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MEDIZIN/077: Dopingbekämpfung im Ausdauersport (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum 2/07 - Universität Bayreuth

Bayreuther Ansatz zur Dopingbekämpfung im Ausdauersport

Von Walter Schmidt und Nicole Prommer


In allen Ausdauersportarten sind Blutmanipulationen zu einem ernsthaften, zum Teil sogar existentiellen Problem geworden. Dies betrifft in erster Linie den einzelnen Sportler, der, wenn er erfolgreich sein möchte, oft gezwungen ist, selbst zu manipulieren, da es die meisten seiner Kollegen auch tun. Dies betrifft aber auch den Verband und die internationalen Sportorganisationen, die an Glaubwürdigkeit verlieren sowie die Medien, da das Interesse der Zuschauer nachlässt. So assoziieren 62% von 3000 Befragten ab 14 Jahren die Leistungen der Radsportler mit Doping (Sponsors 04/2007, S. 51). Darüber hinaus betrifft dieses Problem auch die Öffentlichkeit und Politik, welche Sportler und Sportarten aus öffentlichen Mitteln unterstützt und nicht zuletzt auch die Sponsoren, die um einen Imageschaden fürchten müssen. Beispielsweise sind gemäß der o.g. Umfrage 56% der Meinung, dass Dopingvorfälle auch ein schlechtes Bild auf die Sponsoren der jeweiligen Sportart beziehungsweise des jeweiligen Sportlers werfen. So haben sich gerade im professionellen Radsport schon einige Sponsoren vollständig zurückgezogen (z.B. Mapei als ehemals größter Sponsor im Radsport) oder ihre Sponsorenstrategie geändert (z.B. Powerbar) die kaum noch Einzelsportler fördern. T-Mobile hat sich dahingegen als Sponsor der Doping-Problematik aktiv angenommen und versucht, das Image durch die Vorreiterrolle für einen Dopingfreien Sport zu verbessern. Das zentrale medizinische Problem der Manipulation im Ausdauersport liegt darin, dass über verschiedene Mechanismen versucht wird, den Sauerstofftransport im Blut über das Hämoglobin zu erhöhen, wodurch die Leistungsfähigkeit verbessert wird. Dies kann durch regelmäßige Injektionen des Hormons Erythropoietin sowie durch Eigen- oder Fremdblut-Transfusionen erfolgen.

In der Dopingbekämpfung sah die Praxis bislang so aus, dass versucht wurde, die Substanz, mit der manipuliert wurde, direkt nachzuweisen. Dieser Weg führt jedoch nur sehr selten zum Erfolg, da die meisten manipulierenden Sportler nur noch mit einer geringen Dosierung des die Blutbildung stimulierenden Erythorpoietins arbeiten bzw. sich selbst Blut entnehmen und dieses, nachdem die alte Blutmenge wieder erreicht wurde, reinfundieren. Den aussichtslosen Kampf der Anti-Doping-Organisationen zeigt die Bilanz der beiden deutschen Anti-Doping-Labore, die im vergangenen Jahr bei nahezu 800 Kontrollen, die ca. 250.000,- Euro kosteten, keinen positiven Befund aufzeigte. Dieses Problem der Nachweisbarkeit, wird in nächster Zukunft noch drastisch weiter steigen, da bald mit bis zu 70 Präparaten auf dem Markt gerechnet werden muss, mit denen die Blutbildung manipuliert werden kann.

In diesem Kontext haben wir an der Universität Bayreuth ein neuartiges Konzept in Form eines "Blutpasses für jeden Athleten" entwickelt. Anstelle des direkten Nachweises einer Dopingsubstanz in einer Blut- oder Urinprobe, wird zunächst in einem Screeningverfahren diejenige Größe regelmäßig gemessen, die durch jede der genannten Manipulationen verändert werden soll, d.h. die Menge des Sauerstofftransportierenden Hämoglobins. Wenn bei mehrfacher Messung die Werte deutlich voneinander abweichen, kann davon ausgegangen werden, dass eine Manipulation vorliegt. Es werden dann spezifische Tests angeordnet und der Sportler wird zunächst für eine kurze Zeit, z.B. 2 Wochen vom Wettkampf suspendiert. Die Vorteile dieses Verfahrens liegen darin, dass nicht nach einer einzelnen Substanz gesucht wird und eine große Anzahl von Sportlern kontinuierlich kontrolliert werden kann.

Bislang war diese Art von Kontrolle noch nicht möglich, da man die Hämoglobinmenge noch nicht routinemäßig bestimmen konnte. Mit der von uns entwickelten und etablierten Methode ist diese Kontrollverfahren nun innerhalb von wenigen Minuten durchführbar. Im Rahmen eines von der World-Anti-Doping-Agency (WADA) und dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISP) unterstützten internationalen Projekts, werden über einen Zeitraum von 2 Jahren Referenzwerte von 300 Spitzenausdauersportlern überwiegend aus Deutschland und Australien aufgezeichnet. Mit diesen Daten, d.h. mit ihrer normalen Streuung im Zeitverlauf werden nach Beendigung des Projektes die Werte aller Ausdauersportler in speziellen Screeningtests verglichen. Zurzeit werden in einer Vielzahl von Teilprojekten weitere Effekte auf die Hämoglobinmenge, wie z.B. Höhentraining und Verletzungen quantifiziert, um alle "normalen" Einflussfaktoren in die Beurteilung einfließen lassen zu können.

Der deutsche Skiverband und der deutsche Schwimmverband haben mit uns bereits weiterreichende Maßnahmen ergriffen. Bei allen Kaderathleten wird ein Blutpass angelegt, der die Aufzeichnung individueller Profile und damit auch die Aufdeckung von Blutmanipulationen ermöglicht. Ab dem kommenden Jahr wird die Bayreuther Methode auch international, z.B. vom internationalen Skiverband (FIS) im Bereich Skilanglauf, eingesetzt. Noch weiter reichende Maßnahmen hat das Team T-Mobile ergriffen. Nach dem Dopingskandal um Jan Ullrich und seiner Entlassung aus dem Team hat T-Mobile einen umfangreichen Maßnahmen-Katalog beschlossen, um Manipulation im eigenen Team zu verhindern und für den gesamten Radsport eine Vorreiterrolle zu spielen. Neben besserer Anti-Doping-Aufklärung und einer vermehrten Anzahl von offiziellen Dopingkontrollen stellt die kontinuierliche Messung der Hämoglobinmenge über eine gesamte Saison beim gesamten Team den Kernpunkt dar. Neben angekündigten Tests wird bei jedem der 29 Fahrer eine Reihe von unangekündigten Messungen vorgenommen, so dass neben der Kontrolle auch eine abschreckende Wirkung erzielt wird. Team T-Mobile stellt mit diesen bislang am weitest reichenden Kontrollen den Vorreiter im gesamten Radsport dar. Erstmalig ergreift hier ein Sponsor die Initiative im Kampf gegen Doping und räumt dem sauberen Sport erste Priorität ein.


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Quelle:
spektrum 2/07, Seite 40-41
Herausgeber: Der Präsident der Universität Bayreuth
Redaktion: Pressestelle der Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth
Tel.: 0921/55-53 23, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
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"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2007