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PROFI/637: Was Generalproben an sich haben (SB)



Durchwachsener Auftritt Sergej Kowaljows gegen Isaac Chilemba

Sergej Kowaljow hat die Titel der Verbände WBA, WBO und IBF im Halbschwergewicht in Ekaterinburg durch einen einstimmigen Punktsieg über Isaac Chilemba erfolgreich verteidigt (117:110, 116:111, 118:109). Während für den 33jährigen Russen damit 30 Siege und ein Unentschieden zu Buche stehen, hat der vier Jahre jüngere Herausforderer, der ursprünglich aus Malawi stammt und in Südafrika lebt, nunmehr 24 Auftritte gewonnen, vier verloren sowie zwei unentschieden beendet. Für den Weltmeister war dieser Kampf eine Durchgangsstation auf dem Weg zum Prestigeduell mit Andre Ward, das am 19. November in Las Vegas über die Bühne gehen soll. Der Kalifornier ist in 29 Auftritten ungeschlagen und galt als weltbester Boxer des Supermittelgewichts, bis er mangels geeigneter Gegner ins höhere Limit aufstieg. Auch Ward steht vorher noch ein Kampf ins Haus, bei dem er am 6. August im heimischen Oakland auf Alexander Brand trifft. [1]

Sergej Kowaljow, der seit Beginn seiner siebenjährigen Profikarriere in den USA lebt, war zuletzt vor fünf Jahren in Rußland aufgetreten. Damals endete sein Kampf in Ekaterinburg gegen Roman Simakow in einer Tragödie, da dieser drei Tage später seinen schweren Kopfverletzungen erlag. Vermutlich hätte der Weltmeister seinen Landsleuten im Kampf gegen Chilemba gerne einen vorzeitigen Sieg beschert, doch erwies sich der Herausforderer als widerspenstiger und robuster Gegner. Hinterher waren die Meinungen geteilt, wie diese Vorstellung Kowaljows einzuschätzen sei. Während die einen von seiner bislang schwächsten Titelverteidigung sprachen, attestierten ihm andere einen soliden Auftritt, bei dem er den Umständen gerecht geworden sei. [2]

Auffallend war seine Zurückhaltung in der ersten Hälfte des Kampfs wie auch eine bei ihm ungewohnte Vorsicht im weiteren Verlauf, da er offensichtlich nur phasenweise alles auf eine Karte setzte. Das war insofern verständlich, als eine unverhoffte Niederlage die Pläne zunichte gemacht hätte, sich im November mit Ward zu messen. Jedenfalls ging er längst nicht so unbekümmert und offensiv zu Werke, wie man das von ihm kennt, wozu sicher auch Chilembas geschickte Kampfesweise beigetragen haben dürfte. Der Herausforderer arbeitete konsequent mit einem hart geschlagenen Jab, der den Champion so oft traf, daß dieser seine eigenen Angriffe zunächst recht sparsam dosierte.

In den ersten vier Runden hatte Chilemba mehrere gute Szenen, da er den angreifenden Titelverteidiger mit dem Jab oder linken Haken auskontern konnte. Im folgenden Durchgang kam Kowaljow besser in den Kampf, doch wogte das Geschehen noch eine Weile hin und her, bis der Weltmeister schließlich in der siebten Runde erstmals einen Volltreffer landen konnte. Er ließ einer linken Geraden eine wuchtige Rechte zum Kiefer folgen, die den Herausforderer zurücktaumeln und an den Seilen zu Boden sinken ließ, wo er angezählt wurde. Chilemba kam mühsam wieder auf die Beine und konnte in dieser Phase von Glück reden, daß die nahe Pause den Russen daran hinderte, entscheidend nachzusetzen.

Gegen Ende des achten Durchgangs brachte Kowaljow zwei Haken durch und versetzte dem angeschlagenen Gegner weiter Treffer, bis dieser im Clinch für eine kurze Unterbrechung sorgte. Nachdem der Ringrichter die Kontrahenten voneinander getrennt hatte, mußte Chilemba erneut harte Schläge einstecken, die jedoch zu ungenau waren, um einen erneuten Niederschlag herbeizuführen. In der Folge nahm Kowaljow das Tempo aus dem Kampf, wobei offenblieb, ob er allmählich müde geworden war oder den Gegner so sicher im Griff wähnte, daß er dieses und jenes ausprobieren konnte, ohne auf eine Entscheidung drängen zu müssen. Erst in der letzten Minute der zwölften Runde drehte der Champion noch einmal auf und deckte den Gegner unablässig mit Schlägen ein. Schwer gezeichnet überstand Chilemba jedoch auch den letzten Ansturm.

Der Herausforderer hatte sich gut gehalten, war er doch angesichts seiner soliden Deckung und Beweglichkeit schwer zu treffen. Mit seinem Jab konnte er Kowaljow geraume Zeit bremsen, doch hätte er schon einen Glückstreffer landen müssen, um den Kampf für sich zu entscheiden. Daß er nach dem Niederschlag wieder auf die Beine kam und in der Folge weitere heftige Attacken überstand, zeugt von seiner ungewöhnlichen Standhaftigkeit. Der Russe war in seiner Profikarriere zuvor nur dreimal über die volle Distanz gegangen und hatte in seinen letzten acht Titelkämpfen lediglich gegen den erfahrenen Altmeister Bernard Hopkins zwölf Runden gebraucht, um den Ring als Sieger zu verlassen.

Um Andre Ward in die Schranken zu weisen, muß Sergej Kowaljow allerdings mit einer wesentlich stärkeren Leistung aufwarten. Würde er im November so bedächtig und nur phasenweise angriffslustig boxen wie gegen Chilemba, nähme ihm der mit allen Wassern gewaschene Kalifornier Runde für Runde ab. Ward schlägt einen schnellen Jab, einen harten linken Haken und eine präzise Rechte, womit die Aufzählung seiner Qualitäten noch längst nicht erschöpft ist. Er hat es mit einem reichhaltigen Repertoire erlaubter wie unerlaubter Mittel zur Meisterschaft bei der Neutralisierung gefährlicher Gegner gebracht, so daß er auch Kowaljow vor enorme Probleme stellen wird.

Wenngleich sich der Russe auch in technischer und taktischer Hinsicht erheblich verbessert hat, ist er doch vor allem wegen seines Killerinstinkts und der Wucht seiner Schläge gefürchtet. Andre Ward wird den Auftritt Kowaljows gründlich analysieren, die Schwächen des Weltmeisters herausarbeiten, sich aber von dessen verhaltener Kampfesweise gegen Chilemba kaum täuschen lassen. Wenngleich nicht ganz auszuschließen ist, daß der Champion mit diesem Herausforderer schlechter als erwartet zurechtkam, spricht doch vieles dafür, daß er sich damit begnügte, den Sieg sicher einzufahren. Wenn im November einer der herausragenden Kämpfe des Jahres ausgetragen wird, bei dem die Vorherrschaft im Halbschwergewicht auf dem Spiel steht, dürfte man einen anderen Sergej Kowaljow erleben.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/07/sergey-kovalev-vs-isaac-chilemba-results/#more-213175

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/16990731/sergey-kovalev-course-andre-ward-bout-unanimous-points-win-isaac-chilemba

12. Juli 2016


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