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FRAGEN/023: Dr. Thomas Bach - "Ein Olympia-Boykott ist keine Lösung" (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Olympia und die aktuelle Situation in Tibet
Fünf Fragen an den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, Dr. Thomas Bach

"Ein Olympia-Boykott ist keine Lösung"


DOSB PRESSE: In Tibet eskaliert die Gewalt. Der Deutsche Olympische Sportbund hat sich am zurückliegenden Wochenende mehrfach zu Wort gemeldet und verfolgt die Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit und Sorge. Herr Dr. Bach, inwiefern kann der Sport, können die Olympischen Spiele zur Lösung des Problems beitragen?

BACH: Wir rufen beide Seiten zum Gewaltverzicht auf und hoffen auf eine Lösung durch friedlichen Dialog. Je kritischer die Situation ist, umso wichtiger sind jetzt Zeichen des Friedens.

DOSB PRESSE: Wie reagiert der Sport auf Forderungen, den Spielen in Peking aus Protest gegen die gewaltsame Unterdrückung der Tibeter fernzubleiben?

BACH: Ein Boykott der Olympischen Spiele wäre mit Sicherheit die falsche Reaktion. Die Geschichte hat gezeigt, dass ein Boykott nie zum Ziel führt. Der Sport kann seine Werte nur entfalten, wenn die Olympischen Spiele stattfinden. Rolle des Sports ist es, Brücken zu bauen und nicht Mauern zu errichten. Wir sind froh darüber, dass das religiöse Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, diese Einschätzung teilt. Bundeskanzlerin Merkel, Außenamtsminister Steinmeier, Innenminister Schäuble und Günter Nooke, der Menschenrechtsbeauftragte des Deutschen Bundestages, und auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International haben sich am Wochenende gegen einen Olympiaboykott ausgesprochen.

DOSB PRESSE: Wie erklären Sie sich, dass der Ruf nach einem Boykott nicht lauter ist?

BACH: Politik und auch die Nichtregierungsorganisationen erkennen zunehmend die Möglichkeiten, die Olympische Spiele bieten: nämlich die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein Land zu ziehen. Sie wissen, dass eine solche Konstellation viel mehr zum Fortschritt beitragen kann als der Versuch einer Isolation. Wir alle können kein Interesse daran haben, das Gespräch zu unterbinden.

DOSB PRESSE: Wie verfolgen Sie den verbleibenden Weg bis zu den Spielen?

BACH: Wir bauen weiter auf das besondere Gewicht olympischer Werte und Symbole. Die Athleten und die Olympischen Spiele können gerade in dieser Situation ein ganz besonderes Zeichen setzen. IOC-Präsident Jacques Rogge hat in seinen Gesprächen die Fragen der Menschenrechte mit der Staats- und Parteiführung immer wieder angesprochen. Das IOC hat aber kein politisches Mandat. Man kann nicht erwarten, dass es die Probleme löst, die Generationen von Staatsmännern nicht lösen konnten.

DOSB PRESSE: Werden die Olympischen Spiele die Lage in China verbessern?

BACH: Die Olympischen Spiele können den Wandel fördern und ein Katalysator der Lösung sein, aber sie sind natürlich kein Allheilmittel. Mit der Vergabe der Spiele hat der olympische Sport die Hoffnung verbunden, dass eine Gesellschaft sich öffnet. In vielen Bereichen ist das in Bezug auf China ja auch passiert, wenn auch insgesamt nicht zureichend. Die besondere Aufmerksamkeit die China durch die Olympischen Spiele erfährt, wird aber hoffentlich dazu beitragen, Konflikte friedlichen Lösungen zuzuführen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 12-13, 18. März 2008, S. 6
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2008