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BERICHT/649: Frauenfußball auf Sansibar (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 112, 2/10

Viele glauben, dass wir nicht normal sind...
Frauenfußball auf Sansibar

Von Claudia Dal-Bianco


Women Fighter FC ist ein Frauenfußballverein auf Sansibar. Da der Großteil der Bevölkerung auf der Insel muslimisch ist, sind die Frauen Vorurteilen ausgesetzt, denen sie aber stark entgegentreten. Florence Ayisi stellt in ihrem Dokumentarfilm "Zanzibar Soccer Queens" die Frauen des Teams ins Zentrum und gibt ihnen damit die Möglichkeit, über das Team und sich selbst zu erzählen. Im Folgenden ein Hintergrundbericht zur Geschichte des Phänomens und zum Film darüber.


Frauenfußball in Afrika nimmt, im Vergleich zu Männerfußball, einen kleinen Raum ein.(1)

Es wird Frauen nahezu keine Möglichkeit gegeben, in den Schulen oder in semiprofessionellen Clubs zu spielen. Trotzdem entstehen durch die Initiative von engagierten Frauen Frauenfußballvereine. So auch auf Sansibar, wo der Verein "Women Fighters" bereits 1988 gegründet wurde. Florence Ayisi, Filmemacherin aus Kamerun und Universitätslektorin an der Universität in Wales, produzierte 2007 einen Film über dieses Team. Sie lernte die Spielerinnen während Dreharbeiten zu einem anderen Film auf Sansibar kennen und war begeistert, wie die Frauen persönliche Ziele erreichen und den Mut haben, Grenzen zu überschreiten in einer Kultur, die Frauen bestimmte Dinge verbietet. Ayisi wollte die Frauen sich selber präsentieren lassen und eine "andere" Seite afrikanischen Lebens offenlegen, nicht jene, die von Krieg, Armut und Krankheiten geprägt ist.


Fußball auf Sansibar

Schon 1926 wurde die Zanzibar Football Association (ZFA) gegründet. Diese lange Geschichte gilt für die Männerliga, denn erst 2004 wurde eine Frauenliga durch die ZFA gegründet, nachdem ein paar Frauen dafür lange gekämpft hatten, denn inoffiziell spielen Frauen auf Sansibar schon lange Fußball.

Das am längsten bestehende Frauenteam auf der Insel ist der Women Fighters FC, der 1988 entstand. Bevor der Verein gegründet wurde, spielten Frauen schon vereinzelt mit Männerteams oder auf der Straße. Den Anfangspunkt des organisierten Frauenfußballs auf Sansibar bildet ein Besuch des schwedischen Frauenteams Tyresö FC, die eine Tour durch Afrika machten, um Frauenfußball zu begünstigen. Badmintonspielerinnen und andere Athletinnen auf Sansibar wurden von Tyresö FC aufgefordert, ein Team zu bilden und gegen diese Gastmannschaft Fußball zu spielen. Für viele Frauen, die zuvor schon Fußball spielten, war es eines der größten Ereignisse, in einem Frauenteam gegen ein anderes Frauenteam im größten Stadion auf Sansibar, dem Amaan-Stadion, zu spielen. Durch das schwedische Frauenteam inspiriert, scharte Nassra Juma Mohammed ihre Fußballfreundinnen zusammen und fing an, sie zu trainieren. Nassra ist Gründerin, Coach und Managerin der Women Fighters. Durch das Engagement von Nassra und des ganzen Teams bildeten sich immer mehr Frauenmannschaften auf Sansibar. Heute existieren fünf Teams, die die Frauenliga bilden: Nyuki FC, Koani Sisters, Bungi Sisters, Policewomen FC und Women Fighters FC.


Gesellschaftliche Schwierigkeiten

Auch wenn das Team auf Sansibar schon bekannt ist und viele Frauen und Männer zu den Matches kommen und sie Unterstützung vom Sportministerium, der ZFA und der FIFA bekommen, haben die Spielerinnen mit Vorurteilen zu kämpfen. Ungefähr 98% der Bevölkerung auf Sansibar sind MuslimInnen. Aussagen wie: "Wenn Frauen Fußball spielen, sollten sie ihre Körper bedecken. Sie sollen keine kurzen Hosen tragen, weil, wenn Männer sie so sehen, geraten sie in Versuchung!", sind sehr oft zu hören. Ali Ferej Tamim, Präsident der ZFA, sagt, dass er nur noch ein anderes Frauenfußballteam in einer afrikanisch-muslimischen Gesellschaft kenne, nämlich ein sudanesisches Team. Er ist der Meinung, dass Frauenfußball gefördert werden muss und die Debatte über die Trainingskleidung nicht so ein großes Problem darstellen sollte. Das sehen viele Personen aus der Bevölkerung anders. Die Spielerinnen müssen Beschimpfungen in Kauf nehmen, weil sie während des Spielens kurze Hosen tragen und ihren Kopf nicht bedeckt haben und einfach das tun, was ihnen Freude macht. Für die Spielerinnen selber ist diese Aufregung unverständlich, weil sie nicht Männer verführen, sondern einfach Fußball spielen wollen. Die Frauen dieses Teams überschreiten Grenzen und traditionelle Erwartungen und durchbrechen Frauenrollen. Die Teamchefin Nassra gab dem Team den Namen Women Fighters, um den Schwierigkeiten, mit denen die Frauen zu kämpfen haben, Ausdruck zu geben.


Träume, Hoffnungen und Ziele

Trotz dieser gesellschaftlichen Schwierigkeiten spielen die Frauen mit Freude weiter. Die Motivationen, ein Mitglied dieses Teams zu sein, sind unterschiedlich. Zuwena Saleh, die von ihrem Mann zurückgewiesen wurde, weil sie keine Kinder bekommen konnte, sieht in Fußball eine neue Aufgabe und fühlt sich zu einer Gruppe zugehörig; dies lässt sie ihre Schmerzen vergessen. Ferous Ali Amir, auch eine Mitbegründerin des Teams, spielte zuvor mit Männern auf der Straße und ist nun überglücklich, mit Frauen spielen zu können. Marissa Yussuf Hamid, die glaubte, nicht ins Team aufgenommen zu werden, weil sie zu viel wiegt, ist hoch erfreut, dass sie abgenommen hat und sich körperlich besser fühlt. Warda Khalid und Lightness Vicent möchten nicht nur auf Sansibar bleiben, sondern auch andere Orte sehen und sie meinen, dass Fußballspielen eine Möglichkeit sei, dies zu tun. Amina Abdallah liebt ganz einfach Fußball. Sie spielte früher für das tansanische Nationalteam. Nachdem sie heiratete, wurde ihr von ihrem Ehemann verboten, weiterhin Fußball zu spielen. Sie trennte sich von ihm und fing wieder an zu spielen.

Die Frauen fühlen sich durch das Team ermächtigt, und Nassra, die Teamchefin, leistet einen großen Beitrag dazu. 2007 kaufte sie ein kleines Geschäft und richtete es mit den Frauen aus dem Team her, um verschiedene Produkte zu verkaufen. Das Geld, das sie damit verdienen, wird dazu verwendet, die Ausstattung für das Team zu kaufen. Denn viele der Frauen können es sich nicht leisten, Schuhe oder Trainingskleidung zu kaufen. Die Spielerinnen arbeiten freiwillig im Shop, weil es eben dazu gedacht ist, das Team zu erhalten. Florence Ayisi hat bis heute noch Kontakt mit dem Team und sagt, dass der Mini-Markt "Women's Fighters" immer noch gut läuft und die Frauen aus dem Team sich selber sehr gut organisieren und gegenseitig für einander da sind. Nicht nur die Freundschaft unter den Frauen ist ein Gewinn für die Spielerinnen, sondern sie erhalten auch Möglichkeiten, eine Arbeit zu finden, weil sie mehr Vertrauen in sich haben.


Anmerkungen:

(1) Seit 1991 findet der African Championship for Women's Football statt. Dieses Turnier bildet auch die Qualifikation der Frauennationalmannschaften für die Weltmeisterschaft, wohin die beiden besten Teams fahren. Bis jetzt gewannen die Nigerianerinnen sieben Mal und im Jahr 2008 gelang es den Frauen aus Äquatorial-Guinea zu siegen. Das nächste Turnier wird im Oktober 2010 in Südafrika stattfinden.


Filmtipp:
Ayisi, Florence: Malkia wa Soka Zanzibar / Zanzibar Soccer Queens. Dokumentarfilm. (Sansibar 2007)


Zur Autorin:
Claudia Dal-Bianco studierte Afrikawissenschaften und Internationale Entwicklung in Wien und Dar es Salaam. Zurzeit ist Sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Afrikawissenschaften an der Universität Wien.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 112, 2/2010, S. 8-9
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2010