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PROFI/631: Müder Auftritt in Neuseeland (SB)



Joseph Parker setzt sich gegen Carlos Takam durch

Der 24jährige neuseeländische Schwergewichtler Joseph Parker darf sich Hoffnungen auf einen spektakulären und lukrativen Kampf um die Weltmeisterschaft machen. Er setze sich vor heimischem Publikum in Manukau City gegen den elf Jahre älteren Franzosen Carlos Takam einstimmig nach Punkten durch (116:112, 116:112, 115:113). Diese Wertung war keineswegs ein Geschenk an den Lokalmatador, sondern schmeichelte eher seinem Gegner. Da es sich um einen Ausscheidungskampf der IBF handelte, ist der in 19 Auftritten ungeschlagene Neuseeländer nun neuer Pflichtherausforderer bei diesem Verband, dessen Titel gegenwärtig der Brite Anthony Joshua in seinem Besitz hat.

Parker, der bislang an Nummer vier der IBF-Rangliste geführt wurde, profitierte in einem wenig mitreißenden und streckenweise niveauarmen Gefecht schlichtweg von der geringen Aktivität und augenscheinlichen Konditionsschwäche des Franzosen, für den jetzt 33 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. Auch der Neuseeländer schlug mit relativ geringer Frequenz und ließ auf die Dauer beträchtliche Konditionsprobleme erkennen, unternahm aber in den meisten Runden etwas mehr als Takam. Lediglich im ersten, fünften und neunten Durchgang machte der Gast eindeutig die bessere Figur, während Parker ansonsten jenes Quentchen frischer und mobiler zu Werke ging, das den Ausschlag auf den Zetteln der Punktrichter gab.

Wann immer Takam lebhafter geboxt und häufiger geschlagen hatte, folgten drei bis vier Runden, in denen er so gut wie nichts unternahm, um sich weiterhin besser in Szene zu setzen. Man konnte sich des Eindrucks kaum erwehren, daß er nicht in der Lage war, durchgängig auf einem anspruchsvollen Level zu boxen, sondern lange Erholungszeiten in Anspruch nehmen mußte. Das war der entscheidende Grund für Parkers Erfolg, der keineswegs einen rundum überzeugenden Auftritt gab. Er spielte vor allem seine körperlichen Vorteile aus, da er mit einer Größe von 1,93 m seinen Gegner um vier Zentimeter übertraf, aber mit einem Gewicht von rund 109 kg etwa fünf Kilo leichter war. Er arbeitete vorwiegend mit dem Jab und hielt Takam auf Abstand, der zu langsam war, um der Linken Parkers, dessen kurz angesetzten Haken und den Links-Rechts-Kombinationen zu entgehen.

Takam kam nur dann zum Zuge, wenn er wie vor allem in der fünften Runde den Gegner zurücktrieb und fortgesetzt mit Schlägen zu Kopf und Körper traktierte. Parker wirkte in dieser Phase entnervt und müde, so daß ein Niederschlag in der Luft lag, der dem Franzosen jedoch nicht gelang. Der Neuseeländer überstand diese schwere Bedrängnis und gewann in der Folge die Oberhand zurück, da sein Gegner in der folgenden Runde nicht nachsetzte und keinen Druck mehr ausübte.

Was immer Takams Ecke unternahm, um das Blatt zu wenden, blieb angesichts der Konditionsschwäche des Boxers auf der Strecke, der keine andere Vorgehensweise umsetzen konnte, als nach vorübergehenden Schüben verstärkter Aktivität wieder ausgiebige Atempausen einzulegen. Das mußte frustrierend für das Lager des erfahrenen Franzosen sein, der in seinen wenigen guten Szenen durchaus druckvoll und technisch versiert anzugreifen verstand. Allerdings kann man Parker auch gute Nehmerqualitäten attestieren, da er im neunten Durchgang einen Volltreffer verkraftete, der ihn in die Seile zurücktaumeln ließ. Dort schlug Takam weiter auf ihn ein, konnte den Lokalmatador aber nicht von den Beinen holen. Schon in der nächsten Runde war der Zauber vorbei, da Takam seinem Gegner zwar weiter nachsetzte, aber so spärlich schlug, daß Parker wieder Tritt fassen konnte.

Man muß realistischerweise festhalten, daß Carlos Takam in dieser Verfassung von einer ganzen Reihe von Kontrahenten besiegt worden wäre. Er präsentierte sich in einer Qualität, die nur wenig über der seines Gegners lag und keinesfalls ausreichen würde, um sich gegen den Weltmeister durchzusetzen. Die Zuschauer bekamen an diesem Abend einen Kampf zweier Schwergewichtler zu sehen, die in der IBF-Rangliste recht gut positioniert sind, aber nicht über das Können verfügen dürften, um es mit den führenden Akteuren aufzunehmen. Insbesondere in der Schlußphase war Parker nur eine Spur weniger erschöpft als der passiv wirkende Takam und wäre daher zur leichten Beute für einen anspruchsvollen und zugleich konditionsstarken Kontrahenten geworden. Alles in allem war es ungeachtet der verständlichen Begeisterung des neuseeländischen Publikums über den Sieg seines Favoriten eine enttäuschende Darbietung, wenn man bedenkt, was bei diesem Kampf auf dem Spiel stand.

Wie sich deutlich abzeichnete, bekommt Parker Probleme, sobald ihn ein Gegner energisch unter Druck setzt und nicht locker läßt. Wenngleich nicht bekannt ist, ob Anthony Joshua Luft für volle zwölf Runden hat, da er noch nie so lange boxen mußte, um zu gewinnen, dürfte auch eine kürzere Spanne für Joseph Parker ausreichen. Der Champion macht genügend Druck, um einen Gegner wie den Neuseeländer derart mit Schlägen einzudecken, daß dieser entweder umfällt oder vom Ringrichter stehend aus dem Kampf genommen wird. Auf diese Weise pflegt der Brite seine Auftritte vorzeitig zu gewinnen, und da eine Titelverteidigung mit Sicherheit in Großbritannien über die Bühne ginge, ist zumindest nach dem Abend in Neuseeland nicht abzusehen, daß Joseph Parker auf diesem Weg Weltmeister werden könnte. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/05/joseph-parker-defeats-carlos-takam/#more-210539

22. Mai 2016


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