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FRAGEN/016: Dr. Michael Vesper zum Stichwort DOSB-Mitgliederversammlung (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: DOSB-Mitgliederversammlung
Sieben Fragen an Dr. Michael Vesper, DOSB-Generaldirektor

"München hat hohe Erfolgschancen"


DOSB PRESSE: 19 Monate nach seiner Gründung hat der DOSB auf seiner dritten Mitgliederversammlung in Hamburg eine Olympiabewerbung beschlossen und zahlreiche weitere Projekte angestoßen. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

VESPER: Der DOSB hat nach seiner Gründung vor anderthalb Jahren Fahrt aufgenommen. Die Fusion ist Geschichte, mittlerweile ist mit dem DOSB aus den Wurzeln der beiden Vorgängerorganisationen etwas Neues entstanden. Trotz der schwierigen finanziellen Ausgangsbedingungen bewältigen wir zusätzliche Aufgaben - mit weniger Personal. Unsere Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen: Die gesellschaftspolitische Rolle des Sports ist stärker denn je, nicht nur im Bereich Integration. Dass Gesundheitsprävention ohne Sport nicht möglich ist, ist allgemein anerkannt. Durch neue Partner konnten wir unsere Projekte im Breitensport erheblich ausbauen. Und erstmals seit zwei Jahrzehnten stehen mehr Mittel für die Spitzensportförderung zur Verfügung, und zwar in beträchtlicher Höhe. Die Sportförderstellen bei Bundeswehr, Bundespolizei und Bundeszoll werden nicht nur nicht, wie bislang beabsichtigt, reduziert, sondern deutlich aufgestockt; unsere Zielzahl 1000 liegt in greifbarer Nähe. Mit der Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele 2018 und die Paralympics 2018 haben wir eine weitere große Aufgabe hinzubekommen. Sie erfolgreich zu gestalten und international zu bewerben, ist eine riesige Herausforderung für uns alle.

DOSB PRESSE: Vor Hamburg wurde auch Kritik laut: das Olympische dominiere, der Breitensport komme zu kurz.

VESPER: Diesmal standen die Spiele in der Tat im Mittelpunkt. Aber schauen Sie einmal in unseren 80seitigen Bericht: Darin sind unsere Breitensportaktivitäten ausführlich dargestellt. Der DOSB ist auf allen Feldern gut aufgestellt - nicht nur im Spitzensport, für den in Hamburg ein neues Förderkonzept beschlossen wurde, nein, das gilt auch für den Breitensport. Wir haben 2007 eine wahre Fülle von neuen Aktionen und Projekten im Breitensport angestoßen, ich habe ja einige bereits erwähnt. Nehmen Sie das Projekt "Mission Olympic - Deutschlands aktive Stadt gesucht". Schauen Sie auf die Angebote in der gesundheitlichen Prävention, im Kampf gegen den Rechtsextremismus oder auf die Tatsache, dass es zum ersten Mal gelungen ist, mit der Sparkassen Finanzgruppe einen bundesweit aufgestellten Sponsor zu gewinnen, der Olympisches ebenso unterstützt wie Themen aus dem Breitensport. Wir wissen, dass nur mit einer starken soliden Breite Spitze organisierbar ist - und umgekehrt.

DOSB PRESSE: Die Olympiabewerbung 2018 stand im Fokus der Mitgliederversammlung. Klimapolitik und Umwelt könnten Faktoren sein, die den Erfolg des Münchener Projekts ausbremsen. Alpine und nordische Wettbewerbe mit Kunst- oder herangefahrenem Naturschnee werden schon von Bedenkenträgern angeprangert. Wie wollen Sie dieses Problem in den Griff bekommen?

VESPER: Gerade ich als Grüner bin bestrebt, die Bewerbung gemeinsam mit allen Beteiligten so zu gestalten, dass die Umweltauflagen des IOC nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt werden. Deshalb werde ich mit dem Deutschen Alpenverein, aber auch mit vielen anderen Institutionen und Fachleuten darüber sprechen, wie man diese wichtigen Zielsetzungen konkret erreichen kann. Niemand kann die klimatische Situation im Jahre 2018 einzuschätzen, aber ich gehe davon aus, dass in Garmisch-Partenkirchen genügend Schnee vorhanden sein wird, um die alpinen Wettbewerbe veranstalten zu können. Also, wir werden alles tun, um die Ansprüche der Charta des IOC, aber auch unserer eigenen Ausarbeitung "green olympics" durchzusetzen.

DOSB PRESSE: Die Bewerbungen von Berlin und Leipzig scheiterten kläglich. Ist der Sport lernfähig?

VESPER: Ja, wir haben aus dem Desaster der beiden vorherigen Bewerbungen gelernt. Das war auch auf der Mitgliederversammlung in Hamburg zu spüren. Die Beschlussfassung wurde in zahllosen Gesprächen intensiv vorbereitet, auch um die Akzeptanz zu erhöhen. Wir haben von vornherein klar gemacht, mit welchen Konzepten allein die internationale Erfolgsaussicht herzustellen ist. Wir sind da sehr gut aufgestellt. München hat ein exzellentes Konzept, alle Unterbringungs- und technischen Möglichkeiten, und vor allem den Charme einer Stadt, die schon einmal Olympische Spiele ausgerichtet hat. Das Olympiastadion, wo Eröffnungsfeier und Schlussfeier stattfinden können, ist ja längst gebaut. Die Infrastruktur stimmt. Die noch vorhandenen Probleme sind lösbar. Dazu gehört die Verkehrsverbindung zwischen München und Garmisch. Sie muss dringend verbessert werden, auf der Straße und der Schiene. Aber das ist bis 2018 machbar.

DOSB PRESSE: Im Bundeshaushalt 2008 gibt es nicht nur einen bedeutenden Zuwachs für den Spitzensport. Der Bund wird auch eine Anschubfinanzierung in Höhe von 800.000 Euro bereitstellen. Wofür benötigen Sie jetzt noch diese Haushaltsmittel?

VESPER: Wir hatten durch die Fusion Anschubkosten in Höhe von etwa 1,6 Millionen Euro. Es gab durch die damalige rot-grüne Bundesregierung, erneuert durch die jetzige Bundesregierung, und auch durch den Deutschen Bundestag die politische Zusicherung, dass sich der Bund an diesen Startkosten für die Fusion beteiligt. Er hatte ja ein politisches Interesse daran, dass sich DSB und NOK vereinigten. Nun haben wir uns vor einiger Zeit darauf verständigt, dass die Hälfte dieser Kosten, 800.000 Euro, vom Bund getragen wird, die andere Hälfte bezahlt der DOSB. Das ist ein fairer Kompromiss, mit dem wir gut leben können. Diese Mittel decken einen Teil des Defizits ab, das wir im Jahr 2006 gemacht haben, als wir die fusionsbedingten Kosten hatten.

DOSB PRESSE: Vor einem Jahr noch hatte sich der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages geweigert, aus dem Titel Anschubkosten die vom Land Hessen geforderte Grunderwerbssteuer zu finanzieren. Wie kommt es zum Bewusstseinswandel der Berliner Politik?

VESPER: Diese Steuerforderung ist wirklich äußerst ärgerlich! Man muss sich das einmal vorstellen: Nur weil die beiden Gebäude von NOK und DSB auf den DOSB übergegangen sind, mussten wir über 290.000 Euro Grunderwerbssteuer an das Land Hessen zahlen. Alle Versuche, das abzuwenden, sind bisher gescheitert. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass die hessische Landesregierung, die ja sehr großen Wert darauf legt, dass der DOSB in Frankfurt/Main seinen Sitz hat, auf diese Forderung verzichtet hätte. Hat sie aber leider nicht; das zuständige Finanzamt hat gesagt: Diese Steuer fällt an.

DOSB PRESSE: Das wäre doch ein Grund, den Umzug des DOSB nach Berlin wieder auf die Agenda zu setzen, oder?

VESPER: Nee, das tue ich nicht! Dazu ist dieses Thema - gerade auch nach der Vorgeschichte des vor einigen Jahren gescheiterten NOK-Umzugs - viel zu sensibel. Wir haben ein gutes Büro in Berlin, unser erweitertes Hauptstadtbüro, das wir am kommenden Mittwoch offiziell eröffnen. Wir sind also in Berlin präsent, aber unser Sitz ist und bleibt Frankfurt. Gewiss, die Musik spielt, was die Sportpolitik angeht, in Berlin, aber viele unserer Spitzenverbände sind in Frankfurt. Also, in der Main-Metropole ist auch die eine oder andere Kapelle vorhanden.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 50, 11. Dezember 2007, S. 6-8
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2007