Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


PROFI/612: Donnerkeil und Finsternis (SB)



Deontay Wilder schickt Artur Szpilka auf die Bretter

Der US-amerikanische Schwergewichtler Deontay Wilder hat vor mehr als 12.000 Zuschauern im Barclays Center in Brooklyn den WBC-Titel durch K.o. in der neunten Runde erfolgreich gegen Artur Szpilka verteidigt. Während der 30jährige Weltmeister aus Tuscaloosa in Alabama damit in 36 Kämpfen ungeschlagen ist, von denen er 35 vorzeitig beendet hat, stehen für den vier Jahre jüngeren Polen 20 Siege und zwei Niederlagen zu Buche. Damit hat Wilder den Weg für einen Kampf gegen den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin freigemacht, der wie Mike Tyson, Lennox Lewis und Tyson Fury als aufmerksamer Beobachter im Publikum saß.

Wilder, der den Titel vor einem Jahr durch einen einstimmigen Punktsieg über den Kanadier Bermane Stiverne gewonnen und zweimal erfolgreich verteidigt hatte, sah sich mit einem robusten Herausforderer konfrontiert, der mithalten konnte und Druck zu machen versuchte. In einem lebhaften Gefecht wurde Szpilka von der lautstarken polnischen Fangemeinde für jede Aktion stürmisch gefeiert und unter Schlachtgesängen in die Pause geleitet. Da der Herausforderer in der Rechtsauslage boxte, dauerte es einige Zeit, bis sich die Kontrahenten aufeinander eingestellt hatten. Nachdem in der Anfangsphase trotz einer fleißigen Schlagfrequenz nicht allzu viele Treffer erzielt worden waren, kam der Champion in der vierten Runde erstmals mit einer schweren Rechten durch, die den Gegner sichtlich erschütterte.

Szpilka revanchierte sich mit einer starken fünften Runde, in der er Wilder mit mehreren Schlägen in die Defensive zwang. Der folgende Durchgang ging dann wieder an den Weltmeister, der von seiner gefährlichen Rechten Gebrauch machte, die ihre Spuren im Gesicht des Polen hinterließ. Wenngleich der Herausforderer nach wie vor Druck machte, schien Wilder endlich die Distanz für seinen langen Jab gefunden zu haben. Der Champion wirkte nun zuversichtlich und brachte im achten Durchgang erneut seine Rechte ins Ziel, die eine Rißwunde über dem rechten Auge des Polen hervorrief.

Der Herausforderer steckte jedoch keineswegs zurück und versuchte nach wie vor, mit seinem fleißig geschlagenen Jab und häufigen Kombination zum Zuge zu kommen. Das Verhängnis ereilte ihn, als er gerade mit der Linken zum Schlag ansetzte und dabei voll von einer Rechten Wilders am Kiefer getroffen wurde, der ihm knapp zuvorgekommen war. Wie vom Blitz getroffen stürzte der Pole zu Boden, wo er geraume Zeit reglos auf dem Rücken liegenblieb. Ringrichter Mike Griffin erklärte den Kampf nach 2:24 Minuten der neunten Runde für beendet und rief sofort das ärztliche Team herbei, das Szpilka schließlich auf einer Trage aus dem Ring hob und zur Untersuchung ins Krankenhaus brachte.

Wilder sah davon ab, sich für seinen Sieg feiern zu lassen, sondern kümmerte sich zuerst am seinen am Boden liegenden Gegner. Wie er hinterher berichtete, schließe er den jeweiligen Kontrahenten stets in seine Gebete ein. Boxer setzten jedesmal ihr Leben aufs Spiel, wenn sie den Ring beträten. Um nichts in der Welt wolle er einen Gegner so verletzen, daß dieser nicht mehr zu seiner Familie heimkehren könne. Er habe Szpilka mit kurzen Worten als großartigen Herausforderer gewürdigt, der alles für Brooklyn gegeben habe. Wie der Trainer des Polen, Ronnie Shields, berichtete, gehe es seinem Schützling gut, der bei Bewußtsein sei und alles klar erfassen könne. Dennoch sei man natürlich zur Untersuchung ins Krankenhaus gefahren, um jegliche Vorsicht walten zu lassen.

Zum Zeitpunkt des kampfentscheidenden Niederschlags lag Wilder bei allen drei Punktrichtern in Führung (77:75, 78:74, 78:74). Laut der Statistik von CompuBox hatte er von insgesamt 250 Schlägen 75 ins Ziel gebracht (30 Prozent), während Szpilka bei 230 Versuchen 63mal erfolgreich gewesen war (27 Prozent). Diese Zahlenwerte korrespondieren mit der Einschätzung, daß der Weltmeister bei relativ ausgeglichenem Verlauf beträchtliche Mühe gehabt, jedoch zunehmend die Oberhand gewonnen hatte.

Wie Wilder zufrieden hervorhob, könne er seine Rechte wieder uneingeschränkt und höchst wirkungsvoll einsetzen. Da er seit drei Jahren gegen keinen Rechtsausleger mehr gekämpft habe und der Herausforderer sehr versiert zu Werke gegangen sei, habe es jedoch länger gedauert als erwartet. Da man aber um die Weltmeisterschaft kämpfe, könne nun einmal nicht alles leicht von der Hand gehen. Promoter Lou DiBella teilte die Auffassung, daß Wilder einige Zeit gebraucht habe, um die passende Distanz zu finden. Mit zunehmender Kampfdauer sei er jedoch mit seinem schnell geschlagenen Jab immer besser zur Geltung gekommen und habe seinen Auftritt schließlich mit einem verheerenden Volltreffer gekrönt. [1]

Tyson Fury, der weder Kosten noch Mühe gescheut hatte, um vor Ort Präsenz zu zeigen, setzte sich wie üblich in Szene. Im Stil eines Wrestlers schwang er sich in den Ring, um mitten in Wilders Interview mit dem Sender Showtime zu platzen. Dann setzte er zu einem Lied an und lieferte sich schließlich mit seinem Rivalen dicht an dicht ein Wortgefecht. Er werde Klitschko ein zweites Mal besiegen und sich dann um Wilder kümmern, gegen den er jederzeit und an jedem Ort antrete. Als er seine Ansprache mit Beschimpfungen würzte, zog er sich den Unmut des Publikums zu. Hatten die Zuschauer zuvor Szpilka gegen Wilder unterstützt, so zollten sie nun dessen Leistung Respekt, indem sie ihn gegen den pöbelnden Briten verteidigten. [2]

Das gab Deontay Wilder Gelegenheit zu der Erwiderung, Fury sei bekanntlich nur ein Angeber, der sich gern aufspiele. Man sei hier jedoch nicht beim Wrestling und treibe keine Späße. Sollte der Brite jemals im selben Ring mit ihm stehen, werde er ihm eine Taufe verpassen. Lou DiBella zeigte sich sehr zufrieden darüber, wie Fury den wilden Mann markiert hatte. Das alles sei nur eine Show, hinter der keine böse Absicht stecke, so der Promoter. Fury und Wilder seien beide gut fürs Geschäft, weshalb er sich sehr freuen würde, ihren Kampf veranstalten zu können. [3]

Ob es dazu kommen wird, hängt davon ab, wie Deontay Wilder und Tyson Fury ihre nächsten Kämpfe überstehen. Der US-Amerikaner muß sich voraussichtlich im Mai oder Juni mit Alexander Powetkin auseinandersetzen, der zu den versiertesten Akteuren der Branche gehört. Noch schwerer könnte es für den Briten werden, sofern er bei der Revanche gegen Wladimir Klitschko auf einen Gegner trifft, der diesmal nicht völlig paralysiert vor ihm stehenbleibt. Wenngleich nicht auszuschließen ist, daß Fury dem Ukrainer einen Schrecken mit langer Halbwertzeit eingejagt hat, der noch für einen zweiten Auftritt reicht, würde vermutlich schon eine etwas höhere Schlagfrequenz Klitschkos ausreichen, um den boxerisch limitierten Riesen in die Schranken zu weisen.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14586613/deontay-wilder-ko-artur-szpilka-9th-round

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/01/deontay-wilder-tyson-fury-exchange-words/#more-204214

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/01/deontay-wilder-stops-artur-szpilka-in-9th/#more-204209

17. Januar 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang