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KOMMENTAR/273: Bayer, Monsanto sportiv - Zusammenspiel ... (SB)



Während der Deutschlandfunk anläßlich der vergangenen Europaspiele in Weißrußland kaum eine Gelegenheit ausließ, das autokratisch regierte Land um Dauer-Präsident Alexander Lukaschenko dafür anzuprangern, daß es die Spiele nutze, um "politische Imagepflege" zu betreiben, während gleichzeitig Menschenrechte sowie Meinungs- und Pressefreiheit mißachtet würden, werden ähnliche Vorwürfe an die Adresse großer westlicher Konzerne, die den Sport als Kommunikations-, Werbe- oder Marketing-Instrument nutzen, um ihr schlechtes Image reinzuwaschen, kaum erhoben. In den Augen hiesiger Medien scheint es nur "Sportwashing" in Katar, Bahrain, Aserbaidschan oder Weißrußland zu geben, nicht aber in demokratischen Ländern des Westens. Ein bezeichnendes Beispiel für diese Art wirtschaftsnaher Hofberichterstattung lieferte der Deutschlandfunk am 7. Juni unter der Überschrift "Sport als Imageretter?" Dort heißt es einleitend: "Seit der Übernahme des amerikanischen Saatgut- und Pflanzenschutzmittelherstellers Monsanto ist die Bayer AG in eine tiefe Krise gestürzt. Die Sportler von Bayer spüren aber noch keine Auswirkungen und machen sich sogar Hoffnungen, das schlechte Image von Bayer wieder aufzupolieren." [1]

Über die Gründe, warum der milliardenschwere Pharma- und Agrarchemiekonzern, und zwar nicht erst seit der "Monsanto-Krise", ein schlechtes Image hat, schweigt der Bericht ebenso wie er jedwede Kritik daran, daß Sportfunktionäre bzw. Sportlerinnen und Sportler bereitwillig oder aus Opportunitätsgründen dabei mithelfen, das ramponierte Image der Bayer AG weißzuwaschen, ausspart.

Statt dessen kommen ausschließlich FunktionsträgerInnen der Bayer AG sowie der Säbelfechter Max Hartung (Bayer Dormagen), seines Zeichens Vorsitzender der Athletenkommission im DOSB und Gründungspräsident von Athleten Deutschland e.V., zu Wort, die in unmittelbarer Abhängigkeit zum Konzern stehen und entsprechend ihre Sicht der Dinge verbreiten. Die besteht vor allem aus der Sorge, daß der Konzern, der nach eigenen Angaben jedes Jahr 25 Millionen Euro in die Fußballtochter investiere und den anderen Bayer-Sportvereinen in Leverkusen, Krefeld, Dormagen und Wuppertal jährlich 14 Millionen Euro zur Verfügung stelle, aufgrund der drohenden Gefahr einer Zerschlagung des Traditionsunternehmens als Geldgeber ausfallen könnte - wofür es allerdings noch keine Anhaltspunkte gebe.

Auch ohne die aktuelle "Übernahme-Krise" und trotz satter Milliardengewinne in der Vergangenheit hatte die Bayer AG im Jahr 2008 die Ausgaben für den Breiten-, Jugend- und Behindertensport sowie den werbeträchtigen Spitzensport stark zusammengestrichen. Mehr als 8000 Sportlerinnen und Sportler verschiedenster Traditionsklubs waren in den Folgejahren davon betroffen, daß einer der größten privaten Sportförderer Deutschlands seine Werbemaßnahmen umstrukturierte, um sich fortan auf die wirtschaftlich lukrativeren Felder zu konzentrieren. Viele Sportlerinnen und Sportler bekamen erstmals voll zu spüren, daß sie lediglich austauschbare Marketingsinstrumente des Konzerns darstellen, dessen "soziales Engagement" nur so weit reicht, wie es einer positiven gesellschaftlichen Identifikation mit dem Pharmariesen, dem Verkauf seiner Produkte und der Erhöhung der Aktionärsgewinne dient. Im unverschnittenen Marketingsprech des Deutschlandfunks, der willfährig berichtet, daß das Sponsoring gerade jetzt wichtig für das Image der Bayer AG sei, hört sich das so an: "Die im Verhältnis zu den drohenden Entschädigungssummen bescheidenen Mittel für den Sport haben eine wichtige Marketingfunktion. Den Verantwortlichen ist bewusst, dass die positiven Image-Impulse, die der Sport besser liefern kann als die meisten anderen Marketinginstrumente, einen wertvollen Beitrag zur Reparatur des beschädigten Rufes leisten können."

Nicht ein Wort davon, was die "Verantwortlichen" der Bayer AG alles auf dem Kerbholz haben, mit welchen Mitteln und Methoden sie Einfluß auf Politik, Medien und Sport nehmen und wer die Leidtragenden ihres brachialen Profitstrebens sind. Selbst der Hinweis, daß der Bayer-Konzern weltweit in der Kritik steht, durch die im Juni 2018 erfolgte Übernahme des US-Saatgut- und Pestizidmultis Monsanto auch für die durch das umstrittene Unkrautgift Glyphosat verursachten Gesundheits- und Umweltschäden verantwortlich zu sein, bleibt unerwähnt. Die Weltgesundheitsorganisation hatte Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen" eingestuft, mehr als 13.000 Klagen sind in den USA gegen Bayer anhängig. Daß Monsanto hochgiftige Agrochemikalien vertreibt und insbesondere in Lateinamerika die Bauern mit seinem patentierten Saatgut in Abhängigkeit und Armut treibt, muß deutsche Topathleten, die sich angesichts ihrer ernährungsphysiologischen, pharmakologischen und medizinischen Vollversorgung auf der Sonnenseite des Lebens wähnen, nicht sonderlich interessieren. Fragt sich allerdings, wie lange noch, denn wenn das Insekten- und Bienensterben, das mit dem großflächigen Einsatz giftiger Chemikalien in Zusammenhang steht, so weiter geht wie bisher, wird es auch für die SpitzensportlerInnen kein Honigschlecken mehr geben.

Es hat Gründe, warum viele Funktionäre, Athleten und Medienschaffende darauf bestehen, Politik- und Sportgeschäft schön getrennt zu halten oder das innige Verhältnis, das sich auch in Wissenschaft und Rechtsprechung manifestiert, nur soweit in Frage zu stellen, wie es die Staatsräson gebietet. So bleibt denn auch in der Sportunterhaltung ungesagt, daß die Bayer AG schon vor der Inthronisierung Donald Trumps als US-Präsident über neue Geschäfte in den Staaten mit ihm verhandelt hatte. Der Leverkusener Chemieriese gehörte neben Allianz, BASF und Deutsche Bank - alles große Förderer des elitären Spitzensports, die sich auch in der Stiftung Deutsche Sporthilfe oder in der Sponsoren-Vereinigung "S20" tummeln und zentralen Einfluß auf die Sportpolitik nehmen - zu den deutschen Unternehmen, die im US-Präsidentschaftskampf mit großzügigen Spenden an die ultranationalistischen Republikaner zu deren Sieg über die Demokratische Partei beigetragen haben. Wie die parteiunabhängige Nichtregierungsorganisation "Center for Responsive Politics" (CRP) in Washington schon 2016 berichtete, hätten Bayer und Monsanto in den letzten zehn Jahren etwa 120 Millionen Dollar für Lobbyarbeit ausgegeben. [2] 2018 machte dann auch "Die Welt" unter Bezugnahme auf CRP-Zahlen öffentlich, daß kein bundesdeutsches Unternehmen dem US-Präsidenten Donald Trump im Verlauf der Zwischenwahlen so hohe Geldbeträge gespendet hat wie die Bayer AG. [3] Zugleich hat Bayer Milliardeninvestitionen in den USA versprochen, was Donald Trump, der ein erklärter Gegner strenger Umweltgesetze ist und Auflagen für die Bergbau-, Chemie- und Petroindustrie lockern will, wo dies nicht bereits vollzogen wurde, mit Wohlwollen quittierte.

Wie schon im Nationalsozialismus, als Bayer noch Teil der IG Farben war und im Einvernehmen mit den damaligen Machthabern kriegswichtige Dienste grausamster Art an Hunderttausenden von Menschen verübte, geht auch in postkapitalistischen Zeiten kein Blatt zwischen Staat und Kapital. "Es steht in der Tradition des BAYER-Konzerns, der die blutige Pinochet-Diktatur in Chile per Glückwunsch-Telegramm begrüßte und Hitler zur Macht verhalf, einen offen rassistischen Präsidenten finanziell zu unterstützen, der bevorzugt auf undemokratische Weise per Dekret regiert und mit seiner konfrontativen Außenpolitik Kriegsgefahren heraufbeschwört", erklärte Axel Köhler-Schnura, Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren, die seit vielen Jahren die Machenschaften des Chemiemultis kritisch begleitet. [4]

Letztlich ist auch das Sportsponsoring der Konzerne nichts anderes als ein sozialtechnologisch äußerst erfolgreiches "Roundup", das tief in die Gesellschaft eingesickert ist und dessen Schäden von den Profiteure rundheraus negiert werden und von den Leidtragenden nur schwer an die Oberfläche der Wahrnehmung gefördert werden können. Obwohl die Medikalisierung der Leistungsgesellschaft und nicht zuletzt die daraus resultierende Dopingproblematik ein Geschäftsmodell der Pharmaindustrie darstellt, die den Körper als Wachstumsmarkt für Pharma- und Medizinprodukte entdeckt und über viele Jahrzehnte hinweg strategisch entwickelt hat, so daß es heutzutage sowohl unter Breiten- als auch SpitzensportlerInnen vollkommen normal ist, Pharmazieprodukte jedweder Art gegen Schmerzen, zur Leistungssteigerung, Körperoptimierung oder Muskelmast einzunehmen, um den gesellschaftlichen Leistungsnormen gerecht werden zu können, wird in den Sportmedien so gut wie nie über die Verantwortung der Pharmakonzerne, die auch die petrochemische und chemische Industrie weltweit kontrollieren, gesprochen. Der Gegner scheint einfach zu groß und mächtig zu sein, als daß es sich der Sportjournalismus leisten könnte, seine Corporate Identity mit den Konzernen, die auch potente Werbe- und Anzeigenkunden der Medien sind, aufzukündigen. Dann doch lieber mit dem Finger auf ferne Länder zeigen, im Einvernehmen mit den Global Playern der Kriminalisierung von Doping das Wort reden [5] und sich Sorgen darum machen, wie Spitzenathleten den beschädigten Ruf der Bayer AG reparieren können.

Fußnoten:

[1] https://www.deutschlandfunk.de/krise-der-bayer-ag-sport-als-imageretter.1346.de.html?dram:article_id=452020.
"Sport als Imageretter?" Von Daniel Theweleit. 07.07.2019.

[2] https://www.opensecrets.org/news/2016/09/bayer-monsanto-merger-two-washington-savvy-companies-get-their-game-on/. 15.09.2016.

[3] https://www.welt.de/wirtschaft/plus183312766/Midterms-Die-spendabelsten-deutschen-Trump-Helfer.html. 06.11.2018.

[4] http://www.cbgnetwork.org/7370.html. 08.11.2018.

[5] 2003 wurde der Bayer AG der "BigBrotherAward" verliehen, weil sie Bewerber, die im Unternehmen eine Ausbildung machen wollten, zu einem Drogentest per Urinprobe zwang. 2013 forderten auch deutsche Topsponsoren ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland. Die in der Sponsoren-Vereinigung "S20" zusammengeschlossenen Unternehmen, darunter Bayer AG, Telekom, Coca Cola, McDonald's, Adidas, Mercedes und Postbank, erklärten durch ihren Vorstand Stephan Althoff (Telekom) in Sport Bild plus: "Eine gesetzliche Regelung ist sinnvoll und überfällig. Als Sponsoren haben wir das Interesse, dass wir das Geld in eine saubere, ehrliche, manipulationsfreie Plattform investieren."

23. Juli 2019


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