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PROFI/634: Ausnahmeerscheinung als Amateur und Profi (SB)



Wassyl Lomatschenko führt Roman Martinez vor

Der zweifache Olympiasieger Wassyl Lomatschenko fährt fort, Boxgeschichte zu schreiben. Er stellte 2014 einen 39 Jahre alten Rekord ein, als er bereits in seinem dritten Profikampf Weltmeister wurde. Nun hat er schneller als jeder andere einen Titel in der zweiten Gewichtsklasse gewonnen. Im traditionsreichen Madison Square Garden in New York setzte er sich bei seinem Debüt im Superfedergewicht gegen den amtierenden WBO-Weltmeister Roman Martinez durch, der sich in der fünften Runde geschlagen geben mußte. Während der 28jährige Ukrainer damit sechs Auftritte gewonnen und einen verloren hat, stehen für den fünf Jahre älteren Puertoricaner 29 Siege, drei Niederlagen und drei Unentschieden zu Buche. Lomatschenko unterbot die alte Bestmarke des Japaners Naoya Inoue, der 2014 in seinem achten Profikampf Champion in der zweiten Gewichtsklasse geworden war und derzeit Weltmeister im Superfliegengewicht ist. [1]

Wassyl Lomatschenko dominierte dank seiner überlegenen Beinarbeit, Schnelligkeit und variablen Angriffe aus ständig wechselnden Vektoren von Beginn an den Kampf. Wenngleich sich Roman Martinez alle Mühe gab, den Gegner zu erreichen, war er schlichtweg zu langsam, um dem Ukrainer Probleme zu bereiten. Dieser stieß vor, schlug behende zu und entzog sich dem Kontrahenten sofort wieder, so daß es nur selten zum offenen Schlagabtausch kam. Diese Kampfesweise erinnerte an jene Floyd Mayweathers, die ein Teil der Zuschauerschaft höchst interessant findet, einen anderen jedoch eher langweilt, da es zu keinem Gefecht auf Biegen und Brechen kommt. Um Lomatschenko zu stellen, hätte es eines unablässigen Drucks bedurft, wie ihn der Puertoricaner jedoch nicht entfalten konnte.

Laut der Statistik von CompuBox lag der in der Rechtsauslage boxende Ukrainer mit 87:34 Treffern bereits weit in Führung, als er Martinez in der fünften Runde mit einer Kombination aus einem linken Uppercut und einem rechten Haken entscheidend traf und rücklings zu Boden schickte. Da der Titelverteidiger nicht mehr rechtzeitig auf die Beine kam, wurde er von Ringrichter Danny Schiavone nach einer Minute und neun Sekunden des Durchgangs ausgezählt.

Wie Wassyl Lomatschenko nach seinem Erfolg erklärte, wolle er künftig häufiger kämpfen, um sich weiter zu verbessern. Er schätze am olympischen Turnier, daß dort die besten Boxer jeder Gewichtsklasse zusammenträfen und den Besten ermittelten. Dasselbe schwebe ihm im Superfedergewicht unter professionellen Bedingungen vor, wo er sich mit allen führenden Akteuren messen wolle.

Der Ukrainer hatte seine einzige Niederlage im zweiten Profikampf bezogen, als er sich 2014 im Federgewicht Orlando Salido knapp nach Punkten geschlagen geben mußte. Der Mexikaner hatte sich vor Wochenfrist nach einem spektakulären Duell in Carson, Kalifornien, unentschieden von WBC-Weltmeister Francisco Vargas getrennt und saß nun im Madison Square Garden als aufmerksamer Beobachter am Ring. Lomatschenko rief ihm zu, er sei jederzeit zu einer Revanche gegen ihn bereit. Er habe Salido vor dessen Kampf gegen Vargas ermutigt, die Oberhand zu behalten und sich den Titel zu sichern. Daß ihm das nicht gelungen sei, ändere nichts an seiner Zusage, erneut gegen ihn anzutreten. Im übrigen stufe er die damalige Niederlage als unschätzbare Erfahrung ein, die ihn zu einem besseren Boxer gemacht habe. Wenngleich er inzwischen längst weitergezogen sei und diesen Rückschlag fast schon vergessen habe, wolle er seinen Fans zuliebe an dem Mexikaner Revanche nehmen. [2]

Lomatschenko zählt zu den besten Amateurboxern aller Zeiten, da er 396 Kämpfe gewonnen und nur einmal gegen den Russen Albert Selimow verloren hat, an dem er später zweimal erfolgreich Revanche nahm. Der Ukrainer gewann bei den Weltmeisterschaften 2007 eine Silbermedaille, worauf Gold in den Jahren 2009 und 2011 folgte. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing setzte er sich im Federgewicht auf so überzeugende Weise durch, daß er als bester Boxer des gesamten Turniers ausgezeichnet wurde. Vier Jahre später feierte er in London, wo er im Leichtgewicht antrat, seinen zweiten Olympiasieg.

Danach unterschrieb er einen Profivertrag bei Top Rank und gab am 12. Oktober 2013 sein erfolgreiches Debüt. Bereits in seinem zweiten Kampf forderte er im März 2014 den WBO-Weltmeister im Federgewicht, Orlando Salido, heraus, der knapp mit 2:1 Wertungen die Oberhand behielt. Der Mexikaner hatte beim Wiegen den Titel verloren, da er die Gewichtsgrenze überschritt. Beim Kampf selbst war er rund fünf Kilo schwerer als Lomatschenko, was in dieser leichten Gewichtsklasse für irreguläre Verhältnisse sorgte. Zudem ließ der Ringrichter Salido sämtliche schmutzigen Tricks durchgehen und ignorierte Tiefschläge des Mexikaners in Serie.

Am 22. Juni 2014 besiegte Lomatschenko im Kampf um den vakanten WBO-Titel im Federgewicht den zuvor ungeschlagenen US-Amerikaner Gary Russell einstimmig nach Punkten und wurde damit in seinem dritten Profikampf Weltmeister. Er verteidigte seinen Gürtel dreimal erfolgreich, doch blieben ihm spektakuläre Auftritte und weitere Titel versagt, weil ihm die namhaftesten Akteure aus dem Weg gingen. Daher griff er sofort zu, als sich ihm die Gelegenheit eines Titelkampfs in der höheren Gewichtsklasse bot. Der im kalifornischen Oxnard lebende Ukrainer ging dabei ein beträchtliches Risiko ein, da Martinez nicht nur wesentlich erfahrener ist, sondern in New York auch vor einer riesigen Fangemeinde auftreten konnte, weil dort am Wochenende die alljährliche puertoricanische Parade stattfand, die sich enormer Popularität erfreut. Daß Wassyl Lomatschenko in seinem siebten Profikampf auf Anhieb in der höheren Gewichtsklasse einem erfahrenen Weltmeister, der mit einem haushohen Heimvorteil antrat, auf souveräne Weise den Titel abgejagt hat, unterstreicht sein außergewöhnliches Können.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/16138350/vasyl-lomachenko-ko-roman-rocky-martinez-junior-lightweight-debut

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/06/roman-martinez-vs-vasyl-lomachenko-results/#more-211856

13. Juni 2016


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