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KOMMENTAR/155: Grüne Sportpolitik - schwärzer noch als schwarz (SB)




Es gibt gewiß gute Gründe, sich für das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte einzusetzen. Aber daß die Partei Bündnis 90/Die Grünen eine ukrainische Oligarchin wie Julia Timoschenko, die während ihrer Regierungszeit selbst von Folter- und Mißhandlungsvorwürfen in ukrainischen Haftanstalten belastet war, zur westlichen Freiheitsikone hochjubelt, sollte zu denken geben, ob bei der Boykott-Kampagne anläßlich der Fußball-EM in Polen und der Ukraine nicht auch zutiefst scheinheilige Motive im Spiel sind. Spätestens seit Joseph Fischer Außenminister war, deutsche Angriffskriege unter "Realos" wieder salonfähig wurden und die "Agenda 2010" unter grüner Mitwirkung den Grundstein für umfänglichste Einschnitte in den Sozialstaat legte, wissen wir, daß auch in der Brust grüner Politiker/-innen eiskalte Herzen schlagen können. Bedauerte, aber doch wohl nötige NATO-Bomben auf Libyen sowie vergossene Krokodilstränen darüber, daß Stuttgart 21 unter eigener Regierungsbeteiligung doch zustande kommt, lassen die zur Partei der "Besserverdienenden" avancierten Bündnisgrünen nicht eben sympathischer erscheinen. Zumal Schwarz und Grün sich immer mehr die Hände reichen und gemeinsam so manches Tänzchen auf dem Rücken der Sozialschwachen austragen, etwa beim rigorosen Treten der Schuldenbremse, selbst wenn dies mit massiven Kürzungen bei den Sozialausgaben einhergeht.

Was die Sportpolitik betrifft, so werden die Konservativen von den Grünen sogar noch rechts überholt. Als ob sie beim früheren Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) in die Lehre gegangen wären, der sich als "schwarzer Sheriff von Hessen" einen Namen gemacht hatte, weil er u.a. "rechtsfreie Räume" ausmerzen und die zu "Gangsterwohnungen" erklärten Eigenheime von Bürgern präjudizierend verwanzen wollte, streben auch grüne Sportpolitiker(-innen) eine Kriminalitätsbekämpfung im Sport an, die mit schwerstem Ermittlungsgeschütz auf die wohl größte Personenvereinigung in Deutschland anlegen will.

Nach dem Vorbild Bayerns hat seit dem 1. April auch in Baden-Württemberg eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Dopingverfahren ihre Arbeit aufgenommen. Damit setzt die grün-rote Landesregierung eine Passage im gemeinsamen Koalitionsvertrag um. Laut Pressemitteilung des Justizministeriums bietet Baden-Württemberg den Sportverbänden eine "enge Zusammenarbeit" an. Denn, so Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) bei der Vorstellung der in Freiburg angesiedelten Einrichtung, nur gemeinsam könne es gelingen, die kriminellen Strukturen und Netzwerke im Bereich des Dopings zu durchschlagen. Deshalb sei auch eine enge Kooperation mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) vorgesehen [1].

Wie vorherzusehen, rühren nun grün-rote Politiker/-innen die Werbetrommel für einen Straftatbestand "Sportbetrug", den Bayerns CSU-Justizministerin Beate Merk als Referentenentwurf bereits vorformuliert hat [2]. Darin enthalten ist auch die Kriminalisierung von Doping. Eigendoping ist in Deutschland, bislang noch als Selbstschädigung aufgefaßt, nicht strafbar. Ebenso der Besitz von kleinen Mengen nicht. Das soll sich ändern. Um eine staatliche Verbrecherjagd quer durch den Berufs-, Amateur- und Freizeitsport veranstalten zu können, soll auch der Besitz kleiner Mengen strafbar werden.

Daran hätte sicherlich auch Manfred Kanther, der zu seinen Glanzzeiten bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität die Inanspruchnahme aller "Kräfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" vorsah und etwa in puncto Rauschgiftkriminalität eine "geschlossene Verfolgungsfront - ohne Verharmlosung von Einstiegsdrogen oder Kleinmengen" verlangte [3], seine Freude gehabt: Um die lichtscheuen Doper in ihren "Verstecken" aufzuspüren, sprich in ihre "Gangsterwohnungen" vordringen zu können, soll der gesamte Instrumentenkoffer für staatliche Ermittlungen ausgepackt werden. Im Gespräch sind Hausdurchsuchungen, geheime Telekommunikationsüberwachungen, Observationen, möglicherweise auch V-Leute. Anti-Doping-Agenturen, die über riesige Datenbanken mit intimsten Details von Athleten verfügen, und staatliche Ermittler sollen ihre bereits bestehende Zusammenarbeit, über die es keine echte Transparenz gibt, noch vertiefen. Ein begründeter Anfangsverdacht, ausgelöst durch einen nun strafrechtlich relevanten positiven Befund (oder war's doch Fremdverschulden?), schwankende Werte im Blutprofil (Krankheit, genetische Anomalie?) oder auffälliges Meldeverhalten (Reise mit dem Kreuzfahrtschiff, Training in abgelegenen Regionen?) könnten zu Geheimermittlungen Anlaß geben. Der Generalverdacht gegen Spitzensportler, der bereits orwellsche Ausmaße angenommen hat und sich immer weiter in die Gesellschaft hineinfrißt, wird damit flächendeckend - jeder kleine Doper könnte Teil "krimineller Strukturen und Netzwerke" sein, die zu bekämpfen sich die harten Verfechter von Recht und Ordnung expressis verbis zum Ziel gesetzt haben. Es gilt laut offizieller Sprachregelung an die "Hintermänner" heranzukommen, was allerdings nur über die Verdächtigmachung der "Vordermänner", sprich der Athleten, ihrer Familien, Freunde und des Kontaktumfeldes gelingen kann. Deshalb soll Doping kriminalisiert und beispielsweise ein positiver Test zum strafrechtlich relevanten Anfangsverdacht aufgemöbelt werden. In den Antidopingmedien, die mit blindem Eifer die Werbetrommeln für die grün-rote Gesetzesinitiative schlagen, werden diese Zusammenhänge geflissentlich ignoriert.

Wie die taz, Hauspostille der Grünen, berichtet, wolle Stickelberger auch gegen das Doping im Profibereich vorgehen: "Er hofft auf Impulse und Strafanzeigen von den Sportverbänden, denn nur diese könnten flächendeckende Kontrollen durchführen." Zudem weist die dem repressiven Antidopingkampf aufgeschlossen gegenüberstehende taz auf den leidlichen Umstand hin, daß eine positive Dopingprobe nach den Regeln der Anti-Doping-Agentur dem betroffenen Sportler spätestens nach sieben Tagen mitgeteilt werden müsse, und zitiert in diesem Zusammenhang einen der in Freiburg beteiligten Staatsanwälte mit den Worten: "Für heimliche Ermittlungen ist das nur ein schmales Zeitfenster." [4]

Sollten sich die harten Hunde der Dopingbekämpfung durchsetzen, wofür einiges spricht, denn sie haben in den Prangermedien längst die Kommunikationshoheit, müssen insbesondere Spitzensportler, die aus welchen Gründen auch immer unter Sportbetrugsverdacht geraten sind, damit rechnen, ohne ihr Wissen Teil einer konspirativen Ermittlungszusammenarbeit von Sportverbänden bzw. Dopingagenturen und Strafverfolgungsbehörden zu werden. Erst wenn die Anti-Doping-Agentur dem vermeintlichen Sünder ein positives Testergebnis offeriert, werden die Betroffenen und ihren Kontaktpersonen gewahr, im Zeitfenster zuvor möglicherweise von der Polizei per Lauschangriff ausspioniert worden zu sein.

Die gelernte Polizeiobermeisterin Claudia Pechstein, die in die Fänge der Antidopinginquisition geraten war und wegen eines erhöhten Blutwertes auf höchst zweifelhafte Weise von Medien und Sportjustiz zur Sportbetrügerin gestempelt wurde, kann ein Lied davon singen, wie es jemanden ergeht, der (schuldig oder nicht) ins Fadenkreuz einer staatlichen Ermittlungsoffensive gerät. Auf ihrer Homepage berichtete die gegen die Windmühlen der medialen Rufmordmaschinerie ankämpfende Eisschnelläuferin: "Im Zuge dieses ganzen Falls wurde ein disziplinarrechtliches Ermittlungsverfahren der Bundespolizei gegen mich eingeleitet. Zudem gab es staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Unbekannt, um die angeblichen Hintermänner in meinem vermeintlichen Dopingfall aufzudecken. Aus diesem Grund wurde mein Haus durchsucht, meine Telefone abgehört, meine E-Mails heimlich mitgelesen, meine Privatunterlagen durchleuchtet und mein Konto gecheckt. Wie viele Eingriffe in meine Privatsphäre muss ich noch ertragen? Wie oft sollen mein Grundrechte noch verletzt werden?" [5]

Im Zuge der Ermittlungen durch die Münchner Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft I gegen Unbekannt wurde 2010 auch ein Handygespräch, das Claudia Pechstein mit einer Kollegin führte, von der Polizei heimlich mitgehört. Auch hier mußte Pechstein die schmerzliche Lektion lernen, daß Sportler in einem Dopingüberwachungsstaat ihre Privatgespräche so zu führen haben, daß ihnen oder anderen Menschen aus unbedachten oder politisch inkorrekten Äußerungen später nicht ein Strick gedreht werden kann. Ähnlich wie vollkommen unbescholtene Menschen, die unter panoptischer Kontrolle stehen - das haben Untersuchungen belegt -, ihre Verhaltensweisen anzupassen versuchen, um den Beobachtern hinter den Kameras keinen Anlaß für Nachstellungen zu geben, sind auch die unter Dauerverdacht stehenden Sportler dazu gezwungen, ihre Alltagssprache so zu disziplinieren, daß der "große Bruder" nicht hellhörig wird.

Pechsteins Äußerung soll die Ermittler schließlich zum Olympiastützpunkt Erfurt geführt haben, wo der Sportmediziner Stefan Franke in den Verdacht geriet, an rund 30 Athleten eine den Antidopingrichtlinien zuwiderlaufende Blutbehandlung mittels UV-Bestrahlung vorgenommen zu haben. Die "Affäre Erfurt", die von der Deutschen Presse-Agentur (Christian Spiller) und anderen Scharfmachern wie Fritz Sörgel (Pharmakologe aus Nürnberg) "zum größten Dopingskandal seit der Wiedervereinigung" aufgeblasen werden sollte, erwies sich entgegen ersten Expertenannahmen und tatkräftigen Anschubhilfen auch grün-roter Politiker/-innen als Rohrkrepierer. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in der Causa Erfurt sind bis dato zwar noch nicht beendet, doch die Welt-Anti-Doping-Agentur und ihr deutscher Ableger ruderten bereits zurück. Selbst ein Offener Brief [6] "prominenter Dopinggegner" u.a. an Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem mit vorverurteilender Verve die Überzeugung geteilt wurde, der Erfurter Arzt Stefan Franke habe das Blut von 30 Athleten manipuliert, trug nicht die erhofften Früchte. In dem Brief erklären die Antidopingkämpfer mit rührender Schlichtheit, daß das System Doping dulde, aber keinen Dopingfall, und versteigen sich in die Behauptung, daß die Sportverbände aus Ost- und Westdeutschland sich zusammengefunden hätten, um das Dopingsystem zu perfektionieren. Dem wollen die Dopinggegner mit vereinten Kräften entgegentreten. Sie fordern von Politik und Sport ein konsequentes und glaubwürdiges Eintreten für einen sauberen Sport.

Mit ihrer abgestandenen Kritik bewegen sich die Konsequenzler in einem Begriffsfeld, das diese Art von kleinbürgerlicher Konsensproduktion dringend braucht, um in der Tat das "System" zu perfektionieren, nämlich das die Freiheitsrechte immer weiter aushöhlende Antidopingregime, über dessen Auswirkungen in den Medien kaum noch ein kritisches Wort verloren wird. Symptomatisch dafür ist, daß die zwölf Unterzeichner des Offenen Briefes auch zu den großen Befürwortern einer grüngeschwärzten Offensive gehören, die dem Dopingdilemma des Leistungssports mit allen Mitteln repressiver Staatlichkeit beikommen will. Die sozialen Kollateralschäden, die eine harte Besitzstrafbarkeit und ihre rigorose Verfolgung mit sich bringt, sind für die glühenden Antidopingkämpfer ebensowenig Thema von Protestbriefen wie Manfred Kanther damals interessierte, ob eine konsequente Verbrechensbekämpfung, die die Republik mit einem "Sicherheitsnetz" aus Verdächtigung und Bespitzelung überziehen sollte, dem gläsernen Bürger nicht so sehr die Luft zum Atmen nimmt, als daß er sich seiner Cleanheit noch erfreuen könnte. Kurzum: Eine offene Gesellschaft ohne Angst, Mißtrauen und Überwachung verträgt sich nicht mit einer staatlich entfesselten Antidopingbekämpfung. Doch offensichtlich stehen die in der antisozialistischen Wolle gefärbten Dopingbekämpfer dem, was an ihrem ideologischen Intimfeind nicht liebenswert war, viel näher, als sie es sich selbst eingestehen würden.

Anmerkungen:

[1]‍ ‍http://www.jum.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1276377/index.html?ROOT=1153239. 10.5.2012.

[2]‍ ‍http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/ministerium/ministerium/gesetzgebung/entwurf_sportschutzgesetz_30112009.pdf

[3]‍ ‍http://www.welt.de/print-welt/article657208/Kanther-Mehr-Haerte-gegen-Mafia-Banden.html. 09.5.2012

[4]‍ ‍http://www.taz.de/DAILY-DOPE-552/!92263/. 10.5.2012.

[5]‍ ‍http://www.claudia-pechstein.de/News/news.php?news_ID=45. 10.5.2012.

[6]‍ ‍http://www.cycling4fans.de/index.php?id=5699. 10.5.2012.

12.‍ ‍Mai 2012