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PROFI/652: Ein Volltreffer sorgt für klare Verhältnisse (SB)



Deontay Wilder setzt sich gegen Gerald Washington durch

Deontay Wilder hat den WBC-Titel im Schwergewicht zum fünften Mal erfolgreich verteidigt. Der 31jährige Weltmeister aus Tuscaloosa setzte sich vor 12.346 Zuschauern in Birmingham, Alabama, in der fünften Runde gegen den drei Jahre älteren Herausforderer Gerald Washington durch, der in Vallejo, Kalifornien, zu Hause ist. Während Wilder damit in 38 Profikämpfen ungeschlagen ist, bei denen er nur einmal über die volle Distanz boxen mußte, stehen für seinen zuvor ebenfalls unbezwungenen Kontrahenten nun 18 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche. [1]

Der WBC-Champion sollte ursprünglich auf den Polen Andrzej Wawrzyk treffen, der jedoch Mitte Januar bei zwei unangekündigten Stichproben der Antidopingagentur VADA positiv auf Steroide getestet wurde und deshalb nicht mehr in Frage kam. Als attraktiver Ersatz wurde wenig später Gerald Washington verpflichtet, der allerdings gleichermaßen als Außenseiter galt. Der ehemalige Football-Spieler der University of Southern California hatte am Training verschiedener NFL-Teams teilgenommen, ehe er zum Boxen wechselte, wo er nicht zuletzt dank seiner beeindruckenden Körpermaße Furore machte. [2]

Mit 1,98 m nur drei Zentimeter kleiner als der Titelverteidiger, doch erheblich schwerer als dieser, hielt sich Washington zunächst erstaunlich gut gegen den auffallend zurückhaltend agierenden Wilder. Dieser machte wenig Gebrauch von der Rechten, an der er operiert worden war, und schlug vier Runden lang nicht allzu häufig, so daß Washington mit dem Jab und gelegentlichen rechten Geraden und Haken sogar zu dominieren schien. Im vierten Durchgang brachte der Champion etliche Treffer zuwege, doch revanchierte sich der Herausforderer in den letzten Sekunden dafür, womit er Eindruck bei den Punktrichtern gemacht haben dürfte.

Zu Beginn der fünften Runde machte Washington einen zuversichtlichen Eindruck, da ihn Wilder mehrfach verfehlte. Dann ließ sich der Herausforderer jedoch dazu verleiten, an den Seilen lehnend die Angriffe des Favoriten zu erwarten. Dieser nutzte die Gelegenheit sofort, dem Gegner eine gewaltige Rechte zu versetzen und gab ihm mit einem linken Haken den Rest, der Washington zu Boden schickte. Wenngleich dieser wieder auf die Beine kam, mußte er augenblicklich weitere Treffer einstecken, bis ihn Ringrichter Mike Griffin nach 1:45 Minuten der Runde stehend aus dem Kampf nahm. Zu diesem Zeitpunkt lag Wilder bei einem Punktrichter mit 39:37 in Front, während die beiden anderen 38:38 notiert hatten.

Wie sein Promoter Lou DiBella anmerkte, habe sich Washington in den ersten vier Runden bemerkenswert gut behauptet und den Weltmeister ein wenig frustriert. Dann sei jedoch der Volltreffer eingeschlagen, und gute Nacht. Wilder, dessen linke Augenpartie von den Schlägen des Gegners gezeichnet war, sprach von einem Herausforderer, der natürlich im Kampf um den Titel hoch motiviert zu Werke gegangen sei. Er selbst habe jedoch die Ruhe bewahrt und seinen Rhythmus gefunden, bis der Gegner allmählich müde geworden sei. Es sei eben eine Frage des Timings und der Fähigkeit, die Taktik zu variieren. Wie er allerdings einräumte, habe er die Zügel anfangs zu sehr schleifen lassen. Schließlich sei er ungeduldig geworden und habe die Entscheidung gesucht.

Deontay Wilder hatte an diesem Abend eine durchwachsene Vorstellung geboten, was er sich erlauben konnte, da Washington weder besonders schnell noch gefährlich zuschlagen kann. Gegen die allerbesten Rivalen müßte der WBC-Weltmeister jedoch entschiedener zu Werke gehen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Großen Rückhalt gab ihm auch diesmal sein heimisches Publikum, das vielstimmig mitsang, als in der entscheidenden Phase des Kampfs "Sweet Home Alabama" aus den Lautsprechern dröhnte. Vor seiner Fangemeinde zu kämpfen sei ein wahrer Segen, bedankte sich der Weltmeister bei Publikum. Diese Unterstützung bedeute ihm sehr viel, da er in Alabama gleichsam im Kreise seiner Familie auftrete.

Im nächsten Schritt könnte Wilder auf den Neuseeländer Joseph Parker treffen, sofern der WBO-Weltmeister am 6. Mai in Auckland gegen den Briten Hughie Fury die Oberhand behält. Da ein Erfolg des Titelverteidigers zu erwarten steht, erklärte der US-Amerikaner, er sei bereit für diesen Kampf. Er habe seinen Job erledigt, und nun sei Parker an der Reihe, das Seine zu tun. Letzten Endes sollte es nur einen einzigen Weltmeister im Schwergewicht geben, und der werde Deontay Wilder heißen. Parker, der vor Ort den Auftritt seines mutmaßlichen Kontrahenten verfolgte, hatte bereits im Vorfeld sein Interesse bekundet, im Kampf gegen Wilder die beiden Gürtel zusammenzuführen.

Wenngleich seine Titelverteidigung gegen Gerald Washington vier Runden lang recht holprig verlaufen war, kann Wilder alles in allem zufrieden sein. Er scheint eine schwierige Periode seiner Karriere abgeschlossen zu haben, in der er sich mit diversen Widrigkeiten konfrontiert sah. Das Mißgeschick nahm im Mai 2016 seinen Lauf, als der ungewöhnlich hoch dotierte Kampf gegen den damaligen Pflichtherausforderer Alexander Powetkin in Moskau neun Tage vor dem Auftritt ins Wasser fiel. Der Russe war von der VADA positiv auf eine Substanz getestet worden, die seit Anfang des Jahres auf der Dopingliste steht.

Wilder kehrte aus England, wo er sich akklimatisiert hatte, unverrichteter Dinge nach Hause zurück und traf um Juli in Alabama auf Chris Arreola, der ersatzweise verpflichtet worden war. Er schaltete den Herausforderer in der achten Runde aus, zog sich dabei jedoch einen Bruch der Schlaghand sowie einen Muskelriß am Bizeps zu, die ihn längere Zeit außer Gefecht setzten. Als er endlich auskuriert und wieder einsatzbereit war, wiederholte sich mit Andrzej Wawrzyk das Dopingproblem auf ähnliche Weise. Überdies versäumte Wilder acht Tage seines Trainingslagers vor dem Kampf gegen Washington, da er aus dem relativ warmen Alabama ins tiefverschneite New York reisen mußte, um dem Zivilprozeß zwischen Lou DiBella und Alexander Powetkin sowie dessen Promoter Andrej Riabinski beizuwohnen. DiBella hatte nach der Absage des Titelkampfs in Moskau Klage wegen Vertragsbruchs eingereicht und bekam Recht, so daß Wilder mit einer finanziellen Entschädigung in bislang unbekannter Höhe rechnen kann.

Der Sieg über Washington hat nun die Tür zu einem Vereinigungskampf der Weltmeister gegen Joseph Parker offengehalten. Sollte es dazu kommen und der US-Amerikaner gewinnen, könnte er im Besitz zweier Gürtel den Sieger des Kampfs zwischen dem Briten Anthony Joshua und Wladimir Klitschko herausfordern, der die Trophäen der WBA und IBF mitbringt. Dann könnte es Ende des Jahres tatsächlich einen einzigen Weltmeister im Schwergewicht geben.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/02/deontay-wilder-vs-gerald-washington-results/#more-228465

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18768383/deontay-wilder-knocks-gerald-washington-fifth-round-retain-heavyweight-world-title

27. Februar 2017


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