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PROFI/659: Generationswechsel in Sheffield (SB)



Errol Spence entthront Kell Brook im Weltergewicht

Errol Spence ist neuer IBF-Weltmeister im Weltergewicht. Vor 27.000 Zuschauern in Sheffield entthronte der 27jährige Herausforderer den vier Jahre älteren Lokalmatador Kell Brook in der elften Runde. Während der Texaner aus DeSoto in 22 Kämpfen ungeschlagen ist, stehen für den Briten nun 36 Siege und zwei Niederlagen zu Buche. Spence, der als Amateur an den Olympischen Spielen 2012 in London teilgenommen und nach seinem Wechsel ins Profilager die Gegner reihenweise vorzeitig besiegt hatte, war unter hochgespannten Erwartungen nach England gereist. Obgleich das Publikum geschlossen hinter Brook stand, bot der favorisierte Herausforderer eine eindrucksvolle Vorstellung und sicherte sich seinen ersten Gürtel. Hingegen gelang es dem Briten nicht, bei seiner vierten Titelverteidigung einen außergewöhnlichen Auftritt zu geben, wie er erforderlich gewesen wäre, um dem als größtes Talent im Weltergewicht gehandelten US-Amerikaner Paroli zu bieten.

Spence ergriff frühzeitig die Initiative mit seinem Jab, wobei sich rasch abzeichnete, daß Brook Probleme mit der Schnelligkeit des Gegners bekommen würde. Gelegentlich fand der Brite eine Lücke in der Deckung des Herausforderers und brachte seine Rechte ins Ziel, so daß das Kampfgeschehen einige Zeit hin und her wogte, bis der Texaner seine wuchtige Rechte des öfteren plazieren konnte. Dem Titelverteidiger mangelte es offensichtlich an Schlagwirkung, und so verlegte er sich in der vierten und fünften Runde häufig aufs Klammern, um den Treffern des Kontrahenten zu entgehen. Zudem wirkten seine Aktionen recht vorhersehbar, was auch daran gelegen haben dürfte, daß er das Gegenfeuer des US-Amerikaners fürchtete.

Brook brachte seine besten Schläge in der achten Runde an, als Spence seine Deckung häufiger öffnete und den Druck erhöhte. Er schlug nicht nur häufiger, sondern auch wirkungsvoller als der Brite, der im folgenden Durchgang schwere Treffer an der Schläfe einstecken mußte. Nachdem ihn der Titelverteidiger bis dahin des öfteren durch Klammern eingeschränkt hatte, schlug er nun wuchtig zum Körper, selbst wenn er festgehalten wurde. Dies und seine gefährlichen Kombinationen, die den Gegner erschütterten, brachten den Lokalmatador zusehends ins Hintertreffen. Als der Herausforderer schließlich wieder einen seiner gefürchteten Schläge zum Körper durchbrachte, dem er sofort eine Kombination zum Kopf folgen ließ, sank Brook auf ein Knie und mußte damit den ersten Niederschlag hinnehmen. Wenngleich sein linkes Auge fast zugeschwollen war, bewies er doch enormen Kampfgeist und griff wenig später seinerseits an.

Wie sich in der elften Runde herausstellte, war dies das letzte Gefecht des Lokalmatadors gewesen. Nachdem ihn Spence mehrfach schwer an Kopf und Körper getroffen hatte, ging Brook auf ein Knie und hielt sich die linke Augenpartie, bis er von Ringrichter Howard Foster nach einer Minute und 47 Sekunden des Durchgangs ausgezählt wurde. Zugleich winkte sein Trainer Dominic Ingle zum Zeichen, daß der Kampf abgebrochen werden solle.

Kell Brook hatte den Titel im Jahr 2014 durch einen umstrittenen Punktsieg gegen Shawn Porter in den USA gewonnen und in der Folge gegen die relativ schwachen Herausforderer Jo Jo Dan, Frankie Gavin und Kevin Bizier dreimal erfolgreich verteidigt. Dann stieg er vorübergehend ins Mittelgewicht auf, um sich dort am 10. September 2016 in London mit Gennadi Golowkin zu messen, der ihn in der fünften Runde besiegte. Der Brite zog sich dabei einen Bruch an der rechten Augenhöhle zu, der operativ behandelt werden mußte. Die neuerliche Verletzung im Kampf gegen Spence könnte dauerhafte Folgen für Brooks weitere Karriere haben.

Der Brite zollte dem Sieger als variablem und unangenehmem Gegner Respekt, der überdies gewaltig zuschlagen könne und ein wahrer Champion sei. Ähnlich wie im Kampf gegen Golowkin sei ihm erneut eine Verletzung in die Quere gekommen, nur diesmal am linken Auge und nicht ganz so schlimm wie beim vorigen Mal. Dennoch habe er in der elften Runde alles doppelt gesehen und deswegen nicht mehr weiterkämpfen können. Er bedauere zutiefst, den Titel vor den Fans in seiner Heimatstadt verloren zu haben, wenngleich dies wohl der beste Gegner gewesen sei, mit dem er je im Ring gestanden habe. [1]

Errol Spence gab sich nach seinem Erfolg selbst eine B-minus, da er nicht ganz mit seiner Offensive und Defensive zufrieden gewesen sei. Er habe indessen den Weg nach Sheffield nicht gescheut, da ein echter Champion überall antreten müsse. Nach seinen Zukunftsplänen gefragt, nannte er Kämpfe gegen WBA/WBC-Weltmeister Keith Thurman oder WBO-Champion Manny Pacquiao, um die Titel zusammenzuführen.

Kell Brook hatte sich in diesem Kampf zunächst überraschend gut gehalten, kräftig mitgepunktet und stets im richtigen Augenblick geklammert, um Spence an der Entfaltung zu hindern. Bis zur achten Runde lag der Brite sogar in Führung, ohne daß man von einer Fehlleistung der Punktrichter wie im Kampf gegen Golowkin sprechen konnte. Spence ging jedoch bemerkenswert ruhig zu Werke und ließ sich nicht vom Publikum irritieren, das seinen Gegner euphorisch anfeuerte. Er schlug von Beginn an auch zum Körper des Herausforderers, doch als diese Schläge keine ersichtliche Wirkung zeitigten, arbeitete er vor allem mit dem schnellen Jab weiter.

Letzten Endes dürften aber doch die Körperhaken den Ausschlag gegeben haben, zumal Brook sehr beweglich und schwer mit voller Wucht am Kopf zu treffen ist. Als Spence dann von der achten Runde an den Druck forcierte, schien dem Briten allmählich die Luft auszugehen. Da der US-Amerikaner selbst Brooks beste Treffer wegsteckte, ohne zu weichen, und sich jedesmal sofort revanchierte, während der Gegner in dieser Phase nicht mehr rechtzeitig klammern konnte, um den Schlägen zu entgehen, wäre vermutlich auch ohne Brooks Augenverletzung eine vorzeitige Entscheidung gefallen. Zum Zeitpunkt des Abbruchs lag der Herausforderer jedenfalls bei allen drei Punktrichtern in Führung und war eindeutig auf der Siegerstraße.

Nach Gennadi Golowkin hat auch Errol Spence offengelegt, daß Kell Brook den gefährlichsten Kontrahenten in dieser Gewichtsregion, die eine enorme Schlagwirkung aufbieten können, nicht gewachsen ist. Ob er eine Revanche gegen Spence anstrebe, wollte er unter Verweis auf seinen Promoter Eddie Hearn an dieser Stelle nicht beantworten. Es liegt aber klar auf der Hand, daß Golowkin und Spence für ihn fortan tabu sein sollten, da er dabei nur weiteren Schaden nehmen, nicht aber gewinnen könnte. Eher schon böte sich sein Landsmann Amir Khan an, der im Team des Senders Sky Sports den Kampf verfolgt und hinterher einen innerbritischen Kampf gegeneinander ins Gespräch gebracht hatte. [2]

Wenn Brook seine erneute Augenverletzung auskuriert hat und sich für eine Fortsetzung seiner Karriere entscheiden sollte, könnte er zusammen mit Khan in England sicher eine Menge Geld verdienen und endlich den alten Streit klären, wer von beiden der bessere britische Weltergewichtler sei. Was jedoch die internationale Spitze betrifft, dürften Brook und Khan endgültig Vergangenheit sein. Hingegen hat Errol Spence unterstrichen, daß er definitiv zur Elite in dieser Gewichtsklasse gehört, deren Zukunft er gemeinsam mit Keith Thurman und Terrance Crawford ist. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19477017/kell-brook-loses-ibf-welterweight-title-errol-spence-11th-round-tko-sheffield-bramall-lane

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/05/errol-spence-jr-vs-kell-brook-results/#more-235623

[3] http://www.boxingnews24.com/2017/05/truth-told-kell-brook-isnt-special/#more-235642

28. Mai 2017


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