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PROFI/643: Trauerspiel erbost das Publikum (SB)



Daniel Jacobs führt restlos überforderten Sergio Mora vor

Das wichtigste Signal der Veranstaltung in Reading, Pennsylvania, steuerte WBA-Präsident Gilberto Mendoza mit der Ankündigung bei, er werde einen Kampf zwischen Gennadi Golowkin und Daniel Jacobs anordnen, der noch in diesem Jahr über die Bühne gehen könne. Sollte der Superchampion dieses Verbands im Mittelgewicht tatsächlich auf den regulären Weltmeister treffen, wäre das nicht nur ein attraktives Duell, sondern zugleich eine wünschenswerte Flurbereinigung im Gespinst entufernder Titel.

Was aber den Auftritt von Daniel Jacobs an diesem Abend betraf, begleitete ihn das Publikum von der vierten Runde an mit lautstarken Mißfallensäußerungen. Dabei war dem haushoch überlegenen Weltmeister kein Vorwurf zu machen, wohl aber seinem Management, das den restlos überforderten Sergio Mora als Herausforderer ausgewählt hatte. Als die beiden im August 2015 in Brooklyn erstmals aufeinandergetroffen waren, lieferten sich die Kontrahenten ein heftiges Gefecht mit wechselseitigen Niederschlägen bereits in der ersten Runde. Im zweiten Durchgang schickte Jacobs seinen Gegner erneut zu Boden, der sich dabei einen Bruch im rechten Fußgelenk zuzog und den Kampf nicht fortsetzen konnte. Seither hatte Mora des öfteren eine Revanche gefordert, doch ließ Jacobs zunächst wenig Interesse an einem Rückkampf erkennen, bis er schließlich doch seine Meinung änderte und dem Ansinnen stattgab.

Der New Yorker hatte im August 2014 durch einen Sieg über den Australier Jarrod Fletcher den vakanten WBA-Titel gewonnen und ihn im April 2015 gegen Caleb Truax erstmals erfolgreich verteidigt. Statt sich unter den Top 15 der WBA einen stärkeren Gegner auszusuchen, fiel die Wahl des Weltmeisters dann auf Sergio Mora, wofür wohl eher sein Berater Al Haymon die Weichen gestellt hatte. Im Dezember 2015 feierte Jacobs im Kampf gegen seinen langjährigen Freund und Rivalen Peter Quillin, der ebenfalls in Brooklyn zu Hause ist, einen spektakulären K.o.-Sieg nach nur 75 Sekunden.

In Sergio Moras Laufbahn finden sich wenig Anhaltspunkte dafür, daß er Jacobs auf gleicher Augenhöhe begegnen könnte. Er gewann vor acht Jahren den WBA-Titel im Halbmittelgewicht, weil Vernon Forrest in desolater Verfassung antrat und nach Punkten gegen ihn verlor. Als es drei Monate später zur Revanche kam, präsentierte sich Forrest wieder in Normalform und holte sich umgehend den Gürtel zurück. Ansonsten besiegte Mora einige mehr oder minder namenlose Gegner, verlor zweimal gegen Brian Vera und gewann fünf Kämpfe in Folge, bis er sich Daniel Jacobs erstmals geschlagen geben mußte.

Wie dieser zur Begründung seines Sinneswandels anführte, seien ihm Moras haltlose Behauptungen in den sozialen Medien allmählich auf die Nerven gegangen. Deshalb nehme er die Gelegenheit wahr, ihn vor aller Augen zum Schweigen zu bringen und klarzustellen, wer der Champion sei. Mora verkündete hingegen, er habe Jacobs in der ersten Runde niedergeschlagen und in der zweiten ausgeboxt. Sein Gegner wisse nur zu gut, daß er die Revanche noch mehr als ihren ersten Kampf zu fürchten habe. Jetzt müsse sich der Titelverteidiger dem Unvermeidlichen stellen und werde dabei auf einen Herausforderer treffen, der genügend Dampf in den Fäusten habe, um ihm eine schmerzhafte Lektion zu erteilen.

Wenngleich Spekulationen kursierten, wie der erste Kampf wohl ohne Moras frühe Verletzung ausgegangen wäre, bestand allgemein wenig Interesse an einer Revanche. Zum einen hatte der 35jährige Herausforderer seither nicht mehr im Ring gestanden, zum anderen wurde er bei keinem der vier maßgeblichen Verbände unter den Top 15 der Rangliste geführt. Dies warf die Frage auf, wieso ihm die WBA überhaupt einen Titelkampf gewährte, noch dazu unmittelbar nach seiner Niederlage.

Das Trauerspiel in Reading übertraf insofern die schlimmsten Befürchtungen, als der 29 Jahre alte Daniel Jacobs ein lächerlich leichtes Spiel hatte, den Kampf mit insgesamt fünf Niederschlägen für sich zu entscheiden. In der vierten Runde mußte Mora nach einem linken Haken erstmals zu Boden gehen, als er sich wieder einmal tief vornübergebeugt hatte, um den Fäusten des Weltmeisters zu entgehen. Im folgenden Durchgang schickte ihn Jacobs in einer ähnlichen Situation gar mit einem Schlag auf die Schulter zu Boden, wobei ihm der Herausforderer diese Aktion mit seinem ständigen Abducken allzu leicht machte.

Dann landete Mora in der sechsten Runde zweimal auf der Matte, was der Ringrichter jedoch nicht als Niederschläge wertete, da er zugunsten des Herausforderers entschied, dieser sei nach Treffern lediglich ausgerutscht. Wenngleich es wohl besser gewesen wäre, den ungleichen Kampf in dieser Phase enden zu lassen, konnte Mora trotz seiner sichtlichen Schwäche zum siebten Durchgang antreten. Dort stürzte der Herausforderer infolge einer Rechten zum Kopf zu Boden und mußte einen weiteren Niederschlag hinnehmen, kaum daß er wieder auf die Beine gekommen war. Er wurde bis neun angezählt, raffte sich noch einmal auf, und fiel unter den Angriffen des Weltmeisters ein drittes Mal in dieser Runde um, worauf der Referee der Tragödie endlich ein Ende machte.

Daniel Jacobs verbesserte dank dieser erfolgreichen Titelverteidigung seine Bilanz auf 32 Siege und eine Niederlage, während Sergio Mora nunmehr 28 Auftritte gewonnen, fünf verloren sowie zwei weitere unentschieden abgeschlossen hat. Damit dürfte das Kapitel dieser Duelle unwiderruflich beendet sein, da sich eine dritte Auflage weder rechtfertigen noch verkaufen ließe. Jacobs kann den Blick wieder nach vorn richten, wo Gennadi Golowkin bedrohlich am Horizont erscheint. Eine schlechtere Einstimmung auf diese schwerste aller Prüfungen als den fast geschenkten Sieg über Mora hätte man Jacobs kaum bescheren können. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/09/daniel-jacobs-vs-sergio-mora-results/#more-216856

11. September 2016


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