzte sich in der dritten Runde fort, in der Rios etwas offensiver zu Werke ging, bis er sich einen schweren Körpertreffer einhandelte, der ihm bis zur Pause die Luft raubte. Danach baute der Herausforderer sichtlich ab und mußte zahlreiche Treffer einstecken, die er weder vermeiden noch kontern konnte.

Der Kampf verlief nun derart einseitig, daß Atlas seinem Boxer nach der achten Runde sagte, daß Rios nur noch mit seiner Hilfe gewinnen könne. Bradley ließ natürlich nicht locker und erzielte im neunten Durchgang jeweils mit Körpertreffern zwei Niederschläge. Wenngleich der Herausforderer noch einmal auf die Beine kam, mußte er sofort einen Hagel von Schlägen einstecken, worauf Ringrichter Tony Weeks dazwischenging und den Kampf nach 2:49 Minuten der Runde beendete.

Wie Timothy Bradley nach seinem souveränen Sieg berichtete, habe er den Herausforderer frühzeitig mit einem Körpertreffer erwischt. Danach habe er wenig in diese Region geschlagen, um Rios in Sicherheit zu wiegeln, bis er ihm dann mit erneuten Schlägen zum Körper den Rest geben konnte. Teddy Atlas legte die Strategie offen, wie ein Piranha Stück für Stück aus dem Gegner zu reißen, bis dieser schließlich keine Gegenwehr mehr leisten könne. Demgegenüber rätselte sein Kollege Robert Garcia, warum es ihm nicht gelungen war, Rios genügend anzutreiben. Vermutlich sei dieser aufgrund des enormen Gewichtsverlustes in den letzten Tagen konditionell eingebrochen.

Brandon Rios zollte dem Sieger Respekt, der ihn mit zwei gewaltigen Körpertreffern erledigt habe. Da gebe es keine Ausreden, da er dem besseren Mann unterlegen sei. Er sei körperlich nicht mehr auf der Höhe, fuhr der gescheiterte Herausforderer fort. Er habe viele Schlachten geschlagen und sei leider nicht mehr in der Lage gewesen, seinen Anhängern eine großartige Vorstellung zu bieten. Er glaube daher, daß es an der Zeit sei, die Handschuhe an den Nagel zu hängen.

Bradley, der mit 1,9 Millionen Dollar gegenüber den 800.000 für Rios den Löwenanteil der Börse einstreichen kann, will auch künftig mit Teddy Atlas zusammenarbeiten. Man habe nur sieben Wochen für die gemeinsame Vorbereitung Zeit gehabt und doch schon eine deutliche Verbesserung herbeigeführt. Könne man ein oder zwei Jahre in diesem Sinne fortfahren, seien nach oben hin keine Grenzen gesetzt. Er habe den ehemaligen Champion Brandon Rios vorzeitig besiegt und wolle fortan noch größere Aufgaben ins Visier nehmen. [1]

Er muß nun binnen 90 Tagen gegen den Pflichtherausforderer Sadam Ali antreten, doch warten danach wohl erheblich dickere Fische auf ihn. Eine Option wäre der Sieger des Kampfs zwischen Miguel Cotto und Saul "Canelo" Alvarez, die am 21. November aufeinandertreffen. Vor allem aber ist er als möglicher Gegner Manny Pacquiaos im Gespräch, der im Frühjahr 2016 seine Abschiedsvorstellung geben und danach endgültig in die Politik gehen will, da er sich um einen Sitz im Senat der Philippinen bewirbt.

Allerdings bleibt zu berücksichtigen, daß Bradley gegen einen erschreckend schwachen Kontrahenten gewonnen hat, der nach wenigen Runden keine nennenswerte Gegenwehr mehr leisten und aus seinem erheblichen Gewichtsvorteil keinen Nutzen ziehen konnte. Brandon Rios wirkte wie ein Schatten besserer Tage und ließ die Entschlossenheit vermissen, zumindest mit fliegenden Fahnen unterzugehen. Hätte der WBO-Weltmeister mit einem gefährlicheren Gegner wie Errol Spence, Shawn Porter oder Keith Thurman im Ring gestanden, wäre er nicht ungeschoren davongekommen. Bob Arum hat ihm mit Diego Chaves, Jessie Vargas und nun Brandon Rios vergleichsweise leichte Kontrahenten zugeführt, gegen die er glänzen konnte.

Hingegen wäre Saul Alvarez mit Sicherheit eine Nummer zu groß, zumal der Mexikaner nach dem Wiegen kaum weniger Gewicht als Brandon Rios zuzulegen pflegt, aber damit aufgrund seiner jungen Jahre körperlich wesentlich besser klarkommt. Bradley wäre in diesem Fall etwa neun Kilo leichter als sein Gegner, der im Format des Supermittelgewichts in den Ring stiege und zudem eine wesentlich größere Schlagwirkung ins Feld führen könnte. Gemessen an der aktuellen Konkurrenz im Weltergewicht sollte man daher den klaren Sieg gegen Rios nicht überbewerten und Timothy Bradley zwar unter den zehn besten Akteuren dieser Gewichtsklasse, aber keinesfalls an deren Spitze verorten. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14078777/timothy-bradley-defeats-brandon-rios-ninth-round-knockout

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/11/bradley-stops-a-fat-rios-in-the-9th/#more-201597

8. November 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang