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GESCHICHTE/191: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 61 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 1-3 / 19. Januar 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1967/II: Resolution zur Förderung des Leistungssports
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 61)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Die 4. Sitzung des Hauptausschusses des Deutschen Sportbundes am 8. April 1967 in Duisburg-Wedau war der "Förderung des Leistungssports" gewidmet. Aus diesem Grunde waren auch die Sportwarte und Bundestrainer der Spitzenverbände eingeladen. Einstimmig verabschiedeten die Delegierten die "Resolution zur Förderung des Leistungssports":

"Sport und Leistung gehören unabdingbar zusammen. In der "Charta des deutschen Sports" haben sich die im Deutschen Sportbund zusammengeschlossenen Turn- und Sportverbände zu dieser Auffassung bekannt und sich zur nachdrücklichen gemeinsamen Förderung des Leistungssports verpflichtet.

Leistungsstreben und Wettkampf liefern einen wesentlichen Beitrag zur Bildung und Erziehung junger Menschen und erweitern die Möglichkeiten der schulischen Leibeserziehung. Die sportliche Höchstleistung ist heute ein bedeutender Faktor internationaler Repräsentanz. Zur Leistungsförderung werden folgende Maßnahmen empfohlen:

1. Der Schulsport ist in der Praxis in Stoff und Methode noch nicht differenziert genug, als daß er den Anforderungen eines individuellen Leistungstrainings gerecht werden könnte. Die moderne Erkenntnis, daß hohe Lernbereitschaft schon in frühen Lebensjahren besteht und die Grundformen der Bewegungsabläufe deshalb bereits im Alter von acht bis zehn Jahren erlernt werden sollten, muß in der Praxis Anwendung finden.

Die Schaffung von Sportgymnasien - zunächst als Modellfall - und die Einrichtung von sogenannten "Sportzügen" würde diese methodischen Erfahrungen und damit die frühe Entfaltung der sportlichen Begebungen nachdrücklich fördern. Auch die Jugendordnungen sind der Entwicklung anzupassen. In Zusammenarbeit von Schule und Verein ist der Sport in Neigungsgruppen wirkungsvoller zu fördern als bisher; gegebenenfalls sind eigene Schulsportvereine dort zu gründen, wo von der Jugend gewünschte Sportarten nicht in den Vereinen ausgeübt werden können.

2. An den Universitäten ist dem Studentensport durch rechtzeitige Ergänzung der Reformvorschläge des Wissenschaftsrats eine angemessene Stellung zu sichern. Der Sport der Studenten sollte im Zusammenwirken mit den Instituten für Leibesübungen durch Anlehnung an die örtlichen Vereine oder durch die Gründung von Universitäts-Sportklubs verbessert werden. Dabei sind Schwerpunktbildungen für bestimmte Sportarten wünschenswert.

3. In den Turn- und Sportverbänden ist der Organisation des Leistungssports noch größere Aufmerksamkeit zu schenken als bisher, die systematische Schulung zu intensivieren und die menschliche Führung der Athleten zu verbessern. Dabei wird der Leistungsstand in einer Sportart weitgehend davon bestimmt, ob es den Verbandsführern gelingt, alle Kräfte unter einem gemeinsamen Leitgedanken zu konzentrieren.

Das vertrauensvolle Zusammenwirken von Verband und Verein, Bundes- und Heimtrainern ist jedenfalls für die Leistungsentwicklung von ausschlaggebender Bedeutung, ebenso wie die Koordination der Turn- und Sportverbände miteinander.

4. Darüber hinaus verlangt der hohe Standard des Weltsports unausweichlich nach einer Zentralisation der fördernden Maßnahmen, um daraus höchstmögliche Wirkung für die gemeinsame Arbeit an der Entwicklung der Leistung zu erzielen. Das gilt für den einzelnen Verband ebenso wie für dessen Zusammenarbeit mit dem Bundesausschuß zur Förderung des Leistungssports im DSB.

5. Für die zukünftige Entwicklung ist die Anstellung weiterer hauptamtlicher Trainer von entscheidender Bedeutung. Diese Lehrkräfte sind in Zusammenarbeit mit dem Bundesausschuß fachtechnisch, pädagogisch, wissenschaftlich und in der psychologischen Führung der Athleten weiter zu fördern und zu schulen. Die Stellung des Trainers in den Turn- und Sportverbänden ist mit eindeutigen Rechten und Pflichten auszustatten.

6. Zur Lösung der sozialen Frage des Leistungssports gründen der Deutsche Sportbund und die Deutsche Olympische Gesellschaft die Stiftung "Deutsche Sporthilfe". Die Gründung ist für den 26. Mai 1967 in Berlin vorgesehen."


Willi Daume, Präsident des DSB- und des Nationalen Olympischen Komitees, erklärte, auch die bedeutende emotionelle Kraft der Olympischen Spiele 1972 könne man erst dann zur Entfaltung bringen, wenn sie von sportlichen Erfolgen der deutschen Athleten begleitet werde. Er hatte schon vorher ein Acht-Punkte-Programm zur Konzentration der Leistungsförderung verkündet:

"1. Der Bundesausschuß ist die Koordinationsstelle der gesamten Leistungsförderung; er gibt Anregungen und Aufträge für die wissenschaftliche Erforschung aller anstehenden Fragen des Leistungssports, vermittelt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse an die Verbände, sorgt für den Austausch der Erfahrungen der Verbände untereinander, legt die Lehrarbeit in artähnlichen Sportdisziplinen - insbesondere in seinen Schwerpunkten - zusammen, hält über die korrespondierenden Leistungs-, Trainerräte etc. in den Verbänden Verbindung mit der Leistungsförderung in den einzelnen Sportarten und intensiviert diese durch fortlaufende Beratung und gemeinsame Lehrarbeit.

2. Die Fortbildung der bereits vorhandenen und die Heranbildung hochqualifizierter neuer Trainer ist ein wichtiges Ziel. In Abstimmung mit den Leistungs-, Trainerräten etc. der Verbände ist ein kontinuierliches Programm dafür zu entwickeln und jeweils einmal im Jahr ein mindestens drei Wochen dauerndes Trainerseminar vorzubereiten und an einem Institut der Lehre und Forschung der Leibeserziehung durchzuführen, um den erheblichen Nachholbedarf auf diesem Gebiet so schnell wie möglich zu erfüllen.

3. Der Einsatz der bei den Verbänden fest angestellten und vom DSB vor der öffentlichen Hand verantworteten Trainer muß gezielter als bisher erfolgen. Es wird erwartet, daß den Trainern in den bestehenden Sport-, Lehrausschüssen etc. und bei der Mannschaftsaufstellung gewichtige Mitspracherechte gegeben sind.

4. Die im Bau und in der Planung befindlichen Leistungszentren sind im Hinblick auf unser olympisches Engagement 1972 beeilt fertigzustellen und durch umfassende Programme wirkungsvoll und rationell zu nutzen. Diese Zentren sollen die Zentralen der Arbeit der Verbandstrainer sein und darüber hinaus der Fortbildung insbesondere der Heimtrainer dienen. Es würde allerdings gegen das Prinzip der Konzentration der Kräfte verstoßen, wenn jetzt jeder Verband sein eigenes Leistungszentrum haben wollte.

5. Nicht nur aus Gründen einer sparsamen Finanzwirtschaft werden also die bestehenden Sportschulen der Landessportbünde und Fußballverbände stärker als bisher in die Programme der Leistungsförderung einzubeziehen und dafür die notwendigen zusätzlichen Anlagen und Sportgeräte - insbesondere für die Kraftarbeit - zu schaffen sein. Auch an diesen Sportschulen sollte mit der Zeit qualifiziertes Lehrpersonal Anstellung finden und das Gedankengut moderner Trainingsmethodik des Leistungssports in angemessener Weise integriert werden in die hier laufende Ausbildung der Vereins-Übungsleiter. Auf dem Sektor der Lehrarbeit darf kein Bruch eintreten zwischen Leistungs- und Breitensport.

6. Der Kontakt mit den Stätten der Ausbildung der Lehrkräfte im Fach Leibeserziehung, insbesondere mit den Instituten für Leibesübungen der Universitäten, ist über den Bundesausschuß zu verstärken. Die Institute sind für eine gezielte Arbeit auf dem Sektor Leistungssport zu gewinnen und für die Durchführung von speziellen Fortbildungskursen für Trainer, Direktoren, Dozenten und Assistenten der Institute und der mit ihnen zusammenwirkenden medizinischen, pädagogischen, soziologischen u. a. Fakultäten sollten an einer Mitwirkung in den Arbeitsprogrammen des Bundesausschusses und der Verbände gezielter als bisher interessiert werden.

7. Über die Programme der Bundesjugendspiele und des Sportabzeichens ist in den Schulen die Talentförderung auf dem Weg über die Arbeit in Neigungsgruppen (ggf. in Verbindung mit den Vereinen) in Gang zu bringen. Für diese Talentsuche sollten die Kultusminister der Länder - nach dem Vorbild Niedersachsens - gewonnen werden, einem besonderen Fragebogen zur Feststellung der besten Jungen und Mädchen bei den Bundesjugendspielen und der Sportabzeichen-Prüfung zu schaffen, der dann von den Landessportbünden, die solche Aktionen auch finanziell fördern, gemeinsam mit den Landesfachverbänden ausgewertet wird. Dieser Auswertung schließen sich systematisch Test-Lehrgänge zur Schulung der herausgefundenen Talente an, die sich besonders mit der Einübung komplizierter technischer Bewegungsabläufe in frühestem Alter befassen. 8. Die Lösung der sozialen Frage des Leistungssports wird mit der Gründung einer speziellen Stiftung in Angriff genommen, die in Härtefällen wirksam werden soll. Ziel ist es, den Spitzensportlern zum Ausgleich für ihre Inanspruchnahme durch die Gesellschaft eine ihren Anlagen, Fähigkeiten und ihrer eigenen Einsatzfreudigkeit entsprechende berufliche Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 1-3 / 19. Januar 2010, S. 29-31
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2010