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MELDUNG/362: Wie Stöhnen die Wahrnehmung beim Tennis beeinflusst (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 03.05.2019

Wie Stöhnen die Wahrnehmung beim Tennis beeinflusst

Forschungsteam der Universität Jena analysiert Einfluss von Geräuschen beim Tennis


Sie können Lautstärken von über einhundert Dezibel erreichen und konkurrieren so mit dem Lärmpegel von Motorrädern oder Kreissägen: Stöhn-Geräusche, die manche Tennisspielerinnen und -spieler ausstoßen, wenn sie gegen den Ball schlagen. Während Fans das effektvolle Ausatmen wahlweise genervt oder belustigt zur Kenntnis nehmen, sorgt es unter Profis für kontroverse Diskussionen. Serena Williams offenbarte etwa, dass sie das Gestöhne der Gegnerin im Eifer des Wettkampfs nicht störe. Demgegenüber empörte sich die ehemalige Weltranglistenerste Martina Navratilova: Das laute Keuchen würde das Schlaggeräusch übertönen und damit auf unfaire Weise die Voraussage des Ballflugs erschweren. Ob diese immer wieder vorgebrachte Beschwerde gerechtfertigt ist, hat ein Team aus der Sportpsychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena um Dr. Florian Müller und Prof. Dr. Rouwen Cañal-Bruland in einer neuen Studie überprüft.


Experiment mit manipulierten Stöhn-Geräuschen

Für die Studie wurden erfahrenen Spielern Videoausschnitte einer Begegnung aus dem Profi-Tennis gezeigt. Vom Betrachten der Tennisschläge sollten sie auf die Flugbahn des Balls schließen und dessen Auftreffpunkt bestimmen. Unbemerkt von den Probanden manipulierten die Wissenschaftler jedoch die Lautstärke der Stöhn-Geräusche, die in der Aufzeichnung die Schläge begleiteten. Die Auswertung des Experiments ergab, dass das Stöhnen durchaus einen Effekt hat - wenngleich nicht den von Navratilova behaupteten.

Stöhnen beeinflusst die Vorhersage der Ballflugbahn

Es zeigte sich, dass die Probanden eine umso längere Flugbahn des Balls vermuteten, je lauter das Stöhnen eingespielt wurde. Diese Reaktion konnte selbst dann noch beobachtet werden, wenn die Lautäußerungen - wie in vielen Profi-Spielen üblich - erst nach dem Ballkontakt wahrnehmbar wurden. Jedoch ließ sich den Erhebungen nicht entnehmen, dass sich die Spielerinnen und Spieler vom Gestöhne ablenken ließen. Der vermeintlichen Irritation zum Trotz sagten sie den tatsächlichen Ankunftsort des Balls im Schnitt treffsicher voraus. "Wir nehmen an, dass Spielerinnen und Spieler die physiologischen Vorteile berücksichtigen, die das Stöhnen ermöglicht," erklärt Müller diese Erkenntnisse des Experiments. Mittlerweile gelte es als erwiesen, dass starkes Ausatmen von Luft zugleich die Bauchmuskulatur aktiviert und weitere Kräfte freisetzt, welche zu härteren Schlägen und höheren Ballgeschwindigkeiten führen. "Dies würde erklären, warum ein Effekt durch das Stöhnen zwar erkennbar, aber die Fähigkeit zur Antizipation des Balls nicht eingeschränkt ist."

Wahrnehmung im Sport als Zusammenspiel mehrerer Sinneseindrücke

Das Ergebnis der Studie deutet laut Müller und Kollegen darauf hin, dass Navratilovas Behauptung überdacht werden sollte. Für die Sportpsychologen ist es außerdem ein Beleg dafür, dass auch andere Sinneseindrücke als das Sehen für die Wahrnehmung im Sport von Bedeutung sind und von der Wissenschaft zukünftig stärker berücksichtigt werden sollten. Auch aus diesem Grund wollen sie am Ball bleiben und das Phänomen weiter untersuchen. Um sich den realen Bedingungen anzunähern, sollen Probanden im nächsten Schritt einen Tennisball in Echtzeit auf dem Touchscreen abfangen. Am Ende könnte das Experiment sogar nicht nur im Labor, sondern beim echten Spiel auf dem Tennisplatz stattfinden - gesetzt den Fall, dass sich in der Nachbarschaft niemand von zu lautem Gestöhne aus der Ruhe bringen lässt.


Originalpublikation:
Müller F, Jauernig L, Cañal-Bruland R (2019)
The sound of speed: How grunting affects opponents' anticipation in tennis.
PLoS ONE 14(4): e0214819.
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0214819

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, 03.05.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2019

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