Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


PROFI/638: Mit einem Arm zum ungefährdeten Sieg (SB)



Deontay Wilder dominiert Chris Arreola auf ganzer Linie

Deontay Wilder hat den WBC-Titel im Schwergewicht vor 12.000 Zuschauern in Birmingham, Alabama, durch technischen K.o. in der achten Runde erfolgreich gegen Chris Arreola verteidigt. Während der ungeschlagene Weltmeister seine Bilanz auf 37 gewonnene Kämpfe ausbaute, in denen er nur einmal über die volle Distanz gehen mußte, stehen für den Herausforderer nun 36 Siege, fünf Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche. Es war Wilders vierte Titelverteidigung und Arreolas dritte K.o.-Niederlage in einem Kampf um die Weltmeisterschaft, nachdem er zuvor schon 2009 an Vitali Klitschko und 2014 an Bermane Stiverne gescheitert war.

Zum Ärger des Publikums passierte in der ersten Runde nichts Nennenswertes, da keiner der beiden Akteure ernsthaft versuchte, den andern zu treffen. Dieses Bild setzte sich auch im folgenden Durchgang fort, bis der Champion mit einer Rechten durchkam, die dem Kontrahenten eine Rißwunde über der Nasenwurzel zufügte. Wenngleich Arreola nun versuchte, etwas mehr zum Geschehen beizusteuern, mangelte es ihm an Reichweite und Schnelligkeit, um den Lokalmatador zu erreichen. Kam er Wilder aber doch einmal nahe, lehnte sich dieser auf ihn und unterband damit jegliche Schläge. Der Weltmeister arbeitete fleißig mit dem Jab, der freilich nicht sonderlich schnell und hart ausfiel, was angesichts der Schwäche des Gegners aber auch nicht erforderlich war.

In der vierten Runde lag ein vorzeitiges Ende in der Luft, als Arreola mehrere schwere Rechte einstecken mußte und zu Boden ging. Sichtlich angeschlagen schaffte er es gerade noch in die Pause. Wilder zog sich bei diesen Aktionen jedoch Verletzungen an der rechten Hand und am Bizeps zu, die dazu führten, daß er von diesem Zeitpunkt an praktisch nur noch einhändig kämpfen konnte. Der Herausforderer war jedoch nicht in der Lage, daraus einen Vorteil zu ziehen, selbst als ihn Wilder im sechsten Durchgang ungehindert zum Körper schlagen ließ. Kurz vor Ende der siebten Runde wurde Arreola von einem erneuten schweren Treffer erschüttert, doch abermals vom Pausengong gerettet. Im achten Durchgang benutzte der Champion fast ausschließlich den Jab und dominierte dennoch auf ganzer Linie, was den langjährigen Trainer des schwer gezeichneten Arreola, Henry Ramirez, am Ende der Runde bewog, Ringrichter Jack Reiss zu signalisieren, daß man den Kampf aufgebe.

Der Herausforderer kam nicht mit der Beweglichkeit Wilders zurecht, der sich ihm fast spielend entzog, und selbst wenn sich der Weltmeister treffen ließ, blieben die Angriffe wirkungslos. Wie die Statistik von CompuBox bestätigte, hatte der Titelverteidiger wesentlich häufiger geschlagen und getroffen als der Herausforderer. Dies kam auch in der Wertung der Punktrichter zum Ausdruck, die ihn zum Zeitpunkt des Abbruchs klar mit 80:71, 80:71 und 79:72 in Führung gesehen hatten. Arreola hätte den Kampf zwar noch fortsetzen können, sofern seine Ecke dazu bereit gewesen wäre. Da sein linkes Auge jedoch fast zugeschwollen war, machte es schlichtweg keinen Sinn, das aussichtslose Unterfangen fortzusetzen. [1]

Dr. David Williams, ein Arzt der Boxkommission von Alabama, diagnostizierte in der Kabine einen Bruch an Wilders rechter Hand und den Verdacht auf einen Riß des Bizepsmuskels. Der Champion wurde anschließend zur weiteren Untersuchung ins Krankenhaus gebracht. Sollte sich die Schwere der Verletzungen bestätigen, fällt Wilder für längere Zeit aus. Grundsätzlich stellt sich bei dem 30jährigen die Frage, ob er bereits einem körperlichen Verschleiß Tribut zollen muß. Im Januar 2015 hatte er sich beim Titelgewinn gegen Bermane Stiverne schon einmal die rechte Hand gebrochen und mußte daraufhin eine Pause einlegen. Als er fünf Monate später in den Ring zurückkehrte, behielt er zwar in der neunten Runde gegen Eric Molina die Oberhand, setzte aber die Rechte auffallend sparsam und vorsichtig ein.

Chris Arreola kann man allenfalls zugute halten, daß er kurzfristig als Gegner eingesprungen war und kein ausgiebiges Trainingslager absolvieren konnte. Er kam im Kampf jedoch auch dann nicht zur Geltung, wenn er frei vor dem Gegner stand, was der Annahme neue Nahrung gab, daß es mit ihm weiter bergab geht. Er hatte seit dem Sieg gegen Seth Mitchell im Jahr 2013 keinen guten Eindruck mehr gemacht und enorme Probleme mit vergleichsweise schwachen Gegnern wie Fred Kassi im Juli 2015 und Travis Kauffman im Dezember gehabt.

Auch Wilder konnte an diesem Abend nicht überzeugen, was jedoch größtenteils auf seine Verletzungen zurückzuführen sein dürfte, ohne die er wohl früher gewonnen hätte. Er setzte den Jab sehr häufig, aber weniger wirkungsvoll als bei früheren Auftritten ein. In Anbetracht der besonderen Umstände ist jedoch ein Quervergleich müßig, wie sich der WBC-Champion wohl gegen Anthony Joshua, Tyson Fury oder Wladimir Klitschko geschlagen hätte. Wahrscheinlich wird er seinen nächsten Kampf ohnehin gegen Alexander Powetkin bestreiten, sofern das WBC den Russen weiterhin als Pflichtherausforderer führt.

Powetkin stand zeitweise unter Dopingverdacht, der inzwischen jedoch entkräftet sein dürfte. Der anberaumte Kampf gegen Wilder in Moskau wurde allerdings abgesagt und Powetkins Status auf Eis gelegt. Der Verband nimmt sich viel Zeit, um eine Entscheidung zu treffen, doch steht eine Rehabilitation Powetkins und damit ein nachgeholter Kampf gegen Wilder zu erwarten. Der Russe ist zweifellos ein gefährlicherer Gegner als Arreola, doch da eine riesige Börse in Aussicht steht, dürfte auch dem Weltmeister sehr daran gelegen sein, Versäumtes nachzuholen und in Moskau anzutreten.

Promoter Lou DiBella hob die Leistung Deontay Wilders hervor, trotz seiner schweren Verletzung weitergekämpft und auch mit einem Arm vorzeitig gewonnen zu haben. Chris Arreola zollte dem Sieger mit den Worten Respekt, er habe sich als der wesentlich bessere Boxer erwiesen und ihn überhaupt nicht zum Zuge kommen lassen. Der 35jährige Herausforderer aus Riverside, Kalifornien, erhielt eine Börse von 150.000 Dollar, deren Abstand zu den 1,4 Millionen Dollar Wilders so eklatant wie der Unterschied zwischen den beiderseitigen Darbietungen im Ring ausfiel. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/07/deontay-wilder-vs-chris-arreola-results/#more-213539

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/17091750/deontay-wilder-defeats-chris-arreola-eight-round-tko-retains-heavyweight-title

18. Juli 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang