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FRAGEN/002: Carola Barbara Unser - Voller Vertrauen in das Medium Theater (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 12 vom 1. Juli 2008

Voller Vertrauen in das Medium Theater
Carola Barbara Unser ist die neue künstlerische Leiterin der "bühne" und sucht neue Mitstreiter

Das Gespräch führte Anja Bartho


Carola Barbara Unser hat im April 2008 die künstlerische Leitung an der "bühne", dem Theater der TU Dresden, übernommen. Die Diplom-Pädagogin und Regisseurin ist begeistert vom Engagement der Bühnen-Mitglieder, die sie schon liebevoll "Bühnis" nennt. Dennoch kämpft die "bühne" zurzeit mit ein paar Schwierigkeiten - Ideen, diese anzugehen, hat Carola Unser im Gepäck nach Dresden mitgebracht. UJ sprach mit ihr.


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UJ: Frau Unser, momentan pendeln Sie mit dem Zug zwischen Hamburg, Kiel und Dresden. Da haben Sie sicher viel Zeit, neue Ideen für Ihre Arbeit zu entwickeln...

CAROLA UNSER: Auf alle Fälle ist die Bahn zurzeit ein geeignetes Büro für mich. Es stimmt, dass ich momentan viel unterwegs bin. In Kiel habe ich ein kleines Engagement, das zeitlich begrenzt ist. Mehrere junge Regisseure proben im Rahmen des Festivals "Feuertaufe" des Theaters Kiel Stücke, die dann an diversen Orten in Kiel aufgeführt werden. Ich führe Regie bei einem Jugendtheaterstück. In Hamburg arbeite ich zwei Tage pro Woche als Dozentin am Schauspielstudio Frese. Hamburg wird also weiterhin ein Ankerpunkt in meinem Leben bleiben, meinen Lebensmittelpunkt jedoch werde ich nach Dresden verlagern. Über meine neue Arbeit als künstlerische Leiterin der "bühne" freue ich mich sehr. Ich bin beruflich gern in Bewegung und bin froh, wieder etwas Neues entdecken zu dürfen. Die "bühne" bedeutet vielfältige Aufgaben, vom Kulturmanagement bis hin zum Inszenieren. Gleichzeitig verfolge ich natürlich weiter das Ziel, meinen Beruf - der Regisseurin - auch in anderem Rahmen ausüben zu können.

UJ: Wie sind Sie von Ihrem Studium der Pädagogik zum Theater gekommen?

CAROLA UNSER: Ich hatte schon früh eine Leidenschaft für das Theater. Da ich aus der Provinz komme, war das allerdings beruflich erst einmal keine Option für mich, da ich schlichtweg die vielfältigen Berufsfelder im Theater nicht kannte. Neben meinem Pädagogikstudium habe ich dann zunächst eine Ausbildung als Theaterpädagogin absolviert. Während des Studiums habe ich aber auch immer viel freies Theater gemacht. Ich habe sozusagen als Lehrling alle Abteilungen des Theaters durchlaufen und dabei meine Leidenschaft für die Regie entdeckt. Dabei entwickelte sich bei mir der Wunsch, das Regiehandwerk von Grund auf zu erlernen und ich habe vier Jahre Regie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg studiert. Ich bin mit Leib und Seele Regisseurin.

UJ: Welchen Eindruck haben Sie von der "bühne"?

CAROLA UNSER: Ich habe lange an freien Theatern gearbeitet und kann sagen: Die "bühne" ist eine tolle und besondere Institution. Sie bietet wunderbare strukturelle Voraussetzungen. Außerdem bin ich vom Engagement der Bühnen-Mitglieder begeistert. Es ist keine einfache Aufgabe, ein Studententheater wie die "bühne" zu betreiben und es gibt ein paar Schwierigkeiten bzw. Dinge, die verändert werden müssen. Aber der Antrieb der Bühnen-Mitglieder, diesen Kulturort zu bewahren, ist bewundernswert und eine gute Voraussetzung, die "bühne" weiter voranzubringen.

UJ: Können Sie die Schwierigkeiten, von denen Sie sprechen, konkretisieren? Wie wollen Sie damit umgehen?

CAROLA UNSER: Ein Problem, das sich auch der "bühne" stellt, ist auf die Umstellung auf das Bachelor- und Masterstudium zurückzuführen. Ich vermute, dass die Studierenden jetzt weniger Freiraum haben, um sich an Institutionen wie der "bühne" zu engagieren. Zumindest ging die Anzahl der Mitglieder ein wenig zurück. Wir brauchen mehr Mitglieder, um den wöchentlichen Spielbetrieb von Donnerstag bis Sonntag aufrechtzuerhalten. Dabei kann man an der "bühne" Erfahrungen in den unterschiedlichsten Bereichen sammeln: natürlich auf der Bühne als SchauspielerIn, aber auch hinter der Bühne in Dramaturgie und Technik, bei der Gremienarbeit sowie im Marketing und Kulturmanagement. Wir müssen im Hinblick auf die Mitglieder nach neuen Wegen, neuen Strukturen suchen bzw. noch mehr verdeutlichen, dass die "bühne" ein wunderbares Praxisfeld ist, das keine vergeudete Zeit bedeutet, sondern eine wertvolle Erfahrung fürs spätere Berufsleben.

Eine andere Herausforderung ist der Standort der "bühne". Sie liegt abseits vom Stadtzentrum, das wirkt sich negativ auf die Zuschauerzahlen aus, was natürlich wiederum die finanzielle Situation beeinträchtigt. Es ist sehr besonders und wunderbar, dass sich die TU Dresden die "bühne" sozusagen "leistet" (Anm. der Red.: die TUD stellt die Räume zur Verfügung und finanziert die künstlerische Leitung mit einer halben Stelle). Der Verein, der die "bühne" trägt, finanziert sich aber ausschließlich durch die Eintrittsgelder, und die sind im Moment knapp. Keine Frage: Ich habe mich in diese Studiobühne verliebt. Aber wir müssen darüber nachdenken, wie wir langfristig wieder mehr Publikum ansprechen können. Es ist z. B. denkbar und wäre sehr wünschenswert, mit anderen Dresdner Kultureinrichtungen zu kooperieren und in anderen Einrichtungen oder bei Veranstaltungen aufzutreten. Zuerst ist es aber das Ziel, einen guten Spielplan für die nächste Spielzeit aufzustellen.

UJ: Wird sich am Spielmodus etwas ändern?

CAROLA UNSER: Für die nächste Spielzeit, also mit Beginn des Wintersemesters, sind vier Produktionen geplant, d. h. zwei pro Semester. Sie wird übrigens unter dem Motto "Konsumkeulen und Moralopfer - Massenkompatibel" stehen. Es bleibt abzuwarten, was von der jetzigen Spielzeit übernommen werden kann. Wenn man sich vor Augen führt, dass ein Stück 20 bis 25 Mal pro Semester aufgeführt wird, ist das zeitlich eine große Belastung für die Schauspieler und Schauspielerinnen und fordert viel Verbindlichkeit. Daher denken wir über mittlere Formate nach, d. h. Stücke, die in kürzerer Zeit geprobt werden können und auch kürzer gespielt werden. Außerdem wollen wir verstärkt kleine Formate aufführen. Es gibt ja schon jetzt den sogenannten Artikulations-Versuch, bei dem sich die Bühnenmitglieder ausprobieren können. Sie können z. B. selbst bei einem Stück Regie führen und ihr Team besetzen. Und schließlich denke ich daran, auch Kunst und Inhalte anderer Sparten an unseren wunderschönen Ort zu bringen, sei es Musik, seien es Diskussionspodien.

UJ: Die "bühne" bietet verschiedene Kurse für Schauspielinteressierte an - wird sich das Workshopangebot weiterentwickeln?

CAROLA UNSER: Das Angebot an Grund-, Aufbau- und Improvisationskursen für Schauspielinteressierte, bei denen die "bühne" mit Dresdner TheaterpädagogInnen zusammenarbeitet, soll beibehalten werden. Zusätzlich wollen wir alle ein bis zwei Monate Workshops speziell für die aktiven Bühnen-Mitglieder durchführen. Sie werden sich danach richten, welche Kompetenzen ausgebaut werden müssen. Einen Teil dieser Fortbildungen werde ich selbst durchführen, für andere werden wir externe Experten engagieren. Damit können wir zwei Ziele erreichen: zum einen die Qualität anheben, und zum anderen die Zusammengehörigkeit an der "bühne" fördern. Theater funktioniert letztlich wie eine Familie, Kommunikation ist essenziell!

UJ: Welche inhaltlichen Schwerpunkte möchten Sie an der "bühne" setzen?

CAROLA UNSER: Theater als Medium hat die große Chance, Welt zu reflektieren und das Gegenwärtige zu hinterfragen, intellektuell und sinnlich. Für mich resultiert daraus ja fast die Verpflichtung, dass Theater Fragen stellt, scheinbare "Normalität" hinterfragt, also etwa: Was ist an der "bühne", an der Universität, in Dresden, aber auch in der Welt los? Ich glaube fest an diesen politischen Auftrag und Sinn des Theaters.

UJ: Welche Themen haben sich da - in der Zeit, die Sie bisher hier verbracht haben - im Hinblick auf Dresden als Wohn- und Studienort bei Ihnen ergeben?

CAROLA UNSER: An der "bühne" erlebe ich politisch engagierte und sehr differenziert denkende und handelnde Menschen. Sie haben meinen Blick auf Themen gelenkt, die ich durchaus auch aus Hamburg kenne: die Schwierigkeit für die jetzige studentische Generation, Standpunkte zu beziehen, sich zu verorten; die um sich greifende Orientierungslosigkeit aufgrund einer immer schnelleren, vernetzteren, neoliberalen Welt und das aus dieser Überforderung resultierende fehlende Engagement. Das ist auch neuen Strukturen geschuldet, die immer mehr den individuellen Weg fokussieren und "Gemeinschaft erleben" nicht gerade ins Zentrum stellen. Ich wurde aber auch mit Themen konfrontiert, die ich bislang noch nicht so direkt erfahren habe, wie der immense Leerstand, hohe Arbeitslosigkeit und braunes Gedankengut, obwohl es viel zu einfach wäre, zu behaupten, dass Letzteres "ostspezifisch" sei - keineswegs.

Letztlich sehe ich hier, ebenso wie zuvor in Hamburg, die zunehmende Ökonomisierung des Lebens, einer Gesellschaft, und ich bin Realistin genug, um zu wissen, dass Theater diese Entwicklung nicht aufhalten kann. Trotzdem bin ich voller Vertrauen in dieses großartige Medium und glaube, dass man diese Entwicklung zumindest kritisch begleiten und dadurch zum Teil gewiss sozialer, menschlicher gestalten kann.

Carola Barbara Unser ist geborene Pfälzerin, hat in Hamburg studiert und ist nun in Dresden tätig.


Weitere Informationen:
die bühne, Teplitzer Straße 26 (Uni-Gebäude am Weberplatz), 01219 Dresden
Kontakt: buero@die-buehne.net oder Tel.: 0351 463-36351
www.die-buehne.net


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 12 vom 01.07.2008, S. 12
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2008